Kitesurfer: Demo gegen Schließung eines Kitespots in Cuxhaven – Shitstorm bei Facebook

Verbotswidriges Kiten in der strengsten Schutzzone des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer im Dollart, "Weltnaturerbe"

Aus gegebenem Anlass: Die auf den Wattenrat-Seiten verwendeten Fotos unterliegen dem Copyright, die Verwendung der Fotos bei Facebook oder in Foren ist nicht zulässig! Bitte die Updates am Ende des Beitrages beachten.

Kitesurfer: Demo gegen Schließung eines Kitespots in Cuxhaven – Shitstorm bei Facebook

Den Outdoor-Freitzeitbewegten, seien es Geocacher oder Kitesurfer, ist kein Gebiet zu schade, um darin herumzutoben. Ihnen ist kaum zu vermitteln, dass ihre Sportart auch erhebliche Beeinträchtigungen, sprich Vertreibung von geschützten Tierarten, zur Folge haben kann. Wenn diese Sportarten in ausgewiesenen Naturschutzgebieten durchgeführt werden, kommt es noch schlimmer und ist dazu auch noch rechtswidrig. Bemerkenswerterweise fühlen sich viele Outdoor-Sportler schon deshalb als Naturschützer, weil sie ihren Sport in der Natur ausüben.

Der Fluch der bösen Tat ereilte die Verwaltung des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer am 01. Mai 2014, als mehrere hundert Kitesurfer gegen die Schließung eines von zwei Kitespots – an der Kugelbake- in Cuxhaven demonstrierten, der im Rahmen der Genehmigungsverlängerungen bis 2018 nicht mehr zugelassen wurde. Am 17. April war Schluss mit lustig an der Kugelbake. Die Wasserschutzpolizei setzte  das dortige Kiteverbot durch. Ob die Schließung tatsächlich aus Naturschutzgründen, aus Gründen der Schiffssicherheit am vielbefahrenen Schifffahrtsweg oder aus optischen Gründen für die vielen Besucher des Wahrzeichens Kugelbake erfolgte, ist nicht bekannt. Insgesamt durfte seit einigen Jahren von Cuxhaven bis Emden an 17 Stellen der Zwischenzone des Nationalparks und an drei Stellen der Erholungszone -dort gibt es keinen Genehmigungsvorbehalt- der Kitesport ausgeübt werden, einer wurde nun gestrichen, die Gesamtfläche für den Kitesport im Nationalpark wurde reduziert. Alle Genehmigungen wurden unmittelbar nach der Ausweisung des Watttenmeeres als Unesco-Weltnaturerbe von der Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven erteilt.

Die Genehmigungsgrundlage aller Kitespots in den Zwischenzonen des  Nationalparks ist, obwohl die Verwendung von Drachen in den Ruhe- und Zwischenzonen laut Nationalparkgesetz verboten ist, die „Befreiung“ nach § 67 des Bundesnaturschutzgesetzes.  § 67 des Bundesnaturschutzgesetzes sagt aber eindeutig, dass eine Befreiung nur aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses zulässig ist, wenn diese zu unzumutbaren Belastungen führt und sie mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.

Diese Gründe treffen für die Freizeitgruppe der Kitesurfer in einem Großschutzgebiet wie einem Nationalpark eindeutig nicht zu, da es ausreichend Kitesurfflächen auch außerhalb des Schutzgebietes gibt. Das „überwiegende öffentliche Interesse“ in einem Nationalpark ist der Naturschutz, nicht das Kitesurfen.  Allein die „Befreiung“ der Nationalparkverwaltung von den Vorschriften des Nationalparkgesetzes für alle Kitespots ist schon rechtswidrig. Für jede Fläche hätte vor der Genehmigung eine Verträglichkeitsprüfung nach § 34 des Bundesnaturschutzgesetzes erforderlich gemacht, stattdessen schob die Nationalparkverwaltung später, nach den öffentlichen Kritiken vor allem des Wattenrates, „passende“ und naturschutzfachlich-methodisch angreifbare Gutachten für vier genehmigte Kitesurfgebiete nach; das übliche Vorgehen: Was nicht passt, wird passend gemacht!  Jeder versierte Vogelbeobachter sieht aber, dass Vögel des Wattenmeeres, ausgenommen die robusten Silber- und Heringsmöwen, Kitesurfflächen meiden und bei der Annäherung eines Zugsegels, je nach Vogelart, auch schon weiträumig die Flucht ergreifen. Besonders flatternde Segel oder das plötzliche Hochziehen veranlasst viele Arten zur panikartigen Flucht. Ein Mitarbeiter des Wattenrates hatte  in einer langen Beobachtungsreihe mit der Kamera bei Upleward/LK Aurich die häufigen Störungen von Wat- und Schwimmvögeln durch die Kiter dokumentiert.

