Trinkwasser: Zeitbombe Gülle

Umpupen von Gülle aus einem Sattelschlepper in ein Schleppschlauch-Gespann, Esens/Ostfriesland, April 2015, Foto (C): Manfred Knake

Umpumpen von Gülle aus einem Sattelschlepper in ein Schleppschlauch-Gespann, Esens/Ostfriesland, April 2015, Foto (C): Manfred Knake

Neben der zunehmenden Massentierhaltung führt auch der Mais- und Biogasboom zu einer starken Düngung der Maisäcker mit Gülle und Gärresten. Was die Pflanzen nicht aufnehmen können, verbleibt im Boden, wird in Gewässer ausgewaschen oder sickert – gesundheitsgefährdend – ins Grundwasser.
Der Oldenburgisch Ostfriesische Wasserverband (OOWV), der Wasserversorger im Nordwesten Niedersachsens, macht seit Jahren auf das Problem aufmerksam, und sich damit keine Freunde bei den Landwirtschaftsfunktionären, die stets verärgert über die Kritik an der Gülleschwemme, die sich auch schon zur Abfallentsorgung ausweitet, reagieren. Die Bauern bekommen sogar Bares von den Trinkwasserversorgungsunternehmen für die Umsetzung von Grundwasserschutzmaßnahmen, also Geld dafür, dass sie das Grundwasser nicht verderben, eine Umkehrung des Verursacherprinzips! Der Grenzwert liegt bei 50 Milligramm Nitrat pro Liter; diese Grenzwerte werden – noch – vielerorts eingehalten, es ist aber abzusehen, dass sich sich erhöhen werden. Es dauert Jahre, bist die überschüssige Nährstofffracht in den Grundwasserhorizont einsickert.

Außerdem sind bereits, auch wenn das Nitrat selbst noch nicht bis im Grundwasser angekommen ist, in den tiefen Förderbrunnen seit Jahren steigende Sulfat-Werte messbar. Das Sulfat wird frei, wenn das Nitrat im Boden in Stickstoff und Sauerstoff umgewandelt wird. Im Landkreis Vechta wurde das bereits 1987 festgestellt. Der OOWV musste dort sieben Brunnen in 30 bis 80 Meter Tiefe schließen und 60 bis 120 Meter tiefe Ersatzbrunnen bohren. Jetzt erst, nach mehr als 25 Jahren, sind die alten Brunnen nach umfangreichem Sanierungsmaßnahmen wieder nutzbar. Strenge EU-Auflagen werden erst langsam in Deutschland umgesetzt, vor allem sollen nun auch die Gärreste aus Biogasanlagen mit in die Düngebilanz mit eingerechnet werden. Die Verschärfung der Auflagen wird von den Bauernverbänden überwiegend abgelehnt.

Feldrandcontainter (FRC) als Zwischenlager für Gülle, Bensersiel/Ostfriesland, im EU-Vogelschutzgebiet, Foto (C): Manfred Knake

Feldrandcontainer (FRC) als Zwischenlager für Gülle, Bensersiel/Ostfriesland, im EU-Vogelschutzgebiet, April 2015, Foto (C): Manfred Knake

In den Niederlanden werden die Bauern und ihre Güllefracht wesentlich strenger kontrolliert als in Deutschland. Über GPS werden die Ausbringungsorte festgehalten, die ausgebrachten Mengen werden genau protokolliert und zentral erfasst. Es ist mehrfach bekannt geworden, dass überschüssige niederländische Gülle illegal nach Deutschland exportiert und hier zusätzlich ausgebracht wurde.

Nachsatz: Dass durch das häufige Befahren der Ländereien mit schwerem Gerät bodenbrütende Vögel keine Chance mehr haben, ist inzwischen zur Binsenwahrheit geworden; dass durch die neuen sehr schweren Fahrzeuge auch die Wirtschaftswege und Anliegerstraßen in kürzester Zeit zerfahren werden, spricht sich gerade erst herum…

taz Nord, 18. März 2015

Thomas Schumacher:
OLDENBURG taz | Südlich von Oldenburg, etwa auf der Kreisstraße nach Garrel, hängt ein süßlicher Geruch in der Luft. Er ist gemischt mit dem von herber Gülle. Man bräuchte einen Schnaps, um den galligen Geschmack von der Zunge zu kriegen. Der Schluck aus der Pulle macht vielleicht duselig, ein Schluck aus dem Wasserhahn aber könnte einen pökeln.
Denn durch das Übermaß an Gülle sind Seen und Flüsse seit Langem über die Grenzwerte hinaus mit Nitrat belastet und allmählich dringt der schädliche Stoff in den Untergrund ein. Das Trinkwasser spendende Grundwasser sei mehr und mehr gefährdet, warnt der regionale Trinkwasserversorger, der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband (OOWV) aus Brake. Der Verband versorgt eine Million Verbraucher mit Trinkwasser und ist der größte Flächenanbieter in Deutschland.
Aus dem südlichen Oldenburgischen kommt Fleisch, das mit „alles frisch“, „Mühlenfrische“ und „bauernecht“ beworben wird. Von hier her kommt jedes zweite Hähnchen auf deutsche und ausländische Tische. Jede dritte in Deutschland verarbeitete Sau bekommt hier ihren finalen Stromstoß. Von hier kommt auch das Geschmäckle im Trinkwasser.
Das südliche Oldenburg ist das Zentrum der deutschen Massentierhaltung und „Fleischveredelung“. Entsprechende Produktionszahlen werden gerne auf die Gesamtfläche Niedersachsens verteilt. Aber hier in der Nähe Oldenburgs konzentrieren sich Schweine-, Rinder- und Hühnermastbetriebe, Schlachtfabriken und Wursthersteller wie nirgendwo in Deutschland. Und hier geht es auch dem Wasser an den Kragen. Denn Massentierhaltung und „Veredelung“ verbrauchen viel Wasser und erzeugen viel Abwasser.
Bereits im vergangenen Jahr warnte eine Studie des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), Deutschland könne die Vorschriften der EU zur Verbesserung der Wassergüte in Flüssen und Seen niemals einhalten. Die Vergiftung der Gewässer durch direkte oder diffuse Einleitungen von Schadstoffen sei zu groß. Deutschland droht ein Verfahren wegen Verletzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie.
Um das Düngen der Äcker mit Gülle zu regeln, hat die Bundesregierung einen Entwurf zur Novellierung der Düngeverordnung vorgelegt. Dieser wird derzeit abschließend im Bundesrat beraten. Der OOWV, andere Wasserversorger und kommunale Verbände lehnen den Entwurf ab. „Wenn der Entwurf der Bundesregierung zur Düngeverordnung in den nächsten Tagen wirklich vom Bundesrat verabschiedet wird, dann bekommen die Landwirte eine Lizenz zur Wasserverseuchung“, sagt Egon Harms vom OOWV.
Der Wasserverband hat im Oldenburgischen Flächen für Wasserschutzgebiete aufgekauft und diese aufgeforstet. Mit dem Wasserpfennig, den jeder Wasserverbraucher in Niedersachsen bezahlen muss, werden Landwirte unterstützt, wenn sie ihre Äcker in der Nähe dieser Wasserschutzgebiete schonend bewirtschaften.
„Wir haben lange Zeit halbwegs gut mit den Landwirten zusammengearbeitet“, sagt Harms. Doch mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hätten sich die Verhältnisse seit 2004 gewandelt. Die Bauern haben Biogasanlagen errichtet, die sie mit Mais füttern. Zur der Gülle aus den Ställen kommen jetzt die Gärreste aus den Biogasanlagen – und das in einer Situation, in der ohnehin schon mehr Dünger anfällt als das Land verkraften kann. Der Überschuss an Nitrat versickert über die Jahre im Boden, bis er im Grundwasser anlangt, aus dem der Stoff nur mit viel Aufwand entfernt werden kann.
Und je mehr die Landwirte mästen, je intensiver sie die staatlich geförderten Biogasanlagen betreiben, desto mehr Flächen brauchen sie für den Anbau von Mais und zur Ausbringung der Gülle. Konsequenz: Die ohnehin knappen Flächen werden extrem teuer.
Um Cloppenburg herum sind die Preise für Pachtland von 50 Euro auf weit über 2.000 Euro pro Hektar jährlich gestiegen. „Da können wir nicht mehr mitbieten, um Wasserschutz einrichten zu können“, sagt Harms vom OOWV.

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