Ems: Schiff zerstört Industriedenkmal „Friesenbrücke“ bei Weener

Wattenrat-Mitarbeiter Walter Bünker an der zerstörten Friesenbrücke, Foto (C): Eilert Voss

Wattenrat-Mitarbeiter Walter Bünker aus Weener an der zerstörten Friesenbrücke, Foto (C): Eilert Voss

Am Abend des 03. Dezember kollidierte auf der Ems der 112 Meter lange Frachter „Emsmoon“, von Papenburg kommend, mit der geschlossenen „Friesenbrücke“ bei Weener im Landkreis Leer. Die Brücke wurde dabei irreparabel zerstört. Verletzt wurde niemand. Der Frachter, bereedert von  der Grona Shipping, Papenburg, und unter der Flagge von Antigua und Barbuda registriert (Büro Oldenburg, Department of Marine Services and Merchant Shipping Antigua and Barbuda W.I.), wurde nach Papenburg zurückgeschleppt. Die Friesenbrücke ist ein Industriedenkmal.

Das Vorgängerbauwerk mit einer Drehbrücke aus dem 19. Jahrhundert wurde von 1924 bis 1926 durch einen Neubau mit einer Rollklappbrücke über der Schifffahrtsöffnung ersetzt. 1945, in den letzten Kriegstagen, wurde die Brücke zerstört und dann wieder aufgebaut. Über die Brücke führt der Zugverkehr vom niederländischen Groningen nach Leer, Fußgänger und Fahrradfahrer können die Brücke ebenfalls nutzen.

Für die riesigen Kreuzfahrtschiffsneubauten der Meyer Werft stellte diese Brücke bisher das letzte Nadelöhr auf dem schmalen Fluss dar. Bei jeder Überführung musste das Mittelteil aufwändig mit einem Schwimmkran herausgehoben werden, damit die Musikdampfer passieren konnten. Das nächste Kreuzfahrtschiff der Meyer Werft soll im Frühjahr 2016 überführt werden, nun ohne das lästige Hindernis.

Noch intakte und für eine Durchfahrt geöffnete Friesensbrücke, Foto: Dickelbert, Wikipedia

Noch intakte und für die Durchfahrt geöffnete Friesensbrücke, Foto: Dickelbers, Wikipedia, CC BY-SA 3.0

Im Rheiderland brodelt jetzt die Gerüchteküche: Wie Mitarbeiter des Wattenrates aus der Region hörten, wird  darüber diskutiert, ob es tatsächlich ein Unfall oder gar Sabotage im Spiel war. Der einzige Nutznießer, so die Spekulationen, sei eigentlich die Meyer Werft. Völlig unverständlich sei, warum das Schiff mit einem Lotsen an Bord in die geschlossene und mit beleuchteten Seezeichen versehene Brücke gerauscht sei. Zudem gäbe es vom Schiff einen Funkkontakt mit dem Brückenwärter. Was geschah auf der Kommandobrücke des Schiffes? Gefragt wird auch, warum nicht das „Manöver des letzten Augenblicks“ eingeleitet worden sei, mit dem man das Schiff zur Verhinderung der absehbaren Kollision an das Emsufer auf Grund hätte setzen können.

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Ausgehängtes Mittelteil der Friesenbrücke für die Überführung der „Quantum of the Seas“, 2014, Foto (C): Eilert Voss

2002 wurde für die Meyer Werft ein Stauwerk bei Gandersum an der Unterems in Betrieb genommen, mit dem der Fluss auf die erforderliche Höhe für den Tiefgang der Luxusliner angehoben werden kann. Dennoch muss die Ems ständig, auch für die Schiffe der Meyer Werft, mit öffentlichen Geldern auf Tiefe gehalten werden. Das Stauwerk wurde als „Sperrwerk“ für den Küstenschutz deklariert, um EU-rechtliche Verfahren in diesem Vogelschutzgebiet zu verhindern. Vor Jahren wurde bereits eine Hochspannungsleitung über die Ems baulich so verändert, dass die großen Meyer-Schiffe ungehindert darunter passieren können.

Millimeterarbeit: Überführung von Papenburg an die Nordsee: Die "Quantum of the Seas" quetscht sich durch die ausgehängte Friesenbrücke, 22. Sept. 2014, Foto (C): Eilert Voss

Millimeterarbeit – Überführung von Papenburg an die Nordsee: Die „Quantum of the Seas“ zwängt sich durch die ausgehängte Friesenbrücke, 22. Sept. 2014, Foto (C): Eilert Voss

Die Polizei hat inzwischen die Ermittlungen aufgenommen. Binnenschiffe können den Unfallbereich wieder passieren. Die Brückenverbindung über die Ems wird auf Jahre unterbrochen sein. Es ist kaum anzunehmen, dass dieses Industriedenkmal in der alten Bauweise als hinderliches Nadelöhr wieder neu gebaut wird.

Nachtrag: Nach aktuellen widersprüchlichen Zeitungsmeldung vom 08. Dezember 2015 seien technische Mängel am Schiff doch „nicht auszuschließen“, obwohl es zunächst hieß, es gäbe keine. Anderslautende Meldungen sagen, dass die zuständige Klassifikationsgesellschaft –ein  „TÜV“ für Schiffe – die „Emsmoon“ noch am Freitag, 4. Dezember, einer umfangreichen technischen Untersuchung unterzogen habe. Die Prüfer hatten dabei keine Mängel festgestellt. Das Schiff wurde für seetüchtig erklärt. Der Lotse soll statt des verantwortlichen russischen Kapitäns oder des ebenfalls russischen Steruermanns am Steuer gestanden haben. Das ist nicht zulässig. Die Politiker der Region reagierten prompt:

[…] Unterdessen fordern in einer gemeinsamen Erklärung die SPD-Bezirksvorsitzende Weser-Ems, MdL Johanne Modder, der SPD-Europaabgeordnete Matthias Groote und die SPD-Bundestagsabgeordneten Markus Paschke und Johann Saathoff, dass die Deutsche Bahn die Planung für einen Neubau der zerstörten Eisenbahnbrücke über die Ems unverzüglich aufnehmen müsse. Gleichzeitig müsse das deutsch-niederländische Bahnprojekt „Wunderline“ vorangetrieben werden. Mit der „Wunderline“ soll der Bahnverkehr zwischen Groningen, Leer, Oldenburg und Bremen deutlich verbessert werden. Die Niederlande wolle sich an den Kosten beteiligen.“ (u.a. Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, online, am 06. Dez. 2015)

[…] Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) hat die Deutsche Bahn und das Bundesverkehrsministerium aufgefordert, die Zerstörung der Friesenbrücke im Sinne eines Ausbaus der Bahnverbindung zwischen Bremen und Groningen in den Niederlanden zu nutzen. Lies: „Es sieht derzeit so aus, als muss die Brücke neugebaut werden. Das ist zwar bedauerlich, eröffnet aber auch ungeahnte Möglichkeiten.“[…] (Neue Osnabrücker Zeitung, online, 07. Dez. 2015)

Ob die alte Brücke wohl lästig war? Bilder von der Kollision hier: Emsmoon-Collision.

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