Die Nationalparkverwaltung erfüllte mit den Genehmigungen der Flächen die Forderungen der Tourismusindustrie, die damit neue Zielgruppen erschließen will, aber gleichzeitig die „Einzigartigkeit des Weltnaturerbes“ bewirbt, für noch mehr Tourismus.

Kitesurfer räumen Rastvögel von einem Hochwasserfluchtplatz im Nationalpark ab: Campen/Upleward, LK Aurich

Den Kitern sind diese gesetzlichen Feinheiten kaum zu vermitteln; dass sie streng geschützte Vogelarten mit ihren großen beweglichen Zugsegeln weiträumig von ihren Rastplätzen vertreiben oder Seehunde beunruhigen, ist ihnen nicht bewusst oder gar egal. Die verschiedenen Vogelarten des Wattenmeeres sind ihnen offensichtlich auch weitgehend unbekannt. Böse Zungen meinen gar, Kiter hätten nicht nur unter den Füßen ein Brett. Dafür machen die Kiter umsomehr TamTam für ihre Sportart in einem Schutzgebiet, sogar in offensichtlich (a-)sozialen Netzwerken, bar jeder Kenntnis der Naturschutzgesetze und des Artenschutzrechts.

In völliger Unkenntnis der Rechtslage trugen die in Cuxhaven demonstrierenden Kiter T-Shirts mit dem Aufdruck „Kitesurfing ist not a crime“. Doch, das kann nach dem Bundesnaturschutzgesetz sehr wohl eine Straftat sein, wenn gewerbliche Kiteschulen geschützte Tierarten vertreiben, ein Blick ins Gesetz wäre da sehr hilfreich (§ 69 in Verbundung mit §71 BNatSchG). Wenn die Cuxhavener Kiter ohne Rechtsverstöße an der Kugelbake surfen wollen, müssten sie sich Mehrheiten beschaffen und sich darum bemühen, diese Surffläche behördlich aus dem Geltungsbereich des Nationalparks herauslösen zu lassen, mit der Konsequenz, dass dafür andere Kite-Flächen gesperrt werden könnten. Dieses Verfahren würde nicht einfach sein und den Status „Weltnaturerbe“ weiter in Frage stellen…

Wo bleibt eigentlich der öffentliche Gegenprotest der mittlerweile 15 „anerkannten“ Naturschutzverbände in Niedersachsen, von BUND, NABU, NVN, BSH und wie sie sonst noch alle heißen? Die klagebefugten Verbände hätten längst Rechtsmittel gegen alle Kitespots in den Zwischenzonen des Nationalparks Wattenmeer einlegen müssen. Und warum gelingt es der berichtenden Presse nicht, einfache naturschutzrechtliche Sachverhalte zu vermitteln, die für alle verbindlich sind und die sich auch nicht durch lautstarke Proteste und Massenauftriebe aus der Welt schaffen lassen?

Eine qualifizierte Aufsicht über die Einhaltung der Regeln in den zugelassenen Kitespots findet nicht statt. Kiter kontrollieren sich nach Absprache mit den Kurverwaltungen selber! Im gesamten Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer kontrollieren sechs (!) hauptamtliche Dünenwärter auf 3.500 qkm Fläche die Einhaltung der Schutzvorschriten, ohne Fahrzeuge, ohne Boote und ohne Kompetenzen, in einem „Weltnaturerbe“ und EU-Vogelschutzgebiet.

