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Herzmuschelfischerei im Wattenmeer: Urteil des Europäischen Gerichtshofes gegen die Niederlande  

Pressemitteilung   11. September  2004   Nr. 10/2004

Der Wattenrat Ost-Friesland weist auf ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Herzmuschelfischerei im Wattenmeer hin. Die niederländische Wattenvereinigung "Landelijke Vereniging tot Behoud van de Waddenzee" und die Vogelschutzvereinigung "Nederlandse Vereniging tot Bescherming van Vogels" hatten gegen das Niederländische Landbauministerium und eine Muschelfischervereingung eine Klage gegen die mechanische Herzmuschelfischerei im Wattenmeer eingereicht.

Die 5. Kammer des Europäischen Gerichtshofes urteilte am 07. September 2004 (Rechtssache C-127/02), dass die Erteilung von Fanglizenzen an vorher durchzuführende Verträglichkeitsprüfungen gebunden sei. Es sei vor Erteilung der Fanglizenzen eine Verträglichkeitsprüfung "unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse" auf die Auswirkungen und den Erhaltungszustand des Wattenmeeres durchzuführen; die Genehmigung sei dann zu versagen, wenn keine nachteiligen Auswirkungen auf das Gebiet zu erwarten seien. Bekannt sei aber, so der Wattenrat, dass sowohl die Herz- als auch die Miesmuschelfischerei zu erheblichen Beeinträchtigungen des Ökosystems Wattenmeer führten, weil die Sedimentschichten und die Wiederbesiedelung nachhaltig gestört würden. Zudem würde die Nahrungsgrundlagen von bestimmten Vogelarten beeinträchtigt. Der Wattenrat erwartet daher auch für das benachbarte Deutschland weit reichende Konsequenzen für die Muschelfischerei in den Wattenmeernationalparken durch das EuGH-Urteil.

Überlegungen der niedersächsischen Landesregierung, die seit Jahren verbotene Herzmuschelfischerei für vier Muschelfischereibetriebe wieder einzuführen, würden durch dieses Urteil an der Verträglichkeitsprüfung scheitern. Auch die Auswirkungen der Miesmuschelfischerei mit den erheblichen Schäden an Wildmuschelbänken im Nationalpark niedersächsisches Wattenmeer gehörten jetzt auf den Prüfstand, so der Wattenrat. Weitermachen wie bisher sei nicht mehr zulässig.

Der volle Wortlaut des Urteils liegt als .pdf Datei vor und kann hier abgerufen werden. Nachfolgend die Zusammenfassung des EuGH-Urteils.

Rechtssache C-127/02 EuGH, 5. Kammer

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1. Die mechanische Herzmuschelfischerei, die seit vielen Jahren ausgeübt wird, für die jedoch jedes Jahr eine Lizenz für einen begrenzten Zeitraum erteilt wird, wobei jedes Mal aufs Neue beurteilt wird, ob und, wenn ja, in welchem Gebiet diese Tätigkeit ausgeübt werden darf, fällt unter den Begriff "Plan" oder "Projekt" im Sinne von Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen. 2. Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie 92/43 führt ein Verfahren ein, das mit Hilfe einer vorherigen Prüfung gewährleisten soll, dass Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des betreffenden Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die dieses jedoch erheblich beeinträchtigen könnten, nur genehmigt werden, soweit sie dieses Gebiet als solches nicht beeinträchtigen. Dagegen legt Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie 92/43 eine allgemeine Schutzpflicht fest, die darin besteht, Verschlechterungen und Störungen zu vermeiden, die sich im Hinblick auf die Ziele der Richtlinie erheblich auswirken könnten; er kann nicht gleichzeitig mit Artikel 6 Absatz 3 angewandt werden. 3a. Artikel 6 Absatz 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 ist so auszulegen, dass Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, einer Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen zu unterziehen sind, wenn sich nicht anhand objektiver Umstände ausschließen lässt, dass sie dieses Gebiet einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten.

3b. Nach Artikel 6 Absatz 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 steht dann fest, dass Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, dieses Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten, wenn sie drohen, die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungsziele zu gefährden. Die Beurteilung dieser Gefahr ist namentlich im Licht der besonderen Merkmale und Umweltbedingungen des von solchen Plänen oder Projekten betroffenen Gebietes vorzunehmen.

4. Nach Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie 92/43 bedeutet eine Prüfung der Pläne und Projekte auf Verträglichkeit für das betreffende Gebiet, dass vor deren Genehmigung unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse sämtliche Gesichtspunkte der Pläne oder Projekte zu ermitteln sind, die für sich oder in Verbindung mit anderen Plänen oder Projekten die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungsziele beeinträchtigen können. Die zuständigen Behörden dürfen unter Berücksichtigung der Prüfung der mechanischen Herzmuschelfischerei auf Verträglichkeit mit den für das betreffende Gebiet festgelegten Erhaltungszielen diese Tätigkeit nur dann genehmigen, wenn sie Gewissheit darüber erlangt haben, dass sie sich nicht nachteilig auf dieses Gebiet als solches auswirkt. Dies ist dann der Fall, wenn aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass es keine solchen Auswirkungen gibt. 5. Ein nationales Gericht kann bei der Untersuchung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung eines Planes oder eines Projektes im Sinne von Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie 92/43 prüfen, ob die durch diese Bestimmung gezogenen Grenzen für den Ermessensspielraum der zuständigen nationalen Behörden eingehalten worden sind, auch wenn diese Richtlinie trotz Ablaufs der hierfür gesetzten Frist nicht in das nationale Recht des betreffenden Mitgliedstaats umgesetzt worden ist.

Unterschriften.

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