Langeoog: Aktuelles von der Naturschutzfront – Brutvogelvertreibungen und Eiersammler

Schutzdünen auf Langeoog, April 2015, Foto (C): Manfred Knake

Schutzdünen auf Langeoog, April 2015, Foto (C): Manfred Knake

Langeoog ist bekanntlich eine Ferieninsel im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und „UNESCO-Weltnaturerbe“, heftig gegen die touristische Konkurrenz beworben. Die Übernachtungszahlen liegen jährlich bei ca. 1,5 Millionen. Von April bis in den frühen Winter flutet täglich zusätzlich ein Heer von Tagestouristen die Insel, begleitet von Hunden und Lenkdrachen. Das ist Massentourismus. Umso bemerkenswerter und erfreulicher ist es, dass auch die weniger werbewirksamen Details zum tatsächlichen Zustand des Naturschutzes auf der Insel in der Online-Zeitung „Langeoog News“ bekannt wurden.

Birte Weinbecker, die auf Langeoog wohnt und als „freischaffende Diplom-Umweltwissenschaftlerin“ Führungen und Vorträge („Regenpfeifertouren„) auf der Insel anbietet, berichtet in der Online-Zeitung über massive Störungen in der diesjährigen Brutzeit: Säbelschnäbler, die über Jahre regelmäßig am Schloppsee (Betreten nicht gestattet!) vergeblich zu brüten versuchten und von dort regelmäßig vertrieben wurden, zogen schließlich in diesem Jahr an das Siel am Seedeich um. Aber auch hier gaben sie zwischen dem 05. und 07. Mai wegen Störungen (welche?) ihre Brutkolonie mit ca. 40 Paaren auf (sie sind nach Angaben von Langeoog inzwischen aber an eine andere Stelle umgezogen). 240 Sturmmöwen gaben nach freilaufenden Hunden „vorübergehend“ ihre Kolonie auf, zwei „entlaufene Hunde“ brachten Unruhe in die Zwergseeschwalbenkolonie und den letzten Sandregenpfeiferbrutplatz (1 Brutpaar!) am Strandbereich „Flinthörn“. Am 12. Mai wurden zwei Möweneierdiebe beobachtet, die auch durch die Brutgebiete der Kiebitze und Uferschnepfen liefen. Die sehr seltenen Schwarzkopfmöwen gaben daraufhin ihre Brut auf.

Und das sind nur die gemeldeten Störungen! Ein Bruchteil dieser massiven Störungen im Nationalpark Wattenmeer und „Weltnaturerbe“ wird überhaupt registriert oder gemeldet, und davon gelangen wiederum nur ein Bruchteil an die Öffentlichkeit. Und ein Bruchteil dieser Informationen stand in der Lokalzeitung „Anzeiger für Harlingerland“ (Wittmund) am 13. Juni 2015, die den Artikel aus den „Langeoog-News“ nur stark gekürzt übernahm.

Alte Fronten

Der vollständige Abdruck der Zeitungsmeldung für die Wattenrat-Seite wurden vom Redakteur der „Langeoog News“ und der Berichterstatterin Frau Weinbecker nicht gestattet. Die Begründung von Frau Weinbecker: „Ich bin aber recht sicher, dass es die erfreulich gute Zusammenarbeit auf Langeoog in Naturschutzsachen verschlechtern würde, wenn Sie das Thema auf eine Weise aufgreifen, die alte Fronten wieder heraufbeschwört“.

