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Portrait John de Boer  

Irgendwann im Jahr ruft John de Boer aus den Niederlanden an: Ich muss mit dem Schiff raus, wollt Ihr mit in See?

Und dann heiß es nicht lange überlegen. Treffpunkt ist dann Delfzijl auf der anderen Seite der Ems, und dann weiter nach Eemshaven zum Liegeplatz des staatlichen Überwachungsschiffes "Harder" des Landbauministeriums. Von einer dieser "Reisen" auf die Vogelinsel Rottumeroog westlich von Borkum hat unser Web-Master eine Fotoserie zusammengestellt, sie zeigt einige Mitglieder des Wattenrates auf einer gemeinsamen Fahrt im November 2003 (weiter unten auf dieser Seite). Dem Autoren des nachfolgenden Portraits von John de Boer, Manfred Knake, wird regelmäßig in der Emsmündung schlecht, wenn das Schiff zu rollen beginnt. Weil das nicht so fotogen ist, bleibt er auf den Bildern meistens unsichtbar.

 

Unterwegs mit John de Boer und der MS "Harder" im niederländischen Wattenmeer

von Manfred Knake

Mit den Gesetzen und Verordnungen ist das so eine Sache: Wenn die Einhaltung nicht überwacht wird, werden sie zu bedrucktem Papier ohne Wert. So ist das im Straßenverkehr und auch im Naturschutz. Besonders deutlich wird dies im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Rührige Landes- und Kommunalpolitiker wollen ihn als Werbeträger für die Tourismusindustrie als UNESCO-Weltnaturerbe anmelden, mit Naturschutz hat das nichts zu tun. Die mangelnde Aufsicht und Betreuung in diesem Großschutzgebiet durch hauptamtliche Kräfte, im Neudeutsch auch "Ranger" genannt", lässt den tatsächlichen Schutz zu Makulatur werden.

Die Behebung dieses Missstandes wird politisch völlig ignoriert. Zwar gibt es eine "Nationalparkwacht", die 240.000 Hektar Fläche mit 6 hauptamtlichen Personen auf den Inseln und 15 Zivildienstleistenden auf den Inseln und dem Festland betreuen. Die Vollzugskompetenzen sind aber eher gering: Die Personenkontrolle oder gar Erhebung von Bußgeldern bei groben Verstößen gegen das Nationalpartkgesetz sind in Niedersachsen nicht zulässig. Und die "Ranger" haben keine Boote oder motorisierte Fahrzeuge, um Verstöße schnell wirksam abstellen zu können.

Unsere niederländischen Nachbarn gehen da schon gründlicher (fast könnte man sagen: typisch deutsch) vor. Das niederländische Wattenmeer ist kein Nationalpark, dafür aber "Staatliches Naturschutzgebiet". Es unterliegt dem trilateralen Kooperationsabkommen der drei Anrainerstaaten Dänemark, Deutschland und den Niederlanden; die Mitarbeiter der drei Staaten koordinieren diese Arbeit in Wilhelmshaven im "Gemeinsamen Wattenmeersekretariat" ( Common Wadden Sea Secretariat) im selben Gebäude, in dem auch die Nationalparkverwaltung arbeitet. Das Abkommen der drei Staaten sieht eine qualifizierte Aufsicht in den jeweiligen Wattenbereichen vor, zumindest auf dem Papier.

Das Wattenmeer in den Niederlanden ist "Staatliches Naturschutzgebiet" und, ähnlich wie der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, in verschiedene Zonen aufgeteilt, bis hin zu Naturschutzgebieten, sog. Artikel 17-Gebiete, die ganzjährig nicht oder nur eingeschränkt betreten werden dürfen. Der Unterschied zum Wattenmeer-Nationalpark in Niedersachsen: Die Schutzbestimmungen werden gründlich überwacht.

Gesamtansicht der Harder Gründlich, d.h. auf den Inseln kontrollieren Mitarbeiter der staatlichen Forstverwaltung die Einhaltung der Schutzbestimmungen. Im niederländischen Wattenmeer patroullieren drei staatliche Überwachungsschiffe des Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Fischerei (NBLF): die " Phoca", die "Krukel" und die "Harder". Es sind richtige seegehende Schiffe, 20 Meter lang, stark motorisiert und mit einem Beiboot ausgerüstet. 6,6 Millionen Gulden hat das Ministerium in diese drei Schiffe investiert. Um sie unmissverständlich klar erkennen zu können, tragen sie auf dem Rumpf die weithin sichtbare Aufschrift "Natuurbeheer" (Naturschutz).

John de Boer ist der Kapitän der "Harder". Er wohnt in Delfzijl, sein Schiff liegt in Eemshaven. Sein Einsatzgebiet erstreckt sich von Schiermonnigkoog bis in den nierderländischen Teil des Dollarts. Eigentlich sollte der gebürtige Friese Bauer werden, die Landwirtschaftsschule mochte er nicht. Dann wollte er den Lehrerberuf ergreifen, wurde aber schließlich mit 15 Jahren Seemann. Mit 18 Jahren besuchte er die Seefahrtschule und schloss sie mit dem Patent "Kapitän auf großer Fahrt" ab.

Viele Jahre arbeitete er anschließend als Steuermann auf allen Weltmeeren. "Ich konnte auf See nie verstehen, warum viele schädliche Abfälle einfach über Bord geworfen wurden. Ich habe immer an die Lebewesen im Meer gedacht und mich deshalb oft mit Kameraden angelegt. So wurde der Naturschutz auf dem Meer und im Watt meine innere Angelegenheit." 1972 begann John die Arbeit beim niederländischen Wasserbauamt, 1977 wechselte er in die Abteilung Naturschutz des Niederländischen Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Fischerei und übernahm als Kapitän und Umweltpolizist "mit besonderen Aufgaben" die erste, kleinere "Harder".

Er hatte seine Traumjob gefunden. Zu seinen "besonderen Aufgaben" gehört das Monitoring, die Langzeitbeobachtung und Datenerfassung von Meeressäugern, also Delphinen und Seehunden. Brut- und Rastvögel werden erfasst, die Lage und der Zustand von Muschelbänken kartiert. Mit verschiedenen Wissenschaftlern arbeitet er eng zusammen. Auch die touristische Entwicklung und der Einfluss des Fremdenverkehrs auf die Schutzgebiete wird von ihm festgehalten. Folgerichtigt werden seine Daten dazu verwendet, das Ministerium bei Management- und Lenkungsmaßnahmen zu beraten. Das hat beispielsweise dazu geführt, dass in den Naturschutzgebieten des Wattenmeeres, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, keine Heuler mehr geborgen werden. John de Boer hält durchaus etwas davon, verlassene Seehundbabies in Aufzuchtstationen zu betreuen: "Für die Umweltbildung ist das sehr sinnvoll. Wir müssen das aber nicht mehr mit jedem Juntier machen. Das war einmal notwendig, als die Seehundpopulation dramatisch zurückgegangen war. Jetzt gibt es wieder ausreichend Seehunde im Watt, die Population hat sich trotz der Seehundsterben gut erholt; zur Arterhaltung ist das Aufpäppeln nicht mehr nötig, und das Sterben von verlassenen Junghunden gehört auch mit zur Natur".

Neben den wissenschaftlichen Monitoring-Aufgaben ist die Polizeiarbeit seine zweite Aufgabe. Muschelfischer, die an nicht zugelassenen Orten von ihm "erwischt" wurden, bezahlten schon mehrfach eine saftige Geldbuße. Oder Reusenfischer, ob als Hobby- oder Berufsfischer, müssen zunächst mit einer Verwarnung rechnen, wenn sie ihre "Fuken" ohne die in den Niederlanden vorgeschriebenen Vorsatznetze zum Schutz von Seehunden oder Vögeln betreiben. "Wenn ich wiederkomme, und die Vorsatznetze fehlen immer noch, werden die Fischer mit einer Geldbuße bestraft", sagt John ganz trocken. "Drüben in Deutschland sind diese Seehunds- und vogelmordenden Reusen ohne Vorsatznetze immer noch erlaubt, das muss ich mir dann von meinen Landsleuten anhören".

Reuse ohne Vorsatznetz in der eine Stockente ertrunken ist

Ertrunkene Stockente

Reuse mit Vorsatznetz

Reuse mit Vorsatznetz

Auch die Piloten über dem Wattenmeer, ob zivil oder miltärisch ausgebildet, sollten sich peinlichst an die Mindestflughöhen über dem Watt halten: Sie werden im Zweifelsfalle fotografiert, anhand von Winkelbrechnungen kann die Flughöhe bis auf zehn Meter genau ermittelt werden. Demnächst werden die Überwachungsschiffe mit noch genaueren Lasergeräten zur exakten Flughöhenbestimmung ausgerüstet.

Auch im Urlaub zieht es John aufs Wasser, mit seinem Segelboot ist er dann häufig im deutschen Wattenrevier zu finden. "Einmal Polizist, immer Polizist", sagt er, "im Urlaub will ich nicht in meinem heimatlichen Revier segeln, das ich sonst überwache". Oder er entspannt sich in seinem kleinen Atelier in Delfzijl mit der Malerei. Öl und Aquarell sind seine bevorzugten Techniken. Und es sind selbstverständlich Wattenmeermotive, die er malt.

Als Privatmann arbeitet er auch im ostfriesischen Wattenrat mit, von ihm kann man lernen!

Die Höhepunkte der Zusammenarbeit sind immer wieder die gemeinsamen Fahrten in See auf "seinem" Schiff, wenn er zeigt, wie der Alltag des Wattenmeerschutzes im niederländischen Wattenmeer aussieht, ganz anders als im Osten drüben in Deutschland, das da noch Entwicklungsland ist.

Bilder der Kontrollfahrt nach Rottumeroog

Anlandung an der südöstlichen Landzunge von Rottumeroog

 

Priele im Schutz einer Sanbank

 

Rottumeroog-Strand, Blick auf die Emsmündung, im Hintergrund schemenhaft Borkum im Dunst

 

Ehemaliger Steg

 

John de Boer und Mitglieder des Watten-Rats machen Pause an der Beobachtungsstation

 

Das Wahrzeichen der Insel mit Blick aufs Wattenmeer

 

Moderne Ausstattung der "Harder" incl. Autopilot, deshalb gerade 'führerloses' Steuerrad

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