Wasservogeljagd in EU-Vogelschutzgebieten: Pressetermin der Grünen in Petkum an der Ems

Pressekonferenz der Grünen im Sielwärtergebäude von Petkum

Wasservogeljagd in EU-Vogelschutzgebieten: Pressetermin der Grünen in Petkum an der Ems

Mit Naturschutzthemen tut sich die Lokalpresse oft schwer, wie der Pressetermin am 06. Januar 2012 in Petkum bei Emden an der Ems zum Thema Gänsejagd in EU-Vogelschutzgebieten wieder einmal beweist. Eingeladen hatten die Grünen aus Emden, die den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der niedersächsischen Landtagsfraktion und naturschutzpolitischen Sprecher der Grünen, Christian Meyer, nach Petkum geholt hatten, um sich ein Bild vom Ort des Geschehens zu machen.

Geladen waren Eilert Voß vom Wattenrat, der jahrelang die jagdlichen Missstände im Schutzgebiet „Petkumer Deichvorland“ dokumentiert hatte, Michael Steven vom NABU-Ostfriesland und der Forstdirektor a.D. Jürgen Oppermann vom Ökologischen Jagdverband Niedersachsen-Bremen (ÖJV). Ebenfalls geladen waren Aktive der Emsinitiative „Dyklopers“ und einige aktive Teilnehmer der Gänsewacht als Zaungäste.

Erschienen waren die Emder Zeitung, die Ostfriesen Zeitung (der berichtende Redakteur der Ostfriesen Zeitung ist selber Jäger) und die Ostfriesischen Nachrichten. Dazu Fernsehteams von Sat1 und vom NDR sowie eine Radioreporterin des privaten Rundfunksenders Hitradio Antenne. Und, last but not least, dpa.

Der NABU (Zitat: „Erfolgreiche Werbung für den NABU Ostfriesland: In 2011 über 2200 neue Mitglieder! Aufwind für Biotopschutz, Artenschutzprojekte und Naturerlebnisangebote für Kinder“ ) positionierte sich mit einer inhaltlich kaum zu bemängelnden Pressemitteilung genau am Tag des Pressetermins in Petkum deutlich gegen die Wasservogeljagd. Dieser Beitrag wurde im Ostfriesischen Kurier aus Norden am 07. Januar 2012 veröffentlicht. Die Leserschaft konnte so den irrigen Eindruck gewinnen, der Pressetermin sei eine Veranstaltung der Grünen mit dem NABU. Wenn der NABU sich ebenfalls mit seinen vielen Mitgliedern an der Gänsewacht und mit den sich daraus ergebenden unangenehmen Konflikten mit der Freizeitjägerschaft und einigen Behörden beteiligte, wäre dieser Naturschutzverband wesentlich glaubhafter; so sieht es nach einer genau terminierten Pflichtübung einschließlich geschickter Verbands-PR aus.

NABU Niedersachsen – P R E S S E D I E N S T — 6. Januar 2012
Jagd / Artenschutz
NABU kritisiert Mängel im Umgang mit Schutzgebieten in Niedersachsen Einschränkungen der Jagd durch Jagdruhezonen gefordert
Steven: „Keine Gänsejagd in Schutzgebieten“
Emden, Petkum, Hannover – Der NABU Niedersachsen hat heute (6. Januar) anlässlich einer auf Einladung der Emder Grünen durchgeführten Erörterung der Jagd im Naturschutzgebiet (NSG) Petkumer Deichvorland (Landkreis Leer / Stadt Emden) die Mängel im Umgang mit den Schutzgebieten in Niedersachsen kritisiert. In der Überführung der Vogelschutzgebiete in Landesrecht sowie in der Aufstellung und Umsetzung der Managementpläne sei Niedersachsen bundesweit mit Abstand das Schlusslicht. Obwohl durch die Jagd mitunter Schutzgüter erheblich beeinträchtigt würden, gebe es bislang kaum Einschränkungen der Jagd in Form von Jagdruhezonen, betonte der NABU Niedersachsen. […]

Der nach eigenen Angaben „mitgliederstärkste“ Naturschutzverband (mit „gedrückten“ Mitgliedern!) hat sich aber in der Vergangenheit nie an der Gänsewacht am Naturschutzgebiet „Petkumer Deichvorland“ beteiligt oder auch nur ansatzweise erkennen lassen, dass er sich beteiligen will. Die Öffentlichkeitsarbeit, die Anzeigen und Information der Behörden und Jagdverbände wurden allein vom Wattenrat geleistet, der keine hauptamtlich bezahlte Mitglieder hat.

