Der Hambacher Wald, aus dem fernen Ostfriesland betrachtet

Symbolfoto -(C): Manfred Knake

aktualisiert am 22. Okt. 2018

Die Vorgänge um die heißen Tage bei der Besetzung des Hambacher Waldes durch auch gewalttätige Demonstranten ließen auch den Wattenrat mit der Wattenpresse im fernen Ostfriesland nicht kalt. Die Medienberichte stellten das Thema nicht selten zu kurz dar, hier wird einiges nachgeholt. Seit dem Aufschluss des Braunkohletagebaus 1978 wurden mehr als 4000 Hektar wertvoller (!) nacheiszeitlicher Waldstandort vernichtet, fast unbemerkt von der Öffentlichkeit (und bevor ein Schlaumeier ein Haar findet: die Bäume sind selbstverständlich nicht so alt, die wachsen nach – und es wurden sehr alte Bäume). Auch Ortschaften wurden dafür weggebaggert und die Bewohner umgesiedelt. Der Standort des Kernforschungszentrum Jülich verhinderte noch Schlimmeres.

Systematische Plünderung des alten Waldes durch die RWE AG

Auch die verbliebenen 200 ha Restwald wurden – so Ortskenner – von der RWE AG systematisch ausgeplündert: In den letzten 40 Jahren seit Beginn des Aufschlusses habe der Konzern diese Waldflächen so bewirtschaftet, dass besonders alte und wertvolle Bäume entnommen und das Holz verkauft worden sei. Der Restwald sei in einem erbärmlichen Zustand. Auch durch Neuanpflanzungen könne der Zustand „alt“ und „wertvoll“ nicht wieder hergestellt werden. Am Nordrand des Waldes befindet sich der Tagebau; der Wald steht dort an einem 450 m tiefen Abgrund. Im Süden grenzt er auf ganzer Länge an drei Trassen: 1. an die neue Autobahn 4 Köln-Aachen, 2. an die Kohlebahnstrecke für den Abtransport der Kohle in die Kraftwerke, 3. an die ICE-Trasse Köln-Brüssel. Zudem ist das Grundwasser bis in Tiefen von 450 m abgepumpt worden. Und man sieht dem verbliebenen Restwald an, dass dort über sechs Jahre Besetzer gelebt haben, deren Aktionen und Krawalle ebenfalls der Waldökologie abträglich waren.

Tranchotkarte von 1806-1807 während der französischen Besetzung von Jülich (Julier) und Umgebung: Die Karte zeigt die frühere Ausdehnung des Hambacher Waldgebietes mit den ehemaligen, inzwischen weggebaggerten Orten.

Ursprünglich war der Wald 4.200 Hektar = 42 Quadratkilometer groß

Die ursprünglich 4.200 ha des Hambacher Waldes gehörten vor dem Aufschluss des Tagebaus 1978 zum größeren Teil dem Land Nordrhein-Westfalen und zum kleineren Teil den an den Wald angrenzenden Gemeinden. Die Gemeinden verkauften den Wald an RWE für neue Bürgersteige und Kanalisation. Das Land NRW hat den Hambacher Wald gegen die unzureichenden Aufforstungen von RWE aus den 1950er und 60er Jahren getauscht. Am Rand der Einweihungsfeier 1978 demonstrierten damals vielleicht 200 Bürger gegen den Tagebau und für den Wald. Der Autor des hier verlinkten Artikel aus der Zeitschrift Nationalpark aus dem Jahr 2011, Wilhelm Breuer, war einer von ihnen. Breuer wuchs in der Gemeinde Hambach auf und kennt den Wald von seiner Kindheit an: Breuer_NP_Hambacher Wald

Eingriffsgebiet Hambacher Wald: der Braunkohletagebau der RWE AG – Google Earth, April 2018- Das Verhältnis Abraum zur Kohlegewinnung beträgt bis zu 10:1; für 1t Kohle müssen 10t Abraum bewegt und gelagert werden.

Habitatschutz oder „Klimaschutz“?

Nun gibt es einen gerichtlich verfügten Rodungsstopp durch das OVG Münster, der vom BUND erstritten wurde, Glückwunsch dazu!  Es drängt sich aber der Eindruck auf, dass es beim Protest im Hambacher Wald offensichtlich weniger um den Schutz des uralten Waldstandortes geht, weniger um den Artenschutz und die bedrohten Fledermäuse (die den Wald mit anderen Tieren vermutlich wegen der Krawalle längst verlassen haben), sondern um den imaginären zeitgeistigen „Klimaschutz“ und den Ausstieg aus der Kohlenutzung für Kraftwerke.

Die Rote Hilfe“ , die die gewaltätigen Ausschreitungen im Wald unterstützte, macht es deutlich: Immer mehr Menschen verteidigen den Hambacher Forst als Symbol des Kampfes gegen den Klimawandel, den zahlreichen Gewalttaten der Polizei und den vielen Grundrechtseinschränkungen der letzten Wochen zum Trotz.Von den Verfassungsschutzämtern wird die „Rote Hilfe“ als linksextremistische Organisation eingeordnet; ihr wird die Unterstützung von Gewalttaten vorgeworfen.

Die Partei Bündnis90/Die Grünen war 2016 zusammen mit der SPD in der Regierungsgverantwortung in Nordrhein-Westfalen und winkte die Rodung des Hambacher Waldes für die RWE AG mit durch. Heute kritisieren die Grünen die Abholzung.

Der „Klimaschutz“ ist der Paradigmenwechsel des organisierten Umweltschutzes, vor einigen Jahren noch waren es Lebensräume mit bedrohten Pflanzen und Tierarten, die es zu erhalten galt, jetzt ist es „das Klima“ (mit dem Gerichtsvehikel Habitatschutz), das sich auch ohne den Menschen seit Anbeginn des Wettergeschehens auf der Erde ständig ändert und sich nicht von politisch geforderten 1,5 Grad-Zielen beeinflussen lässt, so, als ob es einen Globalthermostaten für Zehntelgrade gäbe. Das wäre Schilda, wird aber ernsthaft diskutiert und kaum von der berichtenden Presse in Frage gestellt! „Klima“ jedoch kann man nicht „schützen“ (und auch nicht „killen“), weil man dann zunächst das Wetter mit den jahreszeitlich unterschiedlichen Temperaturen und Niederschlägen schützen müsste. Erst nach nach 30 jähriger Wetteraufzeichnung für eine bestimme Region bekommt man den statistischen Wert für „Klima“. Also erst Wetter, dann Klima (Definition nach World Meteorological Organization), und das sollte sich nach jahrelanger Klima-Gehirnwäsche endlich herumsprechen.

Keine Proteste von BUND und C0. gegen Rodungen für Windkraftstandorte

Etwas weiter westlich vom Hambacher Wald werden im ebenfalls alten Aachener Münsterwald riesige Schneisen mit Tausenden gefällten Bäumen für sieben Windkraftanlagen und deren EEG-Profiteure geschlagen, die aber auch nichts zum „Klimaschutz“ beitragen können, weil sie nur wetter- und windabhängig funktionieren, deshalb heißen sie so. Im Dreiländereck Odenwald gibt es Planungen für mehr als 70 Windparks, vom BUND unterstützt, „naturverträglich“, selbstverständlich, was immer damit gemeint sein mag…Protestdemos dort von BUND, Greenpeace und Co.? Keine! Nur können auch hunderttausend oder mehr Windkraftanlagen keine verlässliche und bedarfsgerechte Stromversorgung für eine Industrienation leisten; das können nur Wärmekraftwerke; das ist Physik, die man zur Kenntnis nehmen sollte. Ob aber ausgerechnet uralte Waldstandorte dafür vernichtet werden müssen, ist eine ganz andere Frage. Es hätte längst geprüft werden müssen, ob dieser Wald die Schutzkriterien der Europäischen FFH-Richtlinie erfüllt, nicht erst jetzt, wo es um den kläglichen Rest von 200 Hektar Waldfläche geht.

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