Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer: Inseln fordern Änderungen

Foto (C): Eilert Voß

Am 03. November 2018 verkündete die Nationalparkverwaltung zusammen mit der „Ostfriesische Inseln GmbH“ eine Kooperationsvereinbarung, in der „gemeinsame Vorhaben“ in einem „gemeinsamen Arbeitsprogramm“ festgehalten werden sollen. Das für die Verlautbarungen der Nationalparkverwaltung schon typische Geschwurbel ist hier in ganzer Länge nachzulesen: Ostfriesische Inselfamilie wird Nationalpark-Partner. Es geht, „natürlich“, wieder einmal um die „nachhaltige Tourismusentwicklung“ in diesem „Weltnaturerbe“, das vor knapp zehn Jahren als neues Etikett auf den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer aufgeklebt wurde, und ein bisschen auch um das „gemeinsame Auftreten für den Erhalt der biologischen Vielfalt“. Allerdings schließen sich der real existierende Massentourismus und „der Erhalt der biologischen Vielfalt“ eigentlich aus. Das lässt sich am Beispiel des dramatischen Rückgangs der strandbrütenden Vögel in diesem Großschutzgebiet deutlich nachweisen.

Das verbirgt sich hinter der Insel-GmbH:

„Die Ostfriesische Inseln GmbH wurde im Dezember 2017 als Dachorganisation der Inselgruppe vor der niedersächsischen Küste gegründet. Ihr Anspruch ist es, die Stärken der Ostfriesischen Inseln nach außen zu tragen und sie als international führende Urlaubsregion zu etablieren. Gesellschafter der Ostfriesische Inseln GmbH sind die Tourismusorganisationen der Inseln Borkum, Juist, Norderney, Langeoog, Spiekeroog und Wangerooge sowie die Reedereien AG EMS, AG Norden-Frisia, Baltrum-Linie GmbH & Co. KG, Schifffahrt Langeoog, Schifffahrt Spiekeroog und Schifffahrt Wangerooge.“

Nun gibt es aber bereits Familienkrach auch innerhalb der Inselfamilie um die Inhalte im Nationalpark: Der Juister Gemeinderat beschloss im Dezember 2018:

„Fast einstimmig beschloss der Juister Gemeinderat auf seiner letzten öffentlichen Sitzung am Mittwochabend im Dorfgemeinschaftshaus, dass die Verwaltung den Auftrag bekam, sie möge prüfen, ob und gegebenenfalls welche Flächen aus dem Nationalpark herausgenommen werden können, um eine nachhaltige Entwicklung, im Einklang mit der Natur, der Insel Juist gewährleisten zu können. Den entsprechenden Antrag dazu hatte die CDU-Fraktion eingebracht. Fraktionsvorsitzender Frank Endelmann begründete den Vorstoß der CDU damit, dass man die nachhaltige Entwicklung der Insel in Gefahr sehe: ´Bei der Gründung hatten damals alle laut Hurra gerufen, doch jetzt ist es ein Knebel geworden.´ Insbesondere bauliche und sportliche Aktivitäten könne man teilweise gar nicht mehr weiter entwickeln. Auch auf den anderen Inseln würde der Nationalpark nicht mehr so positiv gesehen, weil er inzwischen zu viel Macht hätte.“

Die Insel Juist wollte schon einmal aus dem Nationalpark „austreten“, kurz nachdem er 1986 eingerichtet worden war und es um die zugelassenen Wege auf der Insel ging, damals noch auf der Grundlage einer „Verordnung“. Im Oktober 2018 wollte die Inselkommune Baltrum ganz aus dem Nationalpark „austreten“, ruderte dann aber zurück. Ursächlich auf Baltrum waren die jagdlichen Einschränkungen auf der Insel, auf der, wie auf anderen Inseln auch, zur Jägerbespaßung immer noch an zehn Tagen im Jahr auf bestimmte Zugvogelarten geschossen werden darf, die dann auch im Kochtopf der insularen Gastronomie landen.

Kein Platz für Brut- oder Zugvögel: Juist,Ostende der Insel, 11. Mai 2018: Kampfsportler trainiren im Primädünenbereich der strengsten Schutzzone des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer. Foto (C): Eilert Voß

Von der Nationalparkverordung zum Gesetz: Novellierung im Sinne des Fremdenverkehrs

Seit Gründung des Nationalparks 1986 wurde dieser mit einer Verordnung geschützt. Seit 1999 ist die Grundlage des Nationalparks das Nationalparkgesetz, das aber bereits 2001 auf Initiative der Tourismuskommunen, des damaligen Auricher Landrats Walter Theuerkauf (SPD) und mit Unterstützung der damaligen SPD-Landesregierung unter Ministerpräsident Sigmar Gabriel wieder novelliert wurde. Durch diese Novellierung wurden ca. 90 z.T. sehr wertvolle Gebiete aus dem Nationalpark herausgenommen oder in der Zonierung herabgestuft. Dafür wurden konfliktfreie reine Wasserflächen vor den Inseln in den Nationalpark einbezogen und das Schutzgebiet damit optisch vergrößert, oder im wahrsten Sinne des Wortes verwässert. Die mehrbändige Beschwerde des Wattenrates, die 2001 eigenhändig von drei Mitarbeitern nach Einladung der Europäischen Kommission in Brüssel überbracht wurde, verlief nach fünfjähriger Bearbeitungsdauer im Sande der europäischen Verwaltung, das eingeleitete Beschwerdeverfahren wurde eingestellt.

