Welt-Rangertag am 31. Juli 2019: Weichgespültes von Presse und Nationalparkverwaltung

Nationalpark Ranger, USA – Screenshot, Bildzitat, https://eu.usatoday.com/story/news/nation/2019/06/29/national-parks-rangers-vanishing-putting-visitors-risk/1503627001/, abgerufen am 30. Juli 2019

Am 31. Juli ist Welt-Rangertag. So sieht die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven ihre Wattenmeer-Ranger, Zitat: „Während die Nationalpark-Ranger*innen im Wattenmeer gut ausgestattet sind und laufend fortgebildet werden, sieht dies in anderen Teilen der Welt ganz anders aus.“ Zur Pressemitteilung hier

Wie bitte? Werden Ranger in anderen Ländern (sogar in sog. „Entwicklungsländern“) etwa nicht aus- und fortgebildet? In einigen Ländern haben Ranger Polizeigewalt („law enforcement“) und leisten – notwendigerweise – echte Polizeiarbeit im Naturschutz. Dazu gehört die Ahndung von Jagdverstößen und die Verfolgung von Übertretungen der jeweiligen Park-Regeln.

Sie sind sehr gut ausgestattet, leisten Informationsarbeit, sind zur Identitätsfeststellung und  Platzverweisen befugt und gehen im äußersten Falle auch mit der Waffe gegen Rechtsverletzer vor, Beispiel USA hier, Beispiel Kanada (dort heißen die Ranger Warden) hier

Der National Park Service in den USA verzeichnet jedoch einen massiven Stellenabbau, seit 2005 wurden 20 Prozent der Stellen gestrichen, bei steigenden Besucherzahlen in den Nationalparks. Zusätzlich zu den Park Rangern gibt es in den USA noch den United States Fish- and Wildlife Service (FWS) mit den Schwerpunkten Artenschutz, Habitat- und Zugvogelschutz und Kriminalprävention. Die Mitarbeiter sind „Special Agents“ und haben hoheitliche Befugnisse. Einstellungsvoraussetzung ist ein Bachelor-Abschluss. Neben den Rangern in den USA-Nationalparks gibt es noch die United States Park Police (USSP). Auch sie hat Polizeigewalt, aber nur in den Gebieten des National Park Service in Washington, D.C., in New York City und in San Francisco.

Im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer arbeiten elf (!) hauptamtliche Ranger auf 3.500 qkm Nationalparkfläche, vor einigen Jahren aufgestockt von sechs Rangern. D.h. ein einzelner Ranger betreut heute rechnerisch 318 qkm. Die Wattenmeer-Ranger sind mit Jacken, Hemden oder Westen einheitlich gekleidet und mit Ferngläsern ausgerüstet. Als Dienstfahrzeuge gibt es PKW oder Fahrräder, aber keine Boote (bis auf den Vogelwart der Insel Memmert, der auch Nationalparkranger ist und das Boot für Versorgungsfahrten nutzt).

Memmert-Vogelwart und Nationalparkranger Enno Janssen und Begleiterin, 28. Juli 2018. Das Dienstboot wird vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft- , Küsten- und Naturschutz (NLWKN) zur Verfügung gestellt – Foto (C): Eilert Voß

Verstöße auf dem Wasser können also von den Rangern nicht aufgenommen und ggf. zur Ahndung weitergeleitet werden. Die Ranger haben noch nicht einmal polizeiliche Befugnisse und können daher keine Personalien aufnehmen oder Platzverweise bei den zahlreichen täglichen Verstößen gegen das Nationalparkgesetz erteilen. Die an der Küste tätige Wasserschutzpolizei an den Standorten Emden, Wilhelmshaven und Cuxhaven und mit einer 2016 wiedereröffneten Außenstelle in Norddeich – hier mit nur einem Schlauchboot ausgestattet- ist personell und zeitlich nicht in der Lage, auch noch ausreichende Naturschutz-Überwachungsaufgaben im Nationalpark zu übernehmen. Sie ist zuständig für 2.500 Quadratkilometer Küstengewässer.

Kitesurfer auf verbotener Fläche, Insel Spiekeroog, 2011 – Archivfoto (C): Eilert Voß

Aber immerhin: Die Ranger geben gern Ratschläge, wo und wie man im Nationalpark am besten die Natur erleben kann, ohne sie zu stören“, so die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven. Es wäre interessant zu erfahren, ob und wie die Nationalparkverwaltung Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten im Nationalpark erfasst und wie „nachhaltig“ dieser verfolgt werden, bei einer erheblichen Touristendichten gerade zur Brut- oder Rastzeit oder zur Wurfzeit der Seehunde und Kegelrobben bei weitgehender Unkenntnis der Touristen über die Regeln in diesem Nationalpark. Nur 47 Prozent der Befragten in einer Umfrage kannten den Nationalpark überhaupt, und das nur mit einer Hilfestellung durch Vorlesen der Nationalparknamen in Deutschland. Quelle: Sozio-ökonomisches Monitoring (SÖM Watt) in der Nationalpark-Region, 2016, Seite 6

Die Gesamtzahl der Tourismusübernachtungen alleine im und am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer beträgt mindestens 23 Millionen jährlich von Cuxhaven bis Emden (Quelle: Zahlen IHK Ostfriesland und Papenburg und aus Cuxhaven), die Zahl dürfte aber wegen der nicht erfassten Betriebe wesentlich höher sein. In den Lokal- oder Regionalmedien wird überwiegend die heile Welt im Großschutzgebiet Nationalpark und „Weltnaturerbe“ produziert. Es ist unerträglich, was der Leserschaft als Informationen über diesen Nationalpark – unter Weglassung der harten Fakten – ständig zugemutet wird.