Langeoog: Primärdünen Flinthörn, Foto (C): Manfred Knake

Langeoog: Primärdünen Flinthörn, Foto (C): Manfred Knake

Die „alten Fronten“ sind u.a. diese und reichen bis in die siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurück: Das damalige Naturschutzgebiet „Flinthörn“ war eine beliebter Ankerplatz von Sportbootfahrern, die dann mitten in der Zwergseeschwalbenkolonie Sonnenbäder nahmen oder ihren Grill aufbauten. Nur mit großen Anstrengungen des damaligen Deutschen Bundes für Vogelschutz (heute NABU) und dessen damaligem Vorsitzenden Dr. Fedor Strahl, der ein Ferienhaus auf Langeoog hatte, gelang mit Unterstützung von DBV-Festlandsnaturschützern und heutigen Mitarbeitern des Wattenrates schließlich eine Beruhigung des Gebietes. Der DBV stationierte für ein paar Jahre Zivildienstleistende mit einem Bauwagen am Flinthörnstrand, die dort unter sehr widrigen Umständen und Anfeindungen die ständigen Verstöße protokollierten und versuchten, die Naturschutzbestimmungen durchzusetzen, oft vergeblich. Der Seglerverein Harlingerland in Bensersiel zeigte sich sehr kooperativ und verbot seinen Mitgliedern schließlich bei Strafe des Ausschlusses das Ankern am Schutzgebiet. Der Landkreis Wittmund als Untere Naturschutzbehörde verhielt sich passiv.

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Archivbild Wattenrat (2004): Hinweisschild am Naturlehrpfad Flinthörn

Dle Letzten Ihrer Art: Trotz oder wegen des "Weltnaturerbes"?

Die Letzten Ihrer Art: Trotz oder wegen des „Weltnaturerbes“? Inzwischen brütet nur noch ein (!) Brutpaar des Sandregenpfeifers auf Langeoog. Foto: Eilert Voß (Aufnahme von 2010)

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Trotz informativer Hinweisschilder hören die Störungen nicht auf. Foto: Eilert Voß (2010)

Illegaler Golfplatz und Eiersammler

Auf Langeoog wurde ab 2001 ein Golfplatz illegal im Nationalpark mit Duldung des Landkreises Wittmund gebaut, später wurde der Golfplatz im Rahmen der Gesetzesnovellierung des Nationalparks mit Flächenänderungen zugunsten des Tourismus auf eine ehemalige Nationalparkfläche in der Nähe des Inselflugplatzes verlegt. 2006 wurde die Möwenkolonie von Eiersammlern geplündert.
Alle Anzeigen des Wattenrates (und nur des Wattenrates!) verliefen im Sande. Beim illegalen Golfplatzbau schwieg die Nationalparkverwaltung, bei der Zerstörung der Möwenkolonie blieb es bei hilflosen Appellen der Verwaltung.

Archivbild: Langeooger Golfplatz

Archivbild Wattenrat: Langeooger Golfplatz

Golfplatz Meedlanddünen: ausgemähte Sumpfohreule, 2001, Foto: privat

Golfplatz Meedlanddünen: ausgemähte Sumpfohreule, 2001, Foto: privat

Kitesurfer

2010 beantragte die Gemeinde Langeoog – wie auch andere Insel- und Festlandstourismuskommunen von Cuxhaven bis Emden – die Einrichtung einer Kitesurferfläche in der Zwischenzone des Nationalparks, obwohl dort laut Nationalparkgesetz sogar Kinderdrachen verboten sind. Selbstverständlich genehmigte die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven diese Vogelscheuchen, ohne die Durchführung der vorher vorgeschriebenen Verträglichkeitsprüfung nach dem Bundesnaturschutzgesetz.

Die Surfflächen wurden zudem auf der Grundlage von Befreiung nach dem Bundesnaturschutzgesetz (§67) gewährt. Das darf aber nur dann geschehen, wenn „dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist“. Das „überwiegende öffentliche Interesse in einem Nationalpark und EU-Vogelschutzgebiet“ ist aber zweifellos nicht das Kitesurfen“, sondern der Schutz vor solchen Eingfriffen.

Viele Feuerwerke

In jedem Jahr wird auf Langeoog verbotswidrig auch im Nationalpark geböllert und es werden Raketen abgeschossen, bis zu acht Mal, nicht nur zu Silvester. Diese großräumigen Vogelvertreibungen im „Weltnaturerbe“ sind fester Bestandteil der Touristenbespaßung.

