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Gänsejagd: Jäger verbreiten "Schwarze Liste" von Jagdkritikern

"Schau mir in die Augen, Kleines"

"Der Abschuss einer geschützten Gans ist so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto", zitiert die taz (Ausgabe Nord) vom 02. Dezember 2008 einen Jäger (zum Artikel bei der taz: "Ich will auch auf die Jägerliste").

Diese Brandgans (Tadorna tadorna), auch Brandente genannt, ist Opfer dieses angeblichen fast unwahrscheinlichen Todesfalls, sie flog in eine Schrotgarbe, abgefeuert von einem Jäger im Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland" an der Ems. Eilert Voß hat sie aus dem Spülsaum gesammelt und unter den Röntgenapparat gelegt. Die Punkte sind Schrotkugeln.

Und es gibt in der Tat zahlreiche dokumentierte Fehlabschüsse von Gänsen, nicht nur an der Ems. Wohl auch auch diesem Grund wurde in Niedersachsen 2008 die Jagdzeitenverordnung so geändert, dass die vorher nicht jagdbaren Gänse, wie z.B. die Bläss- und Saatgänse, nun auch bejagt werden dürfen. Die sehen auf den ersten Blick fast so aus wie Graugänse, aber nur fast. Und das mindert den Imageverlust der Jägerschaft, denn nun sind diese Gänse legales Jagdwild, Fehlabschüsse werden so elegant reduziert.

Die feinen Unterschiede beim richtigen Ansprechen der Gänse sind denn auch in Jagdkreisen nicht ausreichend bekannt. Noch immer wird in der Dämmerung in fliegende Gänsepulks geballert, auf dunkle Silhouetten. Die verschiedenen Arten werden dann verkürzt als "Wildgänse" bezeichnet, genauso wie man Äpfel, Birnen und Pflaumen "Obst" nennt. Sogar das Fachblatt "Niedersächsischer Jäger" bildete auf S. 8 seiner Ausgabe 22/2008 zwei streng geschützte Zwerggänse ab und benannte sie in der Bildunterschrift als "Blässgänse". Ganz ohne Häme: Das richtige Ansprechen von Gänsen muss gelernt sein, nur über Kimme und Korn und im Jagdeifer geht das nicht. Bei Fasanen, Hasen oder Wildschweinen ist das schon wesentlich einfacher.

Und dabei hatte noch am 12. August 2008 der Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen, der CDU-Landtagsabgeordnete Helmut Dammann-Tamke "an die Damen und Herren Hegeringleiter, Jägerschaftsvorsitzenden in der Landesjägerschaft Niedersachsen" u.a. geschrieben: "Ich bitte Sie herzlich darum, allen Jägern noch einmal in Erinnerung zu rufen, daß man fliegende Gänse nur dann mit Schrot beschießt, wenn man ihre Auge sehen kann."

Also ist das Problem in der Jägerschaft bekannt, diese Erinnerung hatten viele Jäger im Land wohl dringend nötig. An der Ems gibt es inzwischen Schicksalsgemeinschaften von verletzten und flugunfähigen Gänsen, die stets beisammen sind. Sogar nicht jagdbare arktische Nonnengänse aus Sibirien, die durch Flügelverletzungen nicht mehr in ihre Brutgebiete zurückfliegen konnten, haben deshalb notgedrungen Junge an der Ems großgezogen.

Flügelverletzte Blässgänse an der Ems, Foto: Eilert Voß

Die Änderung der Jagdzeitenverordnung missfiel vielen Gänsefreunden, darunter auch Fachleuten aus dem In- und Ausland. Werner Hupperich stellte eine Petitionsliste ins Netz, auf der mittlerweile mehr als 9000 Personen gegen die Ausweitung der Gänsejagd in Niedersachsen unterzeichnet haben, bisher erfolglos. Naturschützer aus dem Ostfriesischen gründeten eine "Gänsewacht", die in der Fläche den Jägern auf die Abzugsfinger sehen und Rechtsverstöße bei der Jagd dokumentieren will.

Das rief eine rührige Jägerin aus Norden auf den Plan. In einer eMail vom 21. November 2008 rief Sabine Steffens, "Öffentlichkeitsarbeiterin" der Jägerschaft des Altkreises Norden im Landkreis Aurich, ihre Waidgenossen zur Wachsamkeit auf:

Anbei zu Eurer Info aus der Jägerschaft Aurich!
Vorsicht ist geboten an der Gänsefront, die Front formiert sich!
Spione sitzen überall!

Aus der Petitionsliste von Werner Hupperich hatte laut Frau Steffens Warnschreiben der Jäger "Harm" ca. 80 Namen von Unterzeichnern aus Region abgekupfert, diese wurden unter den "Spionen-Brief" gesetzt, eindeutig eine missbräuchliche Datennutzung aus der Petitionsliste, umgewandelt in eine "Schwarze Liste" der Jäger. Auch Namen von Mitarbeitern des Wattenrates waren dabei.

Dieses Eigentor der grünen Lodenzunft, die sich in Niedersachsen "anerkannte Naturschützer" nennen dürfen, macht nun in der Republik die Runde, die taz (Link siehe oben) begann damit, inzwischen berichteten das Regionalfernsehen und dpa.

Frau Steffens als Urheberin der inakzeptablen Mail äußerte sich in der Presse dahingehend, dass sie sich mißverstanden fühlt und geriet selbst bei ihren Waidgenossen ob ihres Image schädigenden forschen Schreibens in die Kritik. Der Kreisjägermeister des Landkreises Aurich, Claas Janßen, setzte in der Presse noch einen drauf: Er sprach von "Stasi-Methoden". Er meinte nicht die Liste der Jäger, sondern die Gänsewächter.

 
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