Wattenrat-Link: https://www.wattenrat.de/2019/07/05/10-jahre-weltnaturerbe-wattenmeer-worthuelsen-und-feiern-fuer-einen-freizeitpark/#more-18584

Pendelverkehr zwischen Norddeich und Norderney, 30. Juli 2019 – Foto (C): Eilert Voss

Erfahrung des ehemaligen Nationalparkrangers und Vogelwarts der Insel Memmert, des „legendären“ Reiner Schopf, der mehr als 30 Jahre lang die Insel betreute (damals war der Nationalpark 2.800 qkm groß und wurde seit 2001 um reine Wasserflächen vor den Inseln erweitert), in „Die achte Insel“ aus 2006, hier.

Ranger im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer – Screenshot, Bildzitat, https://www.nationalpark-wattenmeer.de/nds/misc/weltrangertag-i-stand-worlds-rangers/5388, abgerufen am 30. Juli 2019

Und dann noch dies aus der Ostfriesen Zeitung, man glaubt es kaum, es staunt der Laie und der Fachmann wundert sich:

Ostfriesen Zeitung, 31. Juli 2019

Interview – Ein Lobbyist für Tiere und Natur

Kümmert sich in Ostfriesland um Tiere und Natur: Nationalpark-Ranger Onno K. Gent. Auch am Weltrangertag diesen Mittwoch ist er im Einsatz.
[…]
OZ: Wilde Tiere gibt es bei uns im Nationalpark wohl eher nicht
Onno K. Gent: Das stimmt. […]

 

Insel Juist, Dezember 2013: Durch einen Sturm auf den Billweg verdriftetes lebendes Jungtier einer Kegelrobbe im Embryonalfell mit Muttertier. Links das dunkle Muttertier. Das Alttier reagierte nervös und aggresssiv auf nahende Spaziergänger. Der Weg musste zeitweilig gesperrt werden. – Foto: privat

Seehunde, Kegelrobben (die größten in Deutschland vorkommenden Raubtiere), Schweinswale, arktische Zugvögel und heimische Brutvögel sollen keine „wilden Tiere“sein? Als „wilde Tiere“ werden wohl nur noch die „Big Five“ wie Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard wahrgenommen, die jeder kennt und die man -ganz weit weg in Afrika- entweder schützt (vor allem gegen Wilderer) oder die man sogar gegen Bares schießen kann. Die „Big Five“ sind Devisenbringer, tot als legale und teure Jagdbeute für Trophäenjäger oder lebendig als Safarierlebnis. Die kleineren wilden Tiere, die überwiegend unbekannten Wesen in diesem Wattenmeer-Freizeit- Nationalpark vor unserer Haustür, sind dagegen unscheinbar.

Einer der Wildtiere des Nationalparks: Seehund – Foto (C): Eilert Voß

Strandbrüter wie Zwergseeschwalben, Sand- und Seeregenpfeifer sterben in ihrem Schutzgebiet und „Weltnaturerbe“ gerade aus, sie finden kaum noch ungestörte Brutplätze durch den Massentourismus.

Einer der letzten seiner Art im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer: Sandregenpfeifer (rechts im Bild) an der Leybucht/LK Aurich – Foto (C): Eilert Voß

Zugvögel wie einige Gänse- und Entenarten dürfen an zehn Tagen im Jahr auf den Inseln von Freizeitjägern legal geschossen werden und landen dann auch in den Kochtöpfen der Inselgastronomie. Ein Thema für die Presse und die Ranger? Nein. Für die Medien nur dann, wenn wegen Jagdeinschränkungen Austrittsforderungen aus dem Nationalpark laut werden. Die riesigen Windparks in den ehemaligen Zugvogel-Rastgebieten, die binnendeichs an den Nationalpark anschließen, ein Thema für die Ranger?

Ringelgänse aus Sibirien auf Nahrungsssuche im Watt. Im Hintergrund die mit Windkraftanlagen abgeriegelte Küste zwischen Bensersiel und Dornumersiel (Ausschnitt) – Foto (C): Manfred Knake

Ebenfalls nein. Ranger sind zudem keine „Lobbyisten“, sondern Angestellte der Nationalparkverwaltung mit einem Auftrag, auch als Mittler zwischen Mensch und Natur. Nur sollten sie keine Fremdenverkehrsanimateure als der verlängerte Arm der Tourismuswirtschaft sein. Bei der Ausgestaltung des Ranger-Berufes in Deutschland bleibt also immer noch viel Luft nach oben, nicht nur im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Deutschland ist mit der Rangerausstattung immer noch ein Entwicklungsland.

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