Repowering in der Samtgemeinde Esens/LK Wittmund: ein Hauch von Sizilien?

Windparks Utgast, LK Wittmund/NDS am EU-Vogelschutzgebiet "Ostfriesische Seemarschen Norden bis Esens", Foto (C): Manfred Knake

Windpark Utgast, LK Wittmund/NDS am EU-Vogelschutzgebiet „Ostfriesische Seemarschen Norden bis Esens“ (im Hintergrund Nachbarwindparks im LK Aurich), Blick von der illegal gebauten Umgehungsstraße Bensersiel/Stadt Esens, Foto (C): Manfred Knake

In der Samtgemeinde Esens im Landkreis Wittmund/NDS will man den weiteren Zubau der Landschaft mit Windkraftanlagen verhindern und setzt stattdessen auf die Festschreibung der bestehenden Anlagen.

„Es soll die maximal zulässige Anzahl der Windenergieanlagen in den vorhandenen Sondergebieten für Windenenergienutzung innerhalb des Samtgemeindegebietes dargestellt (festgeschrieben) werden. Eine Erhöhung der Anlagenzahl soll zukünftig ausgeschlossen werden. Der Abbau von Altanlagen und der Ersatz durch wenige leistungsfähigere Windenergieanlagen sollen weiterhin durchgeführt werden können (Repoweringkonzept).“

So steht es in der Einladung zum Screening- und Scopingtermin zur Änderung des Flächennutzungsplanes am 7. Januar 2016 in Esens.

Derzeit drehen sich ca. 70 Windkonverter im Samtgemeindegebiet in den Mitgliedsgemeinden Holtgast, Stedesdorf und Werdum. In den angrenzenden Gemeinden Dornum/LK Aurich, Holtriem/LK Wittmund und im Bereich der Stadt Wittmund stehen weitere Anlagen, dort insgesamt weit über 200. Der Protest der betroffenen lärmgeschädigten Anwohner ist enorm und wird immer stärker.

In der Samtgemeinde Esens will man nun 1:2 repowern, d.h. für zwei abgängige Altanlagen soll nur noch eine neue Anlage aufgestellt werden. Parallel zur beabsichtigten Begrenzung der Anlagen wird eine Bürgerbefragung in der Samtgemeinde (pdf-Bürgerbefragung_WEA_Esens) durchgeführt, die am 02. Februar beendet sein soll. Der Unterzeichner nahm an diesem Scoping-Termin für einen landesweit tätigen „anerkannten“ Naturschutzverband teil. Beteiligt waren der Samtgemeindebürgermeister Hinrichs als Gesprächsleiter, Mitarbeiter des Landkreises Wittmund, der Mitarbeiter eines Planungsbüros, drei Ortsbürgermeister und ein weiterer Vertreter eines Naturschutzverbandes, auch Vorsitzender des NABU-Kreisverbandes, der aber inhaltlich nicht viel beitrug.

Das waren die Einwände des Unterzeichners, die zu Protokoll gegeben wurden:

Grundsätzlich begrüßt der Unterzeichner den Abbau der Altanlagen, hält aber das Repoweringkonzept von 1:2 für völlig unzureichend. Repowert werden sollte stattdessen ausschließlich leistungsbezogen nach der Nennleistung der Windkraftanlage („Ersatz durch wenige leistungsfähigere Windenergieanlagen“). Legte man die Leistungsdaten vom Windpark Utgast/Gemeinde Holtgast zugrunde, müssten hier beim Heranziehen der Nennleistungswerte vier Altanlagen für eine neue Anlage abgebaut werden, dann blieben bei einem echten Repowering nur 12 Anlagen in Utgast übrig [Altanlagen Tacke-TW 600 und AN-Bonus, neue Anlagen Enercon-70]. Stattdessen sollen aber in Utgast bis zu 41 neue Anlagen für bisher 51 Altanlagen errichtet werden. Das ist eindeutig kein 1:2 Repowering – dann blieben nur 25 Anlagen – sondern nur das Abschöpfen einer nun sogar höheren EEG-Rendite für weitere 20 Jahre!

Windpark Utgast, Ausschnitt: links die alten, abgängigen Tacke TW600, rechts die repowerten Enercon-70, Foto 8C): Manfred Knake

Windpark Utgast/Gem. Holtgast, Ausschnitt: in der Mitte die alten, abgängigen Tacke TW-600, ganz links und rechts einige der bereits repowerten Enercon-70, Foto (C): Manfred Knake

Zudem stehen mehrere der bereits vom Landkreis Wittmund immissionsschutzrechtlich genehmigten neuen und höheren Anlagen ohne ausreichende Artenerfassung von Vögeln und Fledermäusen, also ohne ausreichende Gutachterdatenlage, viel zu dicht am angrenzenden EU-Vogelschutzgebiet. Hier wurde schon die Umgehungsstraße Bensersiel illegal gebaut. Die Fledermauserfassung für die neu genehmigten Anlagen wurde überhaupt nicht vorgenommen. Gerichtsfeste naturschutzfachliche Abstandsempfehlungen von Fachbehörden gehen wegen der enormen Störwirkung der Windkraftanlagen von mindestens 1200 Metern Abstand zu Vogelschutzgebieten aus. Der Unterzeichner hält die immissionschutzrechtlichen Genehmigungen für die repowerten Anlagen durch den Landkreis Wittmund daher für rechtlich unzulässig und sehr angreifbar. Die ausführliche Fachaufsichtsbeschwerde des Wattenrates beim niedersächsischen Umweltminister gegen das Repowering am Vogelschutzgebiet wurde nach mehr als neun Monaten am 17. November 2015 mit einem Fünfzeiler lapidar zurückgewiesen. Man „sehe keine Möglichkeit in der Angelegenheit fachaufsichtlich tätig zu werden“, so ein Mitarbeiter des Ministeriums. Eine Begründung fehlte. Der Wattenrat wird sich nun an die EU-Kommission wegen der Verletzung der Natura-2000-Richtlinien wenden.

Windpark Utgast/LK Wittmund/NDS: durch Rotoranflug zerteilter Bussard

Windpark Utgast/LK Wittmund/NDS: durch Rotoranflug zerteilter Bussard (Brutvogel), kein Einzelfall, Foto (C): Manfred Knake

Die Lärmwerte für die Anwohner stehen nur auf dem Papier und werden schon heute nicht eingehalten, die Lärmbelastung wird also durch die neuen Anlagen noch steigen. Es wurde weiter vom Unterzeichner moniert, dass durch den Abbau einiger abgängigen Altanlagen die Fundamente, wie gesetzlich und durch ein Gerichtsurteil (Hessischer Verwaltungerichtshof, Aktenzeichen 3 UZ 2619/03 VGH Hessen vom 12.01.2005) gefordert, nicht vollständig, sondern nur ca. 1,50 Meter unter Geländeoberkante abgetragen wurden. Der Unterzeichner hält zudem die vorgesehenen Rückbaukosten im Genehmigungsbescheid des LK Wittmund vom 09. Dez. 2015 für zwei weitere neu genehmigte Anlagen in Höhe von 40.000 Euro für absolut nicht ausreichend und fragte, ob dieser Betrag bankbürgschaftlich abgesichert sei.

Der Unterzeichner warf dem anwesenden Holtgaster Bürgermeister Enno Ihnen vor, sich überwiegend für die Belange der Windkraftbetreiber und nicht für die lärmbetroffenen Anwohner einzusetzen, lobte aber ausdrücklich das gelungene Repowering-Konzept in der Gemeinde Werdum. Hier wurden 17 Altanlagen durch vier leistungsstärkere Anlagen ersetzt. Er schloss seine Einwendungen mit der Hoffnung, dass sich endlich ein Windkraftbetroffener in Utgast rechtlich gegen die Anlagen wehre. Der Unterzeichner käme sich bei der Genehmigungspraxis im Landkreis Wittmund manchmal vor wie in Sizilien, gemeint sei aber nicht das Klima.

Manfred Knake

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