Windenergie und Vogelkollisionen: unzureichende EU-Leitlinie zu Windenergie und Natura-2000

Nonnengänse an der Ems

Die Europäische Union hat ein Leitlinien-Dokument zur Windenergieentwicklung in Natura-2000-Gebieten (also Flora-Fauna-Habiat- und Vogelschutzgebiete) herausgegeben. Hier in Ostfriesland sieht es trotz dieser Richtlinien, die Natur europaweit schützen soll, in einigen Vogelschutzgebieten verheerend aus, riesige Wind“parks“, von Planungsbüros betreiberkonform schönbegutachtet, stehen mitten in den Schutzgebieten.

Das im wahrsten Sinne herausragendste Negativbeispiel ist das Windturbinenfeld „Wybelsumer Polder“ an der Ems, das zunächst von der EU-Kommission nach einer Beschwerde des Wattenrates heftig kritisiert wurde. Kurz vor dem der Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wurde die Beschwerde des Wattenrates nach ebenso heftiger politischer Einflussnahme aus Niedersachen und Berlin eingestellt. Heute sieht es dort so aus:

Wind"park" Wybelsumer Polder bei Emden, in einem EU-Vogelschutzgebiet

Inzwischen ist bekannt, dass nicht nur Scheucheffekte die Lebensräume bestimmter Vogelarten, an der Küste vor allem Gänse und Watvögel, erheblich beeinträchtigen, nun werden auch zunehmend die Kollisionsgefahren thematisiert. Auch diese Tatsachen berücksichtigt die EU nur unzureichend in ihrem neuen Leitlinien-Dokument. Es ist kein Geheimnis, welche Interessengruppen hier nun auf europäischer Ebene die Feder führen.

Aktuell äußerte sich das Bundesumweltministerium über dpa zu angeblich geringen Vogelverlusten durch Windkraftanlagen, was nicht sein darf, kann eben beim  „Exportweltmeister“ Deutschland nicht sein.

Von Herrn Hubertus Illner von der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz (ABU), Landkreis Soest, erhielten wir zum EU-Papier eine Nachricht. Seine Ausführungen dazu geben wir hier gerne wieder:

Im Oktober 2010 wurde von der EU-Kommission ein Leitlinien-Dokument mit dem Titel „Windenergieentwicklung und NATURA 2000“ in englischer Sprache herausgebracht. Ein wichtiger Bestandteil dieser Leitlinie ist die Einschätzung von europäischen Vogelarten hinsichtlich ihrer Gefährdung durch Kollision an WEA oder durch Vertreibungswirkungen, die von WEA ausgehen können. Da diese Leitlinie das bis 2010 vorhandene Wissen nur unzureichend berücksichtigte, wurde eine ausführliche naturschutzfachliche Stellungnahme für eine nötige Revision dieser Leitlinie verfasst. Auf Grundlage der deutschen Fundliste von WEA-Opfern und weiterer Quellen wurden 33 Brutvogelarten wie z.B. Sumpfohreule, Fischadler, Baumfalke und Wespenbussard als kollisionsgefährdet eingestuft, die in den EU-Leitlinien fehlen. Bei weiteren 19 Brutvogelarten wurde eine größere Kollisionsgefährdung ermittelt als in dem EU-Papier angegeben. Die vollständige, englischsprachige Stellungnahme inklusive einer Liste von 91 Brutvogelarten mit der Einstufung hinsichtlich ihrer Kollisionsgefährdung an WEA kann hier H_Illner_15Febr2011_comments_EU-Guidance_wind_turbines_NATURA_2000 als PDF herunterladen werden. (H. Illner 17. Februar 2011).

ABU-Nachrichten 2-2010

Wind-Energieanlagen

Greifvogelschutz

Anfangs befürchteten Naturschützer vor allem Lebensraumverluste durch Meideverhalten von Vögeln zu Windenergieanlagen (WEA). Bei zahlreichen Rast- und einigen Brutvogelarten wurde dies auch nachgewiesen. Systematische Totfundstudien in einigen europäischen und nordamerikanischen Windparks zeigen, dass vor allem Greifvögel und Eulen relativ häufig an WEA verunglücken. Da diese Arten besonders gut sehen, überrascht dieser Befund. Doch Geschwindigkeiten der Rotorspitzen von bis über 200 km/h überfordern offensichtlich auch die Sinnesleistungen dieser Arten. Da Tag- und Nachtgreife in geringer Dichte siedeln und eine niedrige Fortpflanzungsrate aufweisen, können einzelne Verluste an WEA bei diesen Arten nicht schnell ausgeglichen werden. Regelmäßige Einzelverluste können sogar zu einem anhaltenden Rückgang eines lokalen Brutbestandes führen, wenn nicht aus anderen Gebieten mit einem Jungvogel-Überschuss eine Auffüllung stattfindet.

Doch die Brutbestände einiger Greifvogel- und Eulenarten sind ohnehin schon rückläufig und so gibt es auch keine ausreichende Zahl von Überschussgebieten mehr. Besonders deutlich wird dies am Beispiel des Rotmilans, der in der bundesweiten Fundliste vom 14.09.2010 mit 138 WEA-Opfern hinter dem Mäusebussard an zweiter Stelle steht

(http:// www.mugv.brandenburg.de/cms/detail.php/bb2.c.451792.de).

Eine Hochrechnung ergab für Brandenburg, dass rechnerisch etwa 5% des dortigen Rotmilan-Bestandes jährlich an WEA verunglückt. Gleichzeitig unterliegt der Rotmilan erheblichen Verlusten durch Vergiftung, Abschuss, Stromschlag, Leitungsanflug, Verkehrstod und Horstbaumfällung und seine Fortpflanzungsrate ist infolge der intensiven Landwirtschaft oftmals reduziert. Jedes Prozent zusätzlicher Mortalität durch WEA erhöht also die  Wahrscheinlichkeit, dass Rotmilanbestände weiter abnehmen.

Aus der Hellwegbörde und ihrem Umfeld gibt es inzwischen eine bedenkliche Zahl von Zufallsfunden toter oder flügelverletzter Greifvögel unter den mehr als 200 WEA: drei Rotmilane, je ein Wanderfalke, Baumfalke, Mäusebussard und Uhu sowie zwei Verdachtsfälle von der Wiesenweihe (Näheres: http://www.abu-naturschutz.de/ Naturschutzthemen/Windkraft).

Hubertus Illner

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