Kitesurferschule auf Langeoog, Foto (C): Eilert Voß (2010)

Kitesurferschule auf Langeoog, Foto (C): Eilert Voß (2010)

Aber es gäbe auch Positives zu berichten, so die „Langeoog News“: Die Langeooger Jägerschaft trüge an die Nationalparkverwaltung „tolle Ideen zur einheitlichen Beschilderung heran“. Und: „Langeoog ist eine Fair Trade Insel geworden“, mit einem Bioladen und einer Biobäckerei. Nur beraten die Langeooger Freizeitjäger nicht nur bei Schildern, sie dürfen ganz legal in den strengsten Schutzzonen an zehn Tagen im Jahr auf Wasservögel Jagd machen, auf Zugvögel in einem Schutzgebiet, Zustände wie in Italien! Daran wird auch der faire Handel, der Bioladen oder der Biobäcker nichts ändern können….

Umdenken hat begonnen

Fazit: Zweifellos hat auf Langeoog in den letzten Jahren ein Umdenken begonnen, sogar Bürgermeister Uwe Garrels forderte schon mehr Ranger mit Polizeigewalt. Es fehlt aber nach wie vor an einer ausreichenden Überwachung der Schutzvorschriften auf der Insel, nach 29 Jahren Nationalpark. Ordnungswidrigkeiten oder gar Straftaten gegen Naturschutzbestimmungen werden so nicht geahndet. Mobile Zäune mit Hinweisschildern könnten die gröbsten Störungen in den empfindlichen Brutkolonien verhindern helfen; aber Zäune sind verpönt, weil sie, so das immer wieder genannte törichte Argument, „Menschen aus der Natur aussperren“.  Selbstverständlich müssen Menschen und ihre Hunde aus solchen Flächen ausgesperrt werden, sonst wird das nichts mit der „Natur“, die wir ja alle angeblich so lieben. Das Bundesnaturschutz- oder Nationalparkgesetz gäbe dafür die Handhabe. Ein hauptamtlicher Ranger darf sich auf Langeoog an der Aufsicht versuchen. Es ist der Ehemann von Birte Weinbecker, Jan Weinbecker (siehe auch taz,_23. Juni 2014, .pdf). Eingebettet in das nicht immer einfache Soziotop einer engen Inselgemeinschaft ist er um seine Aufgabe sicher nicht zu beneiden. Die Landesregierung hat für 2015 ganze zehn hauptamtliche Rangerstellen für den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer in Aussicht gestellt, für 3.500 Quadratkilometer Nationalparkfläche. Die Ranger haben keine Polizeigewalt und dürfen strenggenommen noch nicht einmal Personalien feststellen oder Platzverweise erteilen. Über Boote verfügen sie auch nicht. Ausreichende Ranger aber sind in echten Nationalparks Standard, da ist Niedersachsen noch Entwicklungsland. Auf den Inseln müssten mindestens je vier Ranger mit ausreichenden Kompetenzen von April bis zum Jahreswechsel tätig sein, aber das ist derzeit noch Wunschdenken.

Die Grünen auf der Insel

Politisch wäre im Naturschutz auf Langeoog auch mehr möglich: Immerhin erreichten die Grünen 2011 bei der letzten Kommunalwahl 26,1 Prozent der Stimmen mit 3 Sitzen im Inselrat. Damit sind sie die zweitstärkste Fraktion nach der CDU. Auf der WebSeite der Grünen (Ortsverband Langeoog) liest man wenig zu den Inhalten der Fraktion, zum Naturschutz auf der Insel nichts. Die letzen Einträge sind vom Oktober 2013: Man strebe den „grünen Wandel auf Langeoog“ an, was immer das auch bedeuten mag…

Auf den anderen bewohnten Ostfriesischen Inseln werden die Zustände kaum anders sein. Unser Mitarbeiter Reiner Schopf, der mehr als dreißig Jahre lang ganzjährig als Vogelwart auf der Insel Memmert bei Juist lebte, fasste seine Erfahrungen hier zusammen: Die achte Insel (2006)

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