Ansiedlungsprojekt: neue Chancen für die Europäische Auster

Europäische Auster - Foto: H. Zell, Wikipedia, CC BY - SA 3.0

Europäische Auster – Foto: H. Zell, Wikipedia, CC BY – SA 3.0

Seit ca. 80 Jahren gilt sie als weitgehend ausgestorben in der Nordsee: die Europäische Auster (Ostrea edulis). Die enorme Nachfrage nach dieser Delikatesse und die gewerbliche Fischerei machte ihr schließlich in den 1930-Jahren den Garaus. Vermutet wird auch ein Parasitenbefall, der zusätzlich zum Rückgang führte. Kleinere Restvorkommen gibt es noch auf den Britischen Inseln, in der Bretagne und im Norden Dänemarks.

Das soll sich nun ändern: Das Bundesamt für Naturschutz und das Alfred-Wegener-Institut / Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) starteten bereits im April 2016 das Projekt zur Wiederansiedlung dieser Muschelart. Laut einem dpa-Bericht vom 10. November 2016 kämen für die Wiederansiedlung auch die drei Natura 2000-Schutzgebiete Borkum-Riffgrund, Sylter Außenriff und Doggerbank in Frage. Dort dürfe keine Bodenschleppnetz-Fischerei und kein Abbau von Sand oder Kies stattfinden. Geeignet sein könnten auch die fischereifreien Sperrzonen am Rande von Windparks. Man sei mit drei Windparkbetreibern im Gespräch, sagte die Leiterin des Wiederansiedlungsprojekts, Bernadette Pogoda auf einer Pressekonferenz in Hamburg.

Das lässt aufhorchen. Die Windenergiewirtschaft wird absehbar die Austernversuche propagandistisch ausschlachten und damit die angebliche „Naturverträglichkeit“ der Offshore-Windkraftanlagen herausstellen. Festzuhalten ist jedoch, dass die Europäische Auster bis zu ihrer Überfischung abertausende Jahre ohne Windkraftanlagen ausgekommen ist.

Pazifische Austern im Watt vor Dornumersiel/LK Aurich, Foto (C): Manfred Knake

Pazifische Austern im Watt vor Dornumersiel/LK Aurich, Foto (C): Manfred Knake

Ein Problem im Wattenmeer stellt mittlerweile die Pazifische Felsenauster (Crassostrea gigas) dar. Sie wurde ab 1972 in der Scheldemündung und ab 1986 im Sylter Wattenmeer  als„Sylter Royal“ in Aquakulturen für den Delikatessenmarkt als gebietsfremde Art gezüchtet, mit behördlicher Genehmigung! Bemerkenswert ist die Selbstdarstellung des Muschelzuchtbetriebes auf Sylt, hier nachzulesen.

Seit einigen Jahren breitet sich diese asiatische Art rasant im gesamten Wattenmeer aus. Die eingeschleppte Pazifische Auster konkurriert mit der heimischen Miesmuschel um den Lebensraum und um das tierisches Plankton im Wasser. Biologen vermuten , dass die Miesmuschelbestände zurückgehen werden und die Nahrungsgrundlage für Vögel, Krebse und andere Arten dadurch beeinträchtigt werden könnten. Miesmuscheln siedeln aber immer noch zwischen den sehr viel größeren Pazifischen Austern und sind dadurch für die nahrungssuchenden Vögel wie Eiderenten oder Austernfischer schwerer zu erreichen.

10. Nov. 2016
Gemeinsame Pressemitteilung des AWI mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN)

„Die Bestände der Europäischen Auster werden in ganz Europa als stark gefährdet eingestuft. Seit etwa 1930 gilt die Europäische Auster in der deutschen Nordsee als ausgestorben, nur seltene Einzelfunde sind belegt“, sagt Prof. Beate Jessel, Präsidentin das BfN. „Austern können jedoch im ökologischen Gesamtgefüge der Nordsee eine wichtige Rolle spielen, da sie nicht nur große Wassermengen filtrieren, sondern auch Riffe bilden können. Solch biogene, das heißt von Lebewesen aufgebaute Riffe, sind in der Nordsee sehr selten. Austernbänke und Austernriffe weisen außerdem eine besonders hohe biologische Vielfalt auf, stehen daher im Fokus des Meeresnaturschutzes“, erläutert Prof. Jessel das Engagement des BfN.

Das im April 2016 gestartete E+E-Vorhaben basiert auf einer 2014 erstellten Machbarkeitsstudie des BfN zur potentiellen Wiederansiedlung der Europäischen Auster in der Deutschen Bucht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des AWI entwickeln in Kooperation mit der Abteilung Meeresnaturschutz des BfN Methoden und Verfahren zum nachhaltigen Wiederaufbau eines Austernbestandes in der deutschen Nordsee und setzen diese modellhaft in die Praxis um.
In einem ersten Schritt hat die für das Projekt verantwortliche Wissenschaftlerin des AWI, Dr. Bernadette Pogoda, kürzlich internationale Forschungseinrichtungen und Zuchtbetriebe in Großbritannien, Irland und den USA besucht. Ziel ist es, aus den Erfahrungen von Austernzuchten und anderen Restaurationsvorhaben zu lernen und geeignete Methoden und Technologien auf die Situation in der deutschen Nordsee zu übertragen.

„Wir planen darüber hinaus den gemeinsamen Aufbau eines internationalen Netzwerks zur Austernrestauration“, betont Prof. Beate Jessel. „Denn wir möchten diese Initiativen zur Austern-Wiederansiedlung auch über die deutsche Nordsee hinaus zusammenbringen, Erfahrungen austauschen und gegenseitig von den Ergebnissen der Forschungsprojekte profitieren.“

Parallel dazu wird ermittelt, aus welchen Zuchtbetrieben geeignete Austern bezogen werden können. Es werden strenge Richtlinien eingehalten, um eine Einführung gebietsfremder Arten auszuschließen. Geplant ist zunächst die Ausbringung von Austernsaat verschiedener Größenklassen und langfristig auch von adulten Austern. Dieser Test-Besatz erfolgt vorerst in speziellen Käfigstrukturen, um ein Verdriften oder Versanden der Austern zu vermeiden. „Für eine nachhaltige Wiederherstellung von Austernbänken sind jedoch umfangreiche Besatz- und Monitoringkonzepte notwendig“, erläutert Prof. Karen Wiltshire, stellvertretende Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts. „Diese werden in unserem Vorhaben erarbeitet und getestet. Neben der Populationsdynamik wird unser Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dabei vor allem die Fitness, den Gesundheitszustand und das Wachstum der jungen Austern im Laufe des Projektes untersuchen.“

Auch Fragestellungen zum Ansiedlungssubstrat werden bearbeitet. Austern siedeln sich bevorzugt auf Schalenmaterial der eigenen Art an, nutzen jedoch auch anderes Hartmaterial wie Schalen anderer Muschelarten, aber auch künstliche oder natürliche Hartstrukturen wie große Steine. Die Suche nach geeigneten Wiederansiedlungsflächen in der Deutschen Bucht hat bereits begonnen. Eine grundsätzliche Voraussetzung für die Eignung eines Meeresgebietes ist der Ausschluss jeglicher Boden verändernder Aktivitäten, wie zum Beispiel bodenberührende Fanggeräte der Fischerei oder der Abbau von Sand und Kies.

Ziel des E+E-Vorhabens ist es, unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben die Grundvoraussetzungen für ein langfristig angelegtes Restaurationsprogramm zu schaffen, damit in Zukunft Europäische Austern wieder in der Deutschen Bucht heimisch werden können.

Dieser Beitrag wurde unter Fischerei, Naturschutz, Wattenmeer abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.