Ems: und wieder eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses für die Meyer Werft

Yellow River Ems mit Stauwerk: verschlickt und ohne Sauerstoff – Foto (C): Voß

Naturschutz ist wieder einmal das Letzte für die Ems, und vermutlich auch beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), wo das „N“ für Naturschutz ganz hinten angehängt ist. Es geht um die Meyer Werft im binnenländischen Papenburg, die viel zu große Schiffe an einem dafür viel zu kleinen Fluss baut. Von 1998 bis 2002 wurde für die Werft bereits das Ems-Stauwerk zur Erhöhung des Wasserstandes für Schiffsüberführungen gebaut, das aber offiziell „Ems-Sperrwerk“ genannt wird, also ein Bauwerk für den Küstenschutz. „Sperrwerk“ musste es heißen, damit die EU-Kommission nicht einschritt, weil das Stauwerk in einem Natura-2000-Gebiet (Flora-Fauna-Habitat- und Vogelschutzgebiet) gebaut wurde und Küstenschutz vor Naturschutz rangiert.

Die Ems wurde zusätzlich auf Tiefe gebaggert, ständig muss der Fluss mit Baggerschiffen auf Tiefe gehalten werden, das alles finanziert der Steuerzahler. Die Ems ist im Unterlauf daher bereits ein weitgehend toter Fluss: Schlickeinträge durch die Erhöhung der Fließgeschwindigkeit, Wassertrübungen, Sauerstoffzehrung und Erhöhung des Salzgehaltes haben den Fluss und das Leben darin kaputt gemacht; so wurde aus der Ems ein „Meyer-Kanal“. Bestehende Planfeststellungsbeschlüsse für das Schließen des Ems-Stauwerks sind wie Knetgummi und werden immer wieder im Sinne der Meyer Werft passend gemacht, siehe hier.

Baggerschiff vor der Meyer Werft in Papenburg, Foto (C): Eilert Voß

Baggerschiff auf der Ems vor der Meyer Werft in Papenburg – Foto (C): Eilert Voß

Nun liegt wieder einen neuer Antrag des Landkreises Emsland vom 07. Februar 2020 zur „erneuten befristeten Änderung der Staufunktion“ vor (NLWKN, s.u.).: „Flexibilisierung der Staufunktion“ und „Verbesserung der regionalen Infrastruktur“ sind die Totschlagargumente gegen ein intaktes Flusssystem in einem europäischen Schutzgebiet. „Meyer an die Küste“ hieß einmal die begründete Forderung des Naturschutzes zur Schonung des Flusses. Die „anerkannten“ und damit klagebefugten Naturschutzverbände BUND, NABU und die Stiftung WWF wurden inzwischen mit eingebunden, oder „sediert“, wie Kritiker anmerken. Die Verbände schlossen 2009 mit dem Land Niedersachsen und der Meyer Werft einen „Generationenvertrag“ auf 30 Jahre, nichts anderes als ein Stillhalteabkommen. Zur Verbesserung der Emsökologie gibt es einen millionenschweren „Emsfond“ der „zweckgebunden zur Verbesserung der ökologischen Gesamtsituation in der Ems/Dollart-Region“ eingesetzt werden soll. Der Fond aus „Sondervermögen aus Mitteln des Landes Niedersachsen“ wird von der Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung verwaltet. Die „Gesamtsituation“ müsste ohnehin ohne Umwege über eine Stiftung verbessert werden, legte man die Natura-2000-Richtlinien der Europäischen Union als Maßstab zugrunde. Die Finanzierung der Stiftung erfolgt seit 2009 aus den Mitteln der Glückspielabgabe, ist also der Naturschutz an der Ems nur ein Glückspiel? Die fachliche Umsetzung der Natura-2000-Richtlinien (die nach dem Gemeinschaftsrecht Gesetzescharakter haben) ist immer noch staatliche Aufgabe und nicht die Aufgabe von Stiftungen und Verbänden. Dieser Fond half bisher nicht dem maroden Fluss, sichert aber auch Stellen bei der Stiftung und den Verbänden.

Technolandschaft im EU-Vogelschutzgebiet an der Ems: Ems-Stauwerk und Windpark „Wybelsumer Polder“ – Foto (C): Eilert Voß

FFH-Richtlinie der EU von 1992:
Artikel 2 (2): Die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen zielen darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen.

Artikel 6 (2) Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um inden besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichenLebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.

Passt, gerade. Überführung des Kreuzfahrtschiffes „Celebrity Silhouette“, 2012, Foto (C): Eilert Voß

Dann ist da noch der „Masterplan Ems“, der vorgibt: „Gemeinsam für einen schiffbaren und lebendigen Fluss. Wirtschaft und Natur bekommen an der Ems den gleichen Rang – auf diese Grundsätze haben sich die Vertragspartner des Masterplans Ems 2050 verpflichtet. Bund, Land, die Landkreise Emsland und Leer, die Stadt Emden, die Meyer Werft und die Umweltverbände BUND, NABU und WWF haben sich geeinigt, diese Ziele bis 2050 zu realisieren. Damit wurde ein seit Jahrzehnten schwelender Konflikt befriedet. Das bedeutet: EU-Richtlinien zum Natur-, Gewässer- und Meeresschutz werden erfüllt, Arbeitsplätze gesichert und geschaffen.“ Diese Sprüche sind ein Widerspruch in sich, der „schiffbare Fluss“ ist im Unterlauf schon lange nicht mehr „lebendig“, siehe Ems-Stauwerk und die ständigen Unterhaltungsbaggerungen. Nichts wurde „befriedet“, die Landwirtschaft wehrt sich vehement gegen Auflagen durch den „Masterplan“, der die an die Ems angrenzenden Ländereien mit einbezieht. Örtliche Naturschutzgruppen werfen den großen Umweltverbänden und deren ortsfernen Funktionären „Käuflichkeit“ und „Versagen“ vor. Wer weiß überhaupt, ob es die Meyer Werft, die Umweltverbände BUND, NABU und WWF bis 2050 noch geben wird. Die heutigen Verbandsfunktionäre, mitverantwortlich für den kaputten Fluss, dürften dann längst in Rente oder gar den Weg alles Irdischen gegangen sein.