Jetzt, 33 Jahre nach Inkrafttreten des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer, wollen einige Ostfriesische Inseln wieder am Nationalpark sägen. Der vorgebliche „Erhalt der biologischen Vielfalt“ ist daher ein bloßes Lippenbekenntnis der umsatzstarken „Weißen Industrie“ auf den Inseln, die weiter wachsen will. Der niedersächsische Umweltministers Olaf Lies (SPD) hat bereits Gespräche mit den Inselvertretern dazu angekündigt. Sein Schreiben vom 18. Januar 2019 mit der Einladung zum „Dialog“ am 06. Februar 2019 in Hannover hier: Einladung .pdf. Jetzt wiederholt sich also womöglich das, was 2001 zur Änderung des Nationalparkgesetzes führte.
Alle Ostfriesischen Inseln konnten in den vergangenen Jahren weitere Steigerungen der Übernachtungszahlen verzeichnen, nur auf Juist gingen nach den vorliegenden Daten der Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg aus 2017 die Übernachtungszahlen im Vergleich zu 2016 um 1,8 Prozent leicht zurück. Immerhin zählte 2017 allein die Insel Juist 996.292 Übernachtungen, erfasst werden aber nur Häuser ab zehn Betten, die Zahlen sind also wesentlich höher.

 

Sommerliches Feuerwerk auf Juist zur Touristenbespaßung

Gutachterliche Warnungen vor Kapazitätsgrenzen schon 1980

Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen stellte jedoch schon 1980, also vor fast 40 Jahren, in seinem Sondergutachten „Umweltprobleme der Nordsee“ (Kohlhammer Verlag) fest, dass die touristischen Kapazitäten der Nordseeinseln „weitgehend ausgeschöpft“ seien (S.331). Das Gutachten warnte vor dem Druck „gerade auf die restlichen, naturnahen noch attraktiven Landschaftsräume“, der „wahrscheinlich noch wachsen“ werde (S.330). Wie wahr und weitsichtig! Nur von den riesigen Windparks vor den Inseln in den Hauprouten des Vogelzuges und hinter den Deichen in den Hochwasserrast- und fluchtplätzen der Vögel des Wattenmeeres, die den Nationalpark umzingeln, konnten die Gutachter damals noch nichts ahnen.
Eigentlich ist dieser „Nationalpark“, legte man naturschutzfachliche Maßstäbe an, nur ein „Naturpark“. Zunächst listete die International Union for Conservation of Nature (IUCN) diesen Wattenmeernationalpark als „Kategorie- V-Gebiet“, also nicht mehr als ein schlappes „Landschaftsschutzgebiet“ oder ein „Entwicklungsnationalpark“. Das änderte sich wundersamer Weise vor der Ausweisung als UNESCO-Weltnaturerbe 2009, als der Nationalpark plötzlich von der IUCN zum „Kategeorie-II-Gebiet“(= Nationalpark) aufgewertet wurde. Man darf sich fragen, welche Naturschutzfunktionäre zusammen mit der Politik tourismuswirksam an dieser „Beförderung“ gearbeitet haben. Damals war der Landes- und Bundespolitiker Walter Hirche (FDP) Präsident der Deutschen UNESCO-Kommission…

Norderney, Foto (C): Eilert Voß

Etikettenschwindel

Es gibt noch nicht einmal einen Managementplan im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, der eigentlich Voraussetzung für die fachliche Arbeit in einem echten Nationalpark ist.
Auszug aus einer deutlichen Email vom 20. Juni 2006 an den Wattenrat, Absender ist ein Mitarbeiter der UNEP-WCMCAN (United Nations Environment Programme -World Conservation Monitoring Centre) :

„[…] the Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer in Niedersachsen appears as a IUCN Category V, Protected Landscape/Seascape. We can assume in the next version of the data we receive from the EEA, that this will not change. […]“

Wenn es in Zukunft nicht gelingen sollte, diesen Pseudo-Nationalpark zu einem echten zu entwickeln: Warum löst man dann dieses Konstrukt „Nationalpark“, dass ohnehin unter falscher Flagge segelt, nicht einfach auf und macht daraus den ehrlicheren „Naturpark“, dessen Ziele eindeutig der Entwicklung des Fremdenverkehrs dienen? In diesem Naturpark könnten Landschafts- und Naturschutzgebiete mit wirksamen Schutzgebietsverordnungen entstehen. Gleichzeit könnte man auch die dann überflüssige Nationalparkverwaltung auflösen oder als „Naturparkbehörde“ verschlanken. Auch der Aberkennung des unpassenden Weltnaturerbe-Prädikats stünde dann nichts mehr im Wege. Der politisch unterstützte Etikettenschwindel hätte damit ein Ende.

taz-Link: Tjark Goergeswill neue Regeln für Nationalparks

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