Auf dem Pressetermin wurde gar von der „nachhaltigen Nutzung“ bei der Wasservogeljagd durch Jäger geschwafelt, vom NABU-Geschäftsführer Ostfriesland! Man wolle „keine Fronten aufbauen“ und „arbeite mit der Jägerschaft zusammen“, so die schon fast peinliche „bloß-nicht anecken“-Eierei des NABU-Mannes, vorgegeben vom Landesverband Niedersachsen.

Emder Zeitung, 07. Januar 2012

[…] Für den Leiter der Regionalgeschäftsstelle des Nabu- Ostfriesland, Michael Steven, ist es wichtig, „keine Fronten aufzubauen“ und ein „faires Miteinander“ von Jägern und Tierschützern anzustreben. Gleichwohl sei die Jagd ein „Störfaktor“ im Jagdgebiet. Eine Lösung des Konflikts könne sein, das Petkumer Deichvorland dem Nationalpark Wattenmeer zuzuschlagen, lautet eine Forderung des Wattenrats Ostfriesland. […]

Der NABU tut so, als ob es die Fronten durch völlig uneinsichtige Freizeitschießer nicht bereits gäbe. Man muss sich zur Ernüchterung nur die Jagdforen z.B. bei „Wild und Hund“ antun und dort nachlesen, wie absolut faktenresistente Hobbyjäger zur Gänsejagd in Schutzgebieten stehen. Der ÖJV-Mann als Jäger war wesentlich deutlicher in der Ablehnung der Wasservogeljagd als der NABU! Der NABU versteht die Kunst, im richtigen Moment auf den fahrenden Naturschutzzug aufzuspringen und den Eindruck zu erwecken, er sei der Lokomotivführer.

Über die Anregung des Wattenrates an die Adresse des NABU-Mitarbeiters Steven, das NABU-Büro in Brüssel mit einem hauptamtlichen NABU-Mitarbeiter dazu zu nutzen, direkten Einfluss durch kurze Wege auf die EU-Kommission wegen des Verbots der Wasservogeljagd in EU-Vogelschutzgebieten zu nehmen, wurde nicht  berichtet. Und nur dpa und die Emder Zeitung berichteten vom Vorschlag des Wattenrates, das Schutzgebiet, das auch EU-Vogelschutzgebiet ist, in den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer zu integrieren, um die Jagd damit zu beenden. Das wurde bundesweit ausführlich u.a. in „Die Welt“ und kurz in der „Bild“ berichtet; als einzige Lokalzeitung druckte die „Rheiderland Zeitung“ vom anderen Ufer der Ems den umfangreichen dpa-Bericht in voller Länge ab. Je weiter vom Ort des Geschehens, desto genauer die Berichterstattung!

dpa in „Die Welt“ und in anderen überregionalen Tageszeitungen, 07. Januar 2012

[…] Trotz anhaltender Kritik sehen die Jäger bisher keinen Anlass für ein Umdenken bei der Jagd auf Wasservögel. Die Chance, bei Schüssen auf Gänse auch geschützte Arten zu treffen, sei sehr gering, sagt Wilke Siebels vom Bezirksverband Ostfriesland der Landesjägerschaft. „Wir achten stark auf Waidgerechtigkeit. Ein Fehlverhalten einzelner Jäger ist aber nicht ganz auszuschließen.“
Drastischer sieht das Jürgen Oppermann vom Ökologischen Jagdverband Niedersachsen-Bremen: „Wer das Kreuz hat, segnet sich vor allem selbst. Ohne Aufsicht ist die Jagd ein rechtsfreier Raum. Jäger machen Wildtiere wild.“ Michael Steven vom NABU will die Jägerschaft zwar nicht unter Generalverdacht sehen, sie aber aus empfindlichen Flächen heraushalten. „Das ist ein Störfaktor in Schutzgebieten.“ Eine Lösung sehen Naturschützer vom Wattenrat Ostfriesland in einer Ausweitung des angrenzenden Nationalparks Wattenmeer. „Darin könnte das Petkumer Deichvorland ohne großen Verwaltungsaufwand einbezogen werden“, sagt Wattenrat-Sprecher Manfred Knake.
„Keine italienischen Verhältnisse“ möchte der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Landtag, Christian Meyer, in Niedersachsen erleben. In Italien werde Jagd auf Singvögel gemacht, in Niedersachsen werde in Schutzgebieten geschossen. „Ob das EU-Recht entspricht, müssen jetzt Juristen prüfen.“

Den Wattenrat-Ostfriesland, der über seinen Mitarbeiter Eilert Voß und diese WebSeite die jagdlichen Missstände  erst publik gemacht hat, gibt es in einigen Lokalzeitungen gar nicht. Den Vogel schossen die Ostfriesischen Nachrichten aus Aurich zwar nicht mit einer Ente, dafür aber mit weißen Hausgänsen  ab: Die Zeitung zeigte als Bild zahme Hausgänse, obwohl unmittelbar vor dem Tagungsraum in Reichweite eines Teleobjektives tausende arktische Gänse rasteten.