Montage: Dyklopers

Die staatliche Aufgabe Naturschutz, also auch die Umsetzung der Natura-2000-Richtlinien in nationales Recht, wird in Niedersachsen von den Landkreisen in unterschiedlicher Qualität durch die Ausweisung und Formulierung von Schutzgebietsverordnungen wahrgenommen. Häufig werden Natura-2000-Gebiete nur als Landschaftsschutzgebiete (LSG) ausgewiesen, nur sind LSG in der Regel ungeeignet, um die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an den Schutz der Natura-2000-Gebiete einzulösen. Wirksamer wären Naturschutzgebiete (NSG) mit strengeren Auflagen, die es auch an der Ems gibt. Nur wurden auch die Ems-NSG landwirtschafts- und jagdfreundlich mit Hilfe des NLWKN gestaltet und ältere, strengere Naturschutzverodnungen wie z.B. das NSG Petkumer Deichvorland, ab 2017 nachteilig verändert. Die Verordnungsentwürfe werden den Kreistagen zur Abstimmung vorgelegt und dort nicht selten verwässert. Davor waren die Bezirkregierungen für die Ausweisung von Naturschutzgebieten zuständig. Zum 1. Januar 2005 wurden die Bezirksregierungen während der Regierungszeit von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) in Niedersachsen aufgelöst und die Aufgabe auf die Landkreise und damit in den kommunalen Klüngel hinuntergedrückt. Die Fachbehörde für Naturschutz, die beratende Funktion hatte, war das Niedersächsische Landesamt für Ökologie (NLÖ), das ebenfalls aufgelöst wurde. Dessen Aufgaben wurden vom NLWKN übernommen, als Naturschutz-Anhängsel und Wurmfortsatz der Wasserwirtschaft und des Küstenschutzes.

Foto (C): Eilert Voß

Zur Aufgabe des NLWKN gehört auch die Sicherung und Entwicklung eines günstigen Erhaltungszustandes der Natura 2000-Gebiete, es werden u. a. Bestandserfassungen sowie Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen koordiniert und abgewickelt. Nur darf angezweifelt werden, ob dies am Beispiel der Ems zutriftt oder ob nicht genau das Gegenteil von den Aufgaben im Sinne der Meyer Werft durchgeführt wird.

Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz vom 07. Februar 2020
Emssperrwerk: Landkreis beantragt erneut befristete Änderung der Staufunktion

Antrag des Landkreises Emsland zum Salzgehalt liegt ab 10. Februar in den Kommunen aus. Der Landkreis Emsland hat beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) beantragt, den Planfeststellungsbeschluss zum Emssperrwerk zu ändern. Der Antrag sieht vor, die den Einstau der Tideems beschränkende Nebenbestimmung zum Salzgehalt bis maximal 2029 bis zu dreimal auszusetzen, soweit dies für die Durchführung von Schiffsüberführungen zwingend erforderlich ist. Der Antrag ist Grundlage für ein wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren mit einer umfassenden Beteiligung der Öffentlichkeit. Der NLWKN als zuständige Planfeststellungsbehörde hat daher für den Zeitraum 10. Februar bis einschließlich 9. März 2020 die Auslage der Antragsunterlagen in den Gemeinden Jemgum, Moormerland, Ostrhauderfehn, Rhauderfehn, Rhede (Ems) und Westoverledingen, den Samtgemeinden Dörpen und Jümme sowie den Städten Emden, Leer, Papenburg und Weener (Ems) veranlasst. Zu finden sind die Unterlagen in dieser Zeit auch im Internet unter https://www.nlwkn.niedersachsen.de und https://uvp.niedersachsen.de/.
Jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden, kann sich bis einschließlich 9. April 2020 zu der Planung äußern. Des Weiteren werden die durch das Vorhaben in ihrem Aufgabenbereich berührten Behörden sowie die in Niedersachsen anerkannten Naturschutzvereinigungen beteiligt. Ein Erörterungstermin ist für den 3. Juni 2020 in Leer anberaumt.

Der Antrag des Landkreises Emsland knüpft an eine bereits per Planänderungsbeschluss vom 17.07.2015 befristet bis zum Jahr 2019 zugelassene Aussetzung der Nebenbestimmung zum Salzgehalt an. Diese war bei der Überführung der AIDAnova im Oktober 2018 aufgrund ungünstiger Verhältnisse zur Anwendung gekommen. Der Landkreis Emsland wertet daher die weitere befristete Flexibilisierung der Staufunktion und damit angestrebte Schaffung von Überführungssicherheit als notwendige Maßnahme zur Verbesserung der regionalen Infrastruktur und als teilweise Umsetzung des im Vertrag zum Masterplan Ems 2050 vereinbarten Ziels, den Standort der Meyer Werft in Papenburg zu sichern.

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