Gänseschlafplätze an der Ems: Mitarbeiter der Naturschutzbehörde auf Abwegen

Behördenmitarbeiter W. räumt schlafende Nonnengänse im Schutzgebiet ab

Ausgerechnet der Mitarbeiter W. des „Fachdienstes Umwelt“ (Untere Naturschutzbehörde) der Stadt Emden, zuständig u.a. für die Einhaltung der Naturschutzgesetze, entpuppte sich als vehementer Störer im Naturschutzgebiet „Petkumer Deichvorland“ an der Ems, Teil eines EU-Vogelschutzgebietes. Im Naturschutzgebiet haben derzeit ca. 20.000 arktische Nonnengänse ihre Schlafplätze im Emswatt, wo sie sicher vor Füchsen sind. Durch den Orkan „Xaver“, der das Watt und die Deichvorländereien durch sehr hoch auflaufendes Hochwasser überspülte, zogen sich die Gänse an den Deichfuß, die Deichberme und höhergelegene Flächen am und im Naturschutzgebiet zurück. Der Wasserstand im Schutzgebiet war sehr hoch; allein das Niedrigwasser im Schutzgebiet lief ca. einen halben Meter über dem sonst mittleren Hochwasser auf! Nicht sicher waren die Gänse allerdings vor dem Behördenmitarbeiter W., der am frühen Morgen des 06. Dezembers 2013 mit seinem Fahrzeug die Deichzufahrten und Teile des für die Öffentlichkeit aus Naturschutzgründen gesperrten Betonwegs (Teekabfuhrweg) befuhr. Das Fahrzeug mit den Scheinwerfern, die die Ruheplätze der Gänse ausleuchteten, veranlasste die Vögel zur panikartigen Flucht Richtung „kochender“ Ems. Gefährlich wird dieser Panikabflug bei starkem Wind durch die Stacheldrahtzäune, die beim Anflug fürcherliche Verletzungen verursachen können. Unser wetterfester Mitarbeiter Eilert Voß, der seit November wieder jeden Tag auf Beobachtungsposten der „Gänsewacht“ am Naturschutzgebiet steht, um ggf. Jagdverstöße zu dokumentieren, hielt den behördlichen Gänsevertreiber W. aus großer Distanz mit seiner Kamera fest und sprach ihn anschließend an.

Gänseflucht vor Behördenmitarbeiter W.

 Ein Unrechtsbewusstsein war bei ihm allerdings, so Voß, „nicht feststellbar“. W. ist Träger des Ehrenabzeichens „Goldenes Rebhuhn“ der Jägerschaft Emden. Ob W. nun ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen sich selbst einleiten wird, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.

Noch ungestörte Nonnengänse im NSG "Petkumer Deichvorland"

Auszug aus dem Protokoll der Gänsewacht (Text Eilert Voß, Widdelswehr):

Fr. 6.11.2013 Petkum- Siel

Wetterdaten: +1,0 Grad C, heiter-wolkig, zeitweise Schneeböen; Wind: NNW 8 (10)

Wasserstand am Siel: 684 cm (8:44 Uhr); SoA: 8:27 Uhr; HW: 2:14 Uhr

07:04 Uhr: Nach Kontrolle der Deichzufahrt am Schafstall 1. Belegfoto des Wasserstandes der Ems 1 ¾ Stunden vor dem offiziellen Niedrigwasserstand um 8:27 Uhr. Weite Teile des Naturschutzgebietes stehen nach dem Nachthochwasser um 2:14 Uhr immer noch unter Wasser. Der Sturm „Xaver“ drückte heute Nacht sehr viel Wasser in die Ems und verhindert den Rückfluss in die Nordsee.

07:33 Uhr: Wasserstand am Fähranleger leicht gefallen, doch übersteigt der Pegelstand das „normale Hochwasser“ immer noch um etwa einen halben Meter. Mehrere PKw`s und ein Lieferwagen der Moormerländer Deichacht fahren an der Fährstraße nacheinander und mit eingeschaltetem Abblendlicht über die Deichkuppe. Deutlich signalisieren Nonnengänse ihre Beunruhigung, verlassen die windgeschützten Bereiche des Sommerpolders jedoch nicht.

07:41 Uhr: Belegfoto von Muhde und Siel. Wegen dem Sturm keine Flugbewegungen aus Richtung Dollart. Alle einsehbaren Rastflächen des Dollart sind überflutet. Starker Wellenschlag auf der Ems.