Diese Hausgänse sind nicht gemeint: "Qualitäts"berichterstattung aus Aurich

Die zahlreichen rastenden Grau-, Bläss- oder Nonnengänse vor dem Tagungsraum konnten auch den Jägeraugen des Redakteurs der Ostfriesen Zeitung nicht verborgen geblieben sein: Er verstand sogar die Kunst, ein gänsefreies Foto aus dem Teil des Schutzgebietes zu liefern, über das vorher ein Hubschrauber geflogen war und so die Gänse vertrieben hatte. Dafür war sein Kommentar immerhin (selbst-)kritisch.

Ostfriesen Zeitung, 07. Januar 2012

OZ-KOMMENTAR
VOGELSCHUTZ
Gänsebraten
VON FRITZ HARDERS
Von Annäherung keine Spur. Kompromisslos fordern Grüne und Wattenrat die Einstellung der Gänsejagd im Petkumer Deichvorland. Mit teilweise nachvollziehbaren Argumenten. Das sei ihnen zugestanden. Und bei der erlaubten Jagd auf Graugänse kommt zweifelsohne hin und wieder auch eine geschützte Gans so dicht an eine Schrotgarbe heran, wie es mit dem Leben nicht mehr vereinbar ist. Was flapsig klingt, ist ernst gemeint und auch nicht in Ordnung. Jäger sollten nicht nur um ihren Ruf und Status als staatlich anerkannte Naturschützer bemüht bleiben, sondern sich gerade als Waffenträger an Recht und Gesetz halten.
Aber eins noch zum gestrigen Pressetermin der Grü¬nen: Würde doch nur so viel Bohei um arme Kinder in Deutschland gemacht, denen die Teilhabe versagt bleibt, oder um die Rentner in diesem Land, die wegen ein paar Lebensrnitteln an den Tafeln anstehen müssen! So flap¬sig das klingt, so ernst ist es gemeint: Da drängt sich der Gedanke an einen Gänsebraten auf.

Am ausführlichsten berichteten dpa und der Fernsehsender Sat1 über den Pressetermin, in einem fast dreiminütigen Beitrag.

Zur Posse geriet die Pressekonferenz, als der FDP-Lokalmatador Erich Bolinius aus Petkum uneingeladen zum Schluss der Veranstaltung den Tagungsraum betrat, sich sofort über die Naturschützer im Allgemeinen und Eilert Voß im Speziellen ausließ, die Freigabe des Betonweges im Naturschutzgebiet für den Besucherverkehr forderte und die anwesenden Pressevertreter ermahnte, „nicht alles zu glauben“ und „ausgewogen“ zu
berichten. Nun will er selbst eine Pressekonferenz am gleichen Ort zusammen mit der Jägerschaft organisieren.

Emder Zeitung, 07. Januar 2012

[…] FDP-Ratsherr Erich Bolinius, der ohne Einladung zu der Pressekonferenz gestoßen war, erklärte: „Was Herr Voß in vielen Dingen sagt, ist mit Vorsicht zu genießen.“ Er beklagte zudem, dass man die Petkumer mehr und mehr von der Natur ausgeschlossen habe. […]

Heute Morgen (07. Jan. 2012, 08:30), stand Eilert Voß als „Frontmann“ zusammen mit einer Gänsewächterin wieder in Petkum, und wieder ohne den NABU. Direkt am Schutzgebiet binnendeichs fielen vier Schrotschüsse. 200 Große Brachvögel verließen fluchtartig diese „Pufferzone“ am Naturschutzgebiet. Im Naturschutzgebiet verließen durch den Schussknall sofort 2500 Nonnengänse und viele nicht gezählte Grau- und Blässgänse panikartig ihre Schlafplätze. Petkum an der Ems ist der Ausgangspunkt für die politische Arbeit mit dem Ziel der Einstellung der Jagd in Vogelschutzgebieten geworden, weil hier das Missverhältnis zwischen der verharmlosenden Darstellung der Jägerschaft und der Realität der Zugvogeljagd über Jahre deutlich gemacht wurde.

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