Link: Karte Kitesurfstandorte Nationalpark Nds Wattenmeer_April 2014

Update 06. Mai 2014: Bei Facebook  (für registrierte Besucher, „Freies Kiten an der Kugelbake“) kann sich jeder selbst einen Eindruck über die „Qualität“ der Aussagen einiger Kiter zum Naturschutz im Wattenmeer machen, aber auch ein Shitstorm (frei übersetzt Fäkal-Aufruhr) setzt Naturschutz- und Urheberrecht nicht außer Kraft. Eine Diskussion auf diesem Niveau erübrigt sich. Kinder, denen man das Spielzeug wegnimmt, reagieren ähnlich vehement. Facebook entpuppt sich wieder einmal nicht nur als soziales, sondern auch als asoziales Netzwerk, Mobbing pur, ein Spiegelbild unserer diskursunfähigen, die Fakten negierenden ichbezogenen Spaßgesellschaft. Hedonisten nennt man diese Spezies: Ein Kiter bei Facebook nimmt sogar „die freie Entfaltung der Persönlichkeit“ laut Art. 2 GG für sich in Anspruch und meint in seiner Einfalt vermutlich, damit EU- und nationales Naturschutzrecht aushebeln zu können. Andere wollen gegen die Schließung des Kitespots Cuxhaven „klagen“, was ausdrücklich vom Wattenrat begrüßt wird! Ein anderer User warnt vor der Verlinkung zu Wattenrat-Beiträgen Zitat: „Je mehr Berichte geteilt werden, destso mehr Aufmerksamkeit“. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Wattenrat-Seiten zwar von einigen Facebook-Kitern gelesen, aber inhaltlich nicht verstanden werden, wobei die bedenkliche Nähe zum funktionalen Analphabetismus erreicht wäre. Auch ohne Kitesurfer kann sich der Wattenrat nicht über zu niedrige Zugriffszahlen auf der WebSeite beklagen. So deutlich und selbstbezogen wie die Kitesurfer hat sich bisher kaum eine andere gut organisierte Freizeit-Nutzergruppe gegen Naturschutzvorgaben artikuliert, ausgenommen vielleicht die Freizeitjäger, die sogar „anerkannter“ Naturschutzverband sind. Zudem wurden zwei Fotos des Wattenrates bei Facebook von Kitesurfern widerrechlich verwendet. Bereits 2009 wurde der Betreiber einer Surfschule in Upleward/LK Aurich am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer vom Wattenrat kostenpflichtig abgemahnt. Er hatte ein Bild des Wattenrates auf seiner WebSeite verwendet und behauptet, das Bild sei gefälscht. Am 04. November 2009 unterzeichnete er eine anwaltliche Unterlassungserklärung und verpflichtete sich, nicht mehr zu behaupten, der Wattenrat habe ein „gefaktes“ Foto verwendet. – Die aktuellen widerrechtlich geposteten Bilder wurde von der Facebook-Seite nach der sehr deutlichen Wattenrat-Aufforderung inzwischen entfernt.

Nach vorliegenden Informationen kämpft einer der Initiatoren der Kugelbake-Proteste namens Jogi, der ganz „uneigennützig“ an der Spitze der Bewegung steht, um seine Kitesurfschule zu retten. Diese betrieb er seit 2001 ohne Rechtsgrundlage. Von Juni 2010 bis Oktober 2013  betrieb er die Kiteschule durch die „Befreiung“ der Nationalparkverwaltung auf geltender, wenn auch fragwürdigen Rechtsgrundlage, dann wieder bis Ostern 2014  ohne – und nun protestiert er an vorderster Front und pöbelt bei Facebook! Es ist außerordentlich unterhaltsam, die Ausführungen der aufgebrachten Kitebewegten auf Facebook mitzuverfolgen.

Update 07. Mai 2014:  Nun laufen die der Cuxhavener Kiter auf Facebook zur Hochform auf, hier eine Auswahl:

Der erwähnte Kiteschulenbetreiber Jogi schreibt:

Jogi Hinrichs: Hallo Mitglieder ;Freunde, Surffreunde und alle Die uns unterstützen………….ich brauche eure Unterstützung ..JETZT !!! Der Wattenrat Herr Knake braucht dringend Post …..post@wattenrat.de…..ich glaube er hat einfach noch nicht alle Berichte gelesen ….BITTE schickt sie ihm !!!!!!

Man will sogar den Wattenrat- Server lahmlegen:

Karlheinz Würl: Ab ca. 2000 kriegt der Watnserver ne Krise… also los..
Michael Pabst: Am besten noch alle zum selbem Zeitpunkt los schicken

Kitesurfer als Strukturwandler: Leserbrief in der Nordseezeitung Bremerhaven, 07. Mai 2014, der das Selbstverständnis dieser Sportsleute auf den Punkt bringt:

[…] KitesurferIinnen verändern die Landschaft nicht. Sie hinterlassen nichts außer spektakulären Eindrücken. Sie emittieren nichts und sie vertreiben in ihren Kitezonen und Kitezeiten weder Mensch noch Tier. Wie wir den Ausbau der Windenergie für den strukturellen Wandel der Region nutzen können, könnten wir auch vom Ausbau der Kitezonen und -zeiten profitieren.Bernd Sieberns, Geestemünde

Berichterstattung Cuxhavener Nachrichten, 07. Mai 2014- .pdf: Kitesurfen

Update 09. Mai 2014: Heute erreichte das Wattenrat-Büro diese Mail:

[…] Dieselben Argumente benutzen die Lenkdrachenfreaks, Drachenflieger, Strandbuggy-Heinis, Segler,Surfer, Jogger usw. Wir habens mit einer riesigen Lobby ignoranter Freiluftsportler zu tun und täglich wird die Gruppe dieser Typen größer. Hier noch Überzeugungsarbeit zu leisten ist beim Abtauchen der Umweltverbände und staatl. Umweltverwaltungen sinnlos.  Ein paar Jahre noch, dann ist das Kapital dieser Gegend, die wandernden  Vogelarten, verfrühstückt. Die werden das nicht einmal bemerken. Traurig. […]

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Radio Bremen, online, 01. Mai 2014

Streit in Cuxhaven

1.000 Kitesurfer kämpfen für ihr Revier

Fast 1.000 Kitesurfer haben in Cuxhaven am Maifeiertag dafür demonstriert, damit sie ihren Sport weiterhin an der Kugelbake ausüben dürfen. „Bei Ostwind kann man in der gesamten Region nur dort kiten“, sagte der Vorsitzende des Vereins „Cuxkiters“, Sebastian Schlagmann. Hintergrund: Die Nationalparkverwaltung hat zuletzt Flächen für das Kitesurfen zusammengestrichen, um die Natur besser zu schützen.[…]

16. April 2014
Nationalparkverwaltung- Presseinformation

Klare Grenzen für Kitesurfer
Zugelassene Flächen wurden neu festgesetzt

(Wilhelmshaven). Das Wattenmeer ist durch die Wattenmeer-Nationalparke streng geschützt. Dieser Schutz war auch Voraussetzung für die hohe Auszeichnung als Weltnaturerbe durch die UNESCO. Kitesurfer haben hingegen in den letzten Jahren das niedersächsische Wattenmeer für sich entdeckt.
In vielen Bereichen waren Kitesurfer rechtswidrig unterwegs, denn in der Ruhe- und Zwischenzone des Nationalparks ist der Drachensport in jeglicher Form, dementsprechend auch das Kitensurfen, grundsätzlich verboten. Robben sowie Brut- und Rastvögel können durch die für sie bedrohlich wirkenden Drachen erheblich gestört werden. Durch Störungen verlieren Zugvögel dringend benötigte Fettreserven oder Brutvögel verlassen ihre Nester, so dass Gelege auskühlen und Jungvögel zeitweise ungeschützt verbleiben. So hat der Schutz der Natur im Nationalpark auch Vorrang. Trotzdem müssen laut Nationalparkgesetz regionale Belange, wie z. B. die touristische Entwicklung, berücksichtigt werden. Um dem gerecht zu werden und gleichzeitig den Sport so zu kanalisieren, dass die Natur des Nationalparks nicht beeinträchtigt wird, wurden in den vergangenen Jahren auf Antrag einiger Gemeinden in der Zwischenzone des Nationalparks Flächen für den Kitesport festgelegt. Die Befreiungen waren bis Ende letzten Jahres befristet. Damit wurde ein klarer Schnitt gemacht: Alle Gemeinden erhielten nun zeitgleich Gelegenheit, bis zum Herbst 2013, die Zulassung von Kitesurfflächen neu zu beantragen. So war es möglich, die Anträge gesamträumlich zu bewerten. 14 Küsten- und Inselgemeinden machten von der Möglichkeit Gebrauch. Beantragt wurden 17 Kitesurfzonen mit einer Gesamtfläche von rund 2.500 Hektar. Genehmigt wurden 14 Zonen mit einer Fläche von 1.318 Hektar. Rechtlich gesehen handelt es sich um eine Befreiung von den Verboten des Nationalpark-Gesetzes. Die Kitesurfflächen sind räumlich so zugeschnitten, dass ausreichend Abstand zu Brut- und Rastgebieten im Nationalpark verbleibt.

„Die zugelassenen Flächen für Kiter vor allem an der Küste mussten deshalb zum Schutz von Hochwasserrastplätzen, Zugvogelrouten und Robbenliegeplätzen außerhalb der Ruhezonen deutlich kleiner ausfallen als ursprünglich beantragt,“ erläutert Bernd Oltmanns, in der Nationalparkverwaltung für die Fachkonzeption zum Kitesurfen zuständig. Insgesamt wurde die für den Kitesurfsport zugelassene Fläche durch die neue Festsetzung um rund 1.200 ha reduziert. Außerhalb dieser Flächen wird das Kitesurfen wie bisher nicht geduldet.

 

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