Landunter bei Niedrigwasser (!) im Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland" am Ems-Stauwerk

08:12 Uhr: In Windberuhigten Bereichen des westlichen und östlichen NSG-Teils rasten 19.500 Nonnengänse in unmittelbarer Nähe des Teekwegzaunes. (Belegfoto)

08:15 Uhr: Roter VW-Caddy vom Emder Umweltamt überquert am Deichübergang „Kirchweg“ mit eingeschaltetem Fahrlicht den Emsdeich, fährt die Deichrampe an der Aussenberme hinunter. Fahrer wendet seinen Dienstwagen um 8:17 Uhr auf dem Teekabfuhrweg. (Für die Öffentlichkeit gesperrt). Eine Panikflucht von 12.000 Nonnengänsen ist die Folge. Da Gänse gegen den Wind starten, ist die Flucht aus der Nähe des Stacheldrahtzaunes mit einem hohen Verletzungsrisiko verbunden. Ob bei der beobachteten Massenflucht Nonnengänse zu Schaden gekommen sind, bleibt ungeklärt.

08:27 Uhr: Roter VW-Caddy des Emder Umweltamtes überquert in Höhe des Sommerpolders, Sportplatzweg, den Emsdeich. Der Fahrer lenkt das Auto auch hier direkt auf den Teekabfuhrweg. Eine Massenflucht von 7.500 Nonnengänsen ist die Folge. Zur Zeit der Gänsevertreibung herrschen extreme Windverhältnisse am Emsdeich, mit Schnee- und Hagelböen aus Nordwest. Die Nonnengänse starten auch hier gefährlich nah an einem Stacheldrahtzaun, fliegen in weitem Bogen über geflutete Salzwiesen zur Ems und entschwinden dem Blick in einen verfinsterten Himmel. (Belegfoto)

08:32 Uhr: Roter VW-Caddy überquert den öffentlichen Deichweg am Fähranleger und hält kurz auf dem Fährparkplatz. Hier wird der Fahrer auf sein Fehlverhalten angesprochen und ihm mitgeteilt, dass die bewusst in Kauf genommene Störung rastender Gänse von 4 Personen vom Petkumer Siel aus beobachtet wurde. Mehr als kläglich die Rechtfertigungsversuche des Amtsträgers. Nach eigener Darstellung sei er selbst beauftragt, die Auswirkungen des Nachthochwassers in Augenschein zu nehmen. Merkwürdig nur, dass sich genau um 7:33 Uhr ein Fahrzeug der Deichacht am Fähranleger befand und das Umfeld des Petkumer Siels bereits „inspiziert“ wurde. Etwa um die gleiche Zeit befand sich ein Lieferwagen des BEE-Emden am Fähranleger. Von diesen städtischen Mitarbeitern wurden angeschwemmte Holzteile, Teek und schwimmfähiger Müll von der Fährzufahrt entfernt. Bezeichnend ist, dass diese Mitarbeiter niemals mit Abblendlicht über die Deichkuppe fahren und wegen der möglichen Beunruhigung von Gänsen im Sommerpolder IMMER das Standlicht einschalten. All diese Störeinflüsse sind einem Amtsträger des Umweltamtes anscheinend fremd? Offensichtlich ist, dass die Dienstreise ins Schutzgebiet von Petkum wohl eher mit„Sturmflut-Tourismus“ zu umschreiben ist. Für die Inspektion von Zäunen und Toren wäre es nicht zwingend gewesen, mit dem Auto und eingeschaltetem Licht ins NSG zu fahren. Ein störungsfreier Fußmarsch auf die Deichkuppe und von hier ein vorsichtiger Blick mit dem Fernglas in die wenigen nicht überfluteten Rastflächen in Deichnähe hätte genügt. Immerhin wäre so aufgefallen, dass 19.500 Nonnengänse in Deichnähe rasten und auf das Ende des Sturms „Xaver“ warten. Mit Befremden nimmt die Gänsewacht zur Kenntnis, dass absolut kein Unrechtsbewusstsein beim Verursacher der gravierenden Störung sichtbar war.

13:45 Uhr: Jarßum, Emsdeich am Reusenweg: Teekabfuhrweg ca. 30 cm überflutet. Obwohl um 14:49 Uhr mit dem Hochwasserstand zu rechnen ist, sinkt der Pegelstand mit Abschwächung des Nordwest-Windes. Zwei Teekstreifen der letzten Hochwasserstände an der Deichberme. (Foto).

14:30 Uhr: Petkum- Siel, im Wartehäuschen der Fähre steht das Wasser 1 Dezimeter hoch. Mehrere Passanten am Fähranleger. Auf dem Emsdeich zwischen Fährstraße und Schafstall 550 Pfeifenten, 40 Stockenten, 150 Sturmmöwen und 40 Graugänse.

15:02 Uhr: Gandersumer Stauwehr ist geschlossen.

15:07 Uhr: Schwere Hagelböe aus Nordwest.

Gänsewacht von 6:50- 8:40 Uhr und 13:45- 15:15 Uhr

Alle Fotos Eilert V0ß (C)

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