Horst Stern

Kolumnen

Wattenrat - Sonderseiten

Startseite > Sonderseiten > Horst Stern

Herzlichen Glückwunsch: Horst Stern wurde im Oktober 2007
85 Jahre alt

Bereits vor fünf Jahren gratulierten wir Horst Stern an dieser Stelle zum Achtzigsten (siehe weiter unten). Obwohl er sich völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, ist sein Wirken für den Naturschutz unvergessen. Bei der Formulierung einer Würdigung stieß ich auf die Web-Seite der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e.V.. Die waren schneller und hatten bereits einen Geburtstagsgruß für ihn formuliert, den ich nachfolgend mit deren freundlicher Genehmigung übernommen habe. Alles Gute für Horst Stern im bayerischen Passau!

Manfred Knake

Dr. h. c. Horst Stern zum 85. Geburtstag - Oktober 2007

So geschichtsvergessen der Naturschutz sein mag, eine seiner profiliertesten Gestalten ist bekannt und angesehen: Horst Stern. Stern kam vor 60 Jahren als Gerichtsreporter der Stuttgarter Nachrichten zum Journalismus, verfasste in den 1960er Jahren Manuskripte zu Tiersendungen für den Schulfunk, schrieb seit den 1970er Jahren Naturschutz- und Fernsehgeschichte. Im öffentlichen Bewusstsein blieb vor allem "Sterns Stunde". In bis 1979 ausgestrahlten 26 Folgen konfrontierte Stern eine materiell orientierte Wohlstandsgesellschaft auf eine neuartige und unsentimentale Weise mit des Menschen Verhältnis zu Tier und Natur. So am Heiligen Abend 1971 etwa mit den "Bemerkungen über den Rothirsch", welche die Jagdlobby als ungeheuren Tabubruch empfand und eine hitzige forstpolitische Debatte auslösten. Stern führte vor, was ein aus ökologischem Unverstand und des Trophäenkults wegen gehätschelter Wildbestand aus dem deutschen Wald gemacht hatte. Alles dies - heute unvorstellbar - zur besten Sendezeit. Der Bildschirm war weniger flach, der Bildungsanspruch öffentlich-rechtlicher Sender (andere gab es nicht) größer und die Programmverantwortlichen von anderem Format.

Während sich zur selben Zeit Bernhard Grzimek und Heinz Sielmann als Tierfilmer auf ihre Weise mit unterhaltsam schönen Bildern aus entlegenen Teilen der Erde an sich derselben Sache verpflichtet fühlten, ging es Stern um die Aufdeckung der ungeschönten Wirklichkeit hierzulande. Sein Konzept brach mit den paradiesischen Aufnahmen aus der Tierwelt der Kollegen. Sterns Stärken: die scharfe Recherche, die unbestechliche gesellschaftskritische Analyse, die präzise, pointierte Sprache und der provokative, politisierende, bisweilen polemische Stil.

Stern schuf aber nicht nur ein neues Fernsehgenre. 1980 folgte das Magazin "Natur", dessen Herausgeber und Chefredakteur er bis 1984 war. Es hob den Naturschutz im Blätterwald erstmals auf dieselbe Höhe wie andere Magazine den Sport oder das Auto. Dass sich für gedruckte Naturschutzinformation, wenn man es recht anstellte, eine breite Öffentlichkeit interessieren ließ, hatte Stern schon mit drei Buchbestsellern gezeigt: "Rettet die Vögel" (1978), "Rettet den Wald" (1979) und "Rettet die Wildtiere" (1980). Stern schrieb eine Vielzahl bemerkenswerter Beiträge und Aufsätze. Erinnert sei hier nur an "Stern für Leser" (1973), "Mut zum Widerspruch" (1974), "Das Horst-Stern-Lesebuch" (1992) oder "Das Gewicht einer Feder" (1997). 1972 gehörte Horst Stern (zusammen mit Konrad Lorenz, Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Bernhard Grzimek und Heinz Sielmann) zu den Gründern der "Gruppe Ökologie", die sich als Protestbewegung gegen das mangelnde ökologische Bewusstsein der Industriegesellschaft verstand. Die Errichtung deutscher Nationalparks geht wesentlich auf Stern zurück. 1975 war Stern einer der Gründer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND). Überdies gibt es den Schriftsteller Stern, der mit Werken wie "Mann aus Apulien" (1989), "Jagdnovelle" (1989) und "Klint" (1993) Natur, Naturwissenschaft und Naturschutz auch auf literarischem Terrain verbunden ist.

Noch zum Ende der 90er Jahre griff Stern als Kolumnist der Wochenzeitungen "Die Woche" und "Die Zeit" Missstände an, so etwa in deutschen Nationalparks, die ob ihres unzureichenden Schutzes wegen das Etikett nicht verdienen, das ihnen die Länderregierungen angehängt haben. In dieser Zeit galten einige Kolumnen den Kernthemen der EGE. Zwei dieser Kolumnen veröffentlichen wir an dieser Stelle.

Seit Stern hat niemand mehr die Vermarktung der Landschaft und das Elend der Tiere so öffentlich wirksam angeklagt. Sterns Schlussfolgerungen ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Sie waren für jeden Politiker, Unternehmer und Konsumenten gleichermaßen unbequem. Seine Kritik galt nicht allein der bloßen Ahnungslosigkeit und Unwissenheit, sondern zielte auf die hemmungslose Profitgier und damit einen Eckpfeiler der kapitalistischen Gesellschaft - noch bevor das Motiv für die Ausbeutung des Tieres und der Natur mit dem Schlagwort der Globalisierung verschleiert war. Sterns Kritik der Zustände ist aktueller denn je, denn die Welt verheerende Vergötzung des Marktes nimmt immer monströsere Ausmaße an. Der Frage, was wichtiger sei "Wollgras oder Textilfabrik", verweigerte Stern die Antwort wegen der Unmenschlichkeit der Frage. Der Naturschutz von heute hingegen legitimiert das Eintreten für die Biosphäre vor allem, wenn nicht einzig, ihres ökonomischen Nutzens wegen. Die Ökonomisierung aller Lebensbereiche hat den Naturschutz längst selbst erreicht. Besser geworden ist die Welt darüber nicht.

Horst Stern hat sich seit einigen Jahren zurückgezogen, erst nach Irland, dann in Deutschland. Die Mitgliederzahlen der Naturschutzorganisationen, die ihnen zur Verfügung stehenden materiellen Mittel, ihre personelle Ausstattung und mediale Präsenz haben sich in den letzten 30 Jahren vervielfacht. Hinzugekommen sind Mitwirkungs- und Klagerechte und wohl auch Kompetenz. Zeitgleich etablierte sich von der nationalen bis zur lokalen Ebene eine zwar von der Politik kontrollierte und vielfach blockierte, aber an sich professionelle Naturschutzverwaltung. Stern hat an dieser Entwicklung mehr Anteil als er glaubt. Die Rückschau auf Sterns Schaffen als Journalist, Buchautor, Herausgeber und Schriftsteller zeigt, wie sehr es dem Naturschutz im Inneren an einer Identifikations- und Integrationsfigur und nach außen hin an einer Persönlichkeit, einem Gesicht und einer Stimme fehlt. Zu sehr sind die Naturschutzorganisationen mit dem Wunsch nach Beliebtheit in die Beliebigkeit abgeglitten, vom Zeitgeist vereinnahmt, in jeder Hinsicht verflacht, immer weniger konfliktbereit und noch weniger konfliktfähig, um an Stern anknüpfen zu können. Diese Organisationen haben viel von der Rolle eingebüßt, mit der sie einst dem Naturschutz Bahn brachen. Sie finden sich zumeist nur mehr im Schlepptau staatlicher Umweltpolitik - überdies, ohne es zu bemerken oder darüber bekümmert zu sein. Statt eines Sterns zeigen sich an einem verdunkelten Himmel eher Irrlichter. Auch das ist Preis für eine Gesellschaft, die den Preis von allem und den Wert von nichts kennt.

Horst Stern wird im Oktober 2002 achtzig Jahre alt!

Herzlichen Glückwunsch!

Die älteren von uns, denen der Naturschutz ein echtes, auch politisches, Anliegen war und ist, werden sich noch dankbar an seine streitbaren Fernsehsendungen und Veröffentlichungen vor mehr als fünfundzwanzig Jahren erinnern, die ihn zu einer Leitperson der damaligen "Ökologiebewegung" machten, die heute absolut tot im öffentlichen Bewusstsein ist.

Auch noch nach seiner "Flucht" in die Einsamkeit der Republik Irland schrieb Horst Stern weiter: für die Wochenzeitungen "Die Zeit" und die inzwischen eingestellte "Die Woche". In der "Woche" glänzte Stern seit 1995 mit "Sterns Kolumne", in denen er, scharfzüngig wie immer, aktuelle Themen aus Politik und Naturschutz aufgriff. Da sich in Ostfriesland ständig die Dinge der Ökonomie und Ökologie hart im Raume stoßen, in ihrer Härte aber fast nie von den Lokalzeitung aus welchen Rücksichten auch immer wiedergegeben wurden und werden; aber immer (vielleicht deswegen) zu Lasten der Ökologie ausgehen, nahm ich bereits 1995 Kontakt zu Horst Stern auf, der mich dann schließlich auf einer Deutschlandreise im Koordinationssbüro in Holtgast besuchte.

Ich konnte ihm dann auf einer Ostfriesland-Rundreise die zwar politisch hochgelobten, aber in Wