Horst Stern

Foto: Markus Beck – Stern.de, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=61893649

Der Journalist Horst Stern (1922 – 2o19) wurde in den siebziger Jahren im Fernsehen einem breiten Publikum als markanter Streiter für den Naturschutz bekannt, in „Sterns Stunde“ kommentierte er Tierthemen mit dem Schwerpunkt des Verhältnisses zwischen  Mensch und Tier. Seine Beiträge, vorgetragen mit beißender Polemik und Empathie für die oft geschundenen Mitgeschöpfe, sind Fernsehgeschichte. Er schrieb auch mehrere Bücher, u. a. „Mann aus Apulien“, eine fiktive Biographie des Stauffer-Kaisers Friedrich II.. In den Neunzigern  schrieb er für die seit 2002 eingestellte Wochenzeitung „Die Woche“ Kolumnen, überwiegend zu Naturschutzthemen. Einige der Kolumnen von Horst Stern aus der „Woche“ haben wir herübergerettet, Sie finden diese ganz oben auf der Wattenrat-Seite unter „Horst Stern“. Beim Überstreichen seines Namens mit der Maus klappt ein Menü auf, in dem die Titel der Beiträge aufgeführt sind. Klicken Sie bitte zum Lesen seiner Texte einfach die Titel an.

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21. Januar 2019

Nachruf: zum Tode von Horst Stern

Foto: Markus Beck – Stern.de, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=61893649

Heute gaben die Medien den Tod des Journalisten und Schriftstellers Horst Stern bekannt, der am 17. Januar 2019 im Alter von 96 Jahren verstarb. Er lebte zuletzt bei Passau. Mit Host Stern hatte ich in den 90er Jahren einen regen Austausch zu Naturschutzthemen, gerade die Küste betreffend. Schon damals klafften die veröffentlichen Darstellungen über den Nationalpark Wattenmeer oder die Windenergie mit der Wirklichkeit weit auseinander. Stern und ich hatten Telefon- und  Faxkontakt, als er noch zurückgezogen in Irland lebte und hin und wieder in Hamburg arbeitete. Zunächst wollte er nicht so richtig ran an die Zustände in  Ostfriesland, er habe doch Fachleute aus Schleswig-Holstein zu Wattenmeerthemen, erklärte er mir auf seine knorrig-knurrige Weise. Schließlich besuchte er mich hier in Holtgast, wo jetzt das Büro das Wattenrates Ostfriesland ist, um sich selbst ein Bild zu machen. Ich konnte ihm dann auf einer Ostfriesland-Rundreise die zwar politisch hochgelobten, aber in Wirklichkeit maroden Zustände der Watten- und Marschenlandschaft vor Augen führen:

Windkraftwälder in ehemaligen Rastgebieten von Watvögeln und Gänsen, die ohne die vorgeschriebenen Verträglichkeitsprüfungen emporgewachsen waren, touristisch übernutzte ehemalige Salzwiesen des Watts, vermeidbare Eingriffe des Küstenschutzes in die strengsten Schutzzonen des Nationalparks und eine unglaubliche agressive Nutzerlobby gegen das Großschutzgebiet Nationalpark Wattenmeer waren die Gesprächs- und Anschauungsthemen. Stern war damals schlicht entsetzt. Er griff einige dieser Eindrücke auf und veröffentlichte sie in Kolumnen der damaligen Wochenzeitschrift „Die Woche“, herausgegeben von Manfred Bissinger. Einige seiner Beiträge aus der Zeit sind auf der Wattenratseite abrufbar (ganz oben auf der Startseite unter dem Reiter „Horst Stern“). Stern hat über Jahre mit seinen Fernsehbeiträgen und Büchern eine ganze Generation von Naturschützern geprägt, unabhängig, offensiv, polarisierend, und nicht lau oder konfliktvermeidend nach Beifall heischend. Den vielen heutigen Naturschutzverbänden würden Mitstreiter mit dem nur annähernd ähnlichen Format eines Horst Stern inhaltlich guttun.

Manfred Knake

Die Europäische Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE) hat einen Nachruf verfasst, den wir hier mit freundlicher Genehmigung veröffentlichen:

Zum Tode von Horst Stern (1922-2019) – Januar 2019Horst Stern hat seine Wirkung eher gering veranschlagt. Über sich selbst sagte der mit Ehrungen und Preisen ausgezeichnete Journalist, er habe den Menschen den Charakter ihrer Gesellschaft vorhalten wollen, aber man habe ihn unterm Strich für einen Tierfilmer gehalten. Zum Ende der 1990er Jahre zog sich Stern vollends aus der Öffentlichkeit zurück. Sein Platz ist unbesetzt geblieben. Am 17. Januar 2019 ist Horst Stern gestorben.

Im öffentlichen Bewusstsein blieb vor allem „Sterns Stunde“. In bis 1979 ausgestrahlten 26 Folgen konfrontierte Stern eine materiell orientierte Wohlstandsgesellschaft auf eine neuartige und unsentimentale Weise mit des Menschen Verhältnis zu Tier und Natur. So am Heiligen Abend 1971 mit den „Bemerkungen über den Rothirsch“, welche die Jagdlobby als ungeheuren Tabubruch empfand und eine hitzige forstpolitische Debatte auslösten. Stern führte vor, was ein aus ökologischem Unverstand und des Trophäenkults wegen gehätschelter Wildbestand aus dem deutschen Wald gemacht hatte. Alles dies – heute unvorstellbar – zur besten Sendezeit. Das Magazin „Der Spiegel“ lag damals richtig: „Nach der Heiligabend-Sendung wird Stern wohl auch mit den deutschen Jägern Streit bekommen.“

Stern schuf nicht nur ein neues Fernsehgenre. 1974 folgte die Zeitschrift „Nationalpark“, 1980 das Magazin „Natur“, dessen Herausgeber und Chefredakteur Stern bis 1984 war. Es hob den Naturschutz im Blätterwald erstmals auf dieselbe Höhe wie andere Magazine den Sport oder das Auto. Dass sich für den Naturschutz, wenn man es recht anstellte, eine breite Öffentlichkeit interessieren ließ, hatte Stern schon mit drei Buchbestsellern gezeigt: „Rettet die Vögel“ (1978), „Rettet den Wald“ (1979) und „Rettet die Wildtiere“ (1980). Aus der Vielzahl seiner Beiträge sei hier nur erinnert an „Stern für Leser“ (1973), „Mut zum Widerspruch“ (1974), „Das Horst-Stern-Lesebuch“ (1992) oder „Das Gewicht einer Feder“ (1997). 1972 gehörte Horst Stern zu den Gründern der „Gruppe Ökologie“, die sich als Protestbewegung gegen das mangelnde ökologische Bewusstsein der Industriegesellschaft verstand. 1975 war Stern Mitbegründer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND). Überdies gibt es den Schriftsteller Stern, der mit Werken wie „Mann aus Apulien“ (1986), „Jagdnovelle“ (1989) und „Klint“ (1993) Natur, Naturwissenschaft und Naturschutz auch literarisch verband. Noch zum Ende der 1990er Jahre griff Stern als Kolumnist der Wochenzeitungen „Die Woche“ und „Die Zeit“ Missstände an, so etwa in deutschen Nationalparks, die ob ihres unzureichenden Schutzes wegen das Etikett nicht unbedingt verdienen, das ihnen die Länderregierungen angehängt haben.

Stern stand mit Beginn der 1970er Jahre wie kaum ein anderer für den Naturschutz in Deutschland. Stern war eine Orientierungsgestalt für eine ganze Naturschützer-Generation. Er verschaffte dem Naturschutz eine bis dahin ungekannte und nicht wiedererlangte Aufmerksamkeit. Seit Stern hat niemand mehr die Zerstörung der Landschaft und das Elend der Tiere so öffentlich wirksam angeklagt. Seine Kritik galt nicht allein der bloßen Ahnungslosigkeit, sondern zielte auf die hemmungslose Profitgier und damit einen Eckpfeiler der Gesellschaft, die den Preis von allem und den Wert von nichts kennt – noch bevor das Motiv für die Ausbeutung der Tiere und der Natur mit dem Schlagwort der Globalisierung verschleiert war. Sterns Kritik der Zustände ist aktueller denn je. Mit Sterns Wirken definierte der Naturschutz seinen Anspruch als ein alle Politik- und Wirtschaftsbereiche durchdringendes Handlungs- und Gestaltungsprinzip, vollzog sich die Professionalisierung des Naturschutzes in Verwaltung und Verbänden und nicht zuletzt die gesetzliche Absicherung seiner Ziele und Aufgaben. Seitdem haben sich die Mitgliederzahlen der Naturschutzorganisationen vervielfacht, ebenso die mediale Präsenz des Naturschutzes, die ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel und etablierte sich eine zwar von der Politik vielfach blockierte, aber an sich professionelle Naturschutzverwaltung.

Trotz dieser Errungenschaften ist die Bilanz des Naturschutzes in Deutschland dramatisch negativ. Gegenüber der inneren Ursache der Misere – einer von bloßer Gier und verantwortungsloser Freiheit getriebenen Ökonomisierung aller Lebensbereiche zu Lasten des Lebens überhaupt – ist der Naturschutz weithin kritik- und sprachlos geblieben. Es fehlt in den Organisationen des Naturschutzes an analytischer, konzeptioneller und strategischer Kompetenz, an der Fähigkeit und Bereitschaft zum Konflikt, an Unabhängigkeit und moralischem Format, am wenigsten vielleicht an Personen, aber an Persönlichkeiten.

Link:

DIE STERN-KOLUMNE – Die Woche, 25. Oktober 1998
Naturschutz-friesisch herb – Wenn Liebe zur Natur in Haß auf Naturschützer umschlägt: Der Aufstand der Krabbenfischer und Gastwirte gegen den Nationalpark Wattenmeer