Nicht mehr unter Verschluss: Fachkonvention “Abstandsregelungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten” liegt als .pdf vor

Windpark Utgast, Holtgast/LK Wittmund/NDS: vom WKA-Rotor zerteilte Silbermöwe

Um es vorweg zu sagen: Die bisher unveröffentlichte und unzensierte Fachkonvention „Abstandsregelung für Windenergieanlagen“ (das sog. „Helgoländer Papier“) der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten ist beim Wattenrat als .pdf abrufbar (ganz unten).

Am 09. September berichtete der Wattenrat in seinem Beitrag Windenergie und Vogelschutz: staatliche Vogelschutzwarten als Marionetten der Windenergie-Lobby über die gescheitere Veröffentlichung der bereits vor zwei Jahren von der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW) erarbeiteten Fachbeitrages “Abstandsregelungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten”. Die Länderumweltminister haben die Veröffentlichung mit großer Mehrheit und ohne Gegenstimmen faktisch untersagt. Die Leiter der deutschen Vogelschutzwarten sind in Mainz am Rande des 32. Deutschen Naturschutztages verpflichtet worden, das vorbereitete Papier vor der Veröffentlichung mit dem Bundesverband Windenergie (BWE) abzustimmen. Erst wenn sich beide Seiten über die Aussagen des Papiers geeinigt hätten, könne an eine Veröffentlichung gedacht werden. Diese Einflussnahme eines Wirtschaftsverbandes auf Fachempfehlungen ist ein Skandal. Der BWE ist offensichtlich bemüht, alle genehmigungshemmenden Fachveröffentlichungen durch seine besten Verbindungen in die Ministerialbürokratie zu beeinflussen oder ggf. auch zu verhindern. Zu bestimmten Gebieten fordert die Konvention nämlich Abstände von der „10-fachen Anlagenhöhe oder mindestens 1200m“, das schränkt die Stellflächen für Windkraftanlagen erheblich ein. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Fachkonvention schon mehrfach im Sinne der Windenergiewirtschaft bearbeitet wurde (siehe alte Entwurfsfassung von 2007, z.B. waren damals die Abstände für den Rotmilan und den Kranich noch deutlich größer!) und die neue Anlagengeneration ca. 200m hoch ist, also noch weiter in die Fläche hineinwirkt.  Das geforderte Freihalten von Flugkorridoren ist an der Küste schon längst Geschichte, hier wurden seit zwei Jahrzehnten die küstenparallelen Zugrouten und Rastvogellebensräume mit großen Windparks überbaut.

Es geht nur ums Geld, um den enormen Profit aus der Bereitstellung von Flächen, die Projektierung und den Betrieb von Windenergieanlagen. Und da stören nicht nur aufmüpfige Anwohner, denen man als zur Not ihr Häuschen abkaufen kann, sondern auch bestimmte streng geschützte Vogelarten, die entweder durch die Rotoren vertrieben werden oder an ihnen umkommen.

Die Ministerialbürokratie hat in den letzten Monaten erheblichen Druck auf die Staatlichen Vogelschutzwarten der Länder ausgeübt und die Veröffentlichung der „Fachkonvention Abstandsempfehlung für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten“ bisher verhindert. Besonders hervorgetan hat sich der NRW-Umweltminister Johannes Remmel (B90/Die Grünen). Remmel ist abgebrochener Lehramtsstudent, hat aber den grünen Parteimarsch durch die Institutionen zur Rettung der Welt mittels Windkraftanlagen erfolgreich bis ins Ministeramt geschafft, eine für grüne Parteifunktionäre oder Mandatsträger nicht untypische Karriere.

Nach dem Wattenrat-Beitrag zu dem Skandal der Einflussnahme des BWE auf Veröffentlichung der Fachkonvention fand sich das komplette Papier anonym verschickt im hiesigen Briefkasten. Wir bedanken uns bei dem unbekannten Absender. Da wir davon ausgehen, dass auch der BWE über das Papier verfügt und nach dem Umweltinformationsgesetz einer Veröffentlichung eigentlich nichts im Wege stehen kann, veröffentlicht der Wattenrat die Fachkonvention als .pdf-Datei.

Hier können Sie den aktuellen Entwurf der Fachkonvention vom 13. Mai 2014 abrufen, noch unzensiert von den Landesumweltministerien und vom BWE! LAG_VSW_13 Mai 2014_Entwurf

Es bleibt zu hoffen, dass nun von den „anerkannten“ Naturschutzverbänden und dem Deutschen Naturschutzring der Gegenwind gegen diesen ausgemachten Skandal entfacht wird, die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt….Dieser Beitrag wurde übrigens auch an die Medien weitergeleitet, blieb aber bisher unbeachtet. Kann denn Windkraft Sünde sein?

edit 18. September 2014:

Am 16. September 2014 erhielt der Wattenrat eine Email von Peter Herkenrath. Herkenrath ist Mitglied der Geschäftsführung der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten und Leiter der Vogelschutzwarte im Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen. Herkenrath forderte den Wattenrat auf, die .pdf-Datei “Abstandsregelungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten” von der Wattenrat-Seite zu entfernen. Die Begründung: Es läge keine Zustimmung der LAG VSW, also der Autoren, vor. Zudem sei die veröffentlichte Versionen „veraltet“ und die „Ausführungen des Wattenrates in verschiedener Hinsicht inkorrekt“ und entsprächen „nicht den Tatsachen.“

Fakt ist aber, dass die Veröffentlichung kein namentlich gekennzeichnetes Autorenpapier ist! Herr Herkenrath bekam am 17. September 2014 diese Antwort:

Moin Herr Herkenrath,

erlauben Sie mir, das ich ebenfalls erstaunt bin.

Ich gehe davon aus, dass der von mir veröffentlichte Entwurf zu Abstandsempfehlungen von Windenergieanlagen auf der Wattenrat-Seite http://tinyurl.com/LAG-VSW-2014 von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der staatlichen Vogelschutzwarten im Lande erarbeitet wurde. Das sind keine irgendwie gearteten Privatinstitutionen, sondern dahinter stehen vom Steuerzahler finanzierte Behörden. Es ist bekannt, dass der Bundesverband Windenergie (BWE) auch im Besitz dieses Entwurfes ist, also eine rein privatwirtschaftlich orientierte Lobbyorganisation, die lieber ohne den störenden Entwurf der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW) Politik für noch mehr Windkraftanlagen im Lande zu machen versucht. Und es hat den Anschein, dass diese Absicht auch erfolgreich ist.

Die Landesarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten sollte also eigentlich ein Interesse daran haben, dass diese politisch-wirtschaftlichen Machenschaften zum Vorteil der Windenergiewirtschaft und zum Nachteil des Vogelschutzes publik gemacht werden, zumal der ältere Entwurf der LAG VSW von 2007 ebenfalls im Netz abrufbar ist: http://www.vogelschutzwarten.de/downloads/bzv_abstand.pdf

Da auch dieser Entwurf von 2007 veraltet ist, spricht doch nichts dagegen, dass auch der nach Ihren Worten veraltete und von mir veröffentlichte Entwurf vom 13. Mai 2014 ebenfalls öffentlich einsehbar ist, auch wenn darin Abstandsempfehlungen zum Nachteil einiger Arten gegenüber 2007 verkleinert wurden. Wo also liegt das Problem und wo ist das Geheimnis?

Es ist doch völlig inakzeptabel, das beste verfügbare Wissen aus dem LAG-VSW-Papier den Naturschutzbehörden im Lande vorzuenthalten. Noch nicht einmal Sie sind bereit, dem abzuhelfen und dies für alle Beteiligten transparent zu gestalten. Das halte ich für eine gravierende „Wettbewerbsverzerrung“ zum Vorteil der Wind-Lobby und für ein enormes Strategiedefizit im Sinne des Artenschutzes!

Dem Internet entnehme ich, dass Sie auch als NABU-Artenschutzexperte firmieren, also auch für den außerbehördlichen Naturschutz tätig sind. Auch in dieser Position sollt es Ihnen eigentlich ein Anliegen sein, dass diese skandalösen politischen Einflussnahmen der Windenergiewirtschaft auf bundesweite fachliche Entscheidungen zum Nachteil des Vogelschutzes publik werden.

Sie schreiben: „Die Ausführungen auf der Webseite des Wattenrates zum Hintergrund des Papiers und zum diesbezüglichen Beschluss der LANA sind in verschiedener Hinsicht inkorrekt und entsprechen nicht den Tatsachen.“ Klären Sie mich doch bitte auf, welche Passagen des
Wattenrat-Beitrages „inkorrekt“ sind, damit ich diese korrigieren kann.

In welcher Bananenrepublik leben wird eigentlich, dass sich sogar Fachleute wie Sie vor dieser aggressiven Windenergie- Lobby verbiegen müssen? Wenn das der aktuelle Standard des behördlichen Vogelschutzes sein sollte, sehe ich schwarz für die zukünftige Glaubwürdigkeit des
behördlichen Naturschutzes.

Ich werde Ihr Schreiben in den Wattenrat-Verteiler geben und eine entsprechende Notiz auf www.wattenrat.de veröffentlichen.

Mit freundlichem Gruß

Manfred Knake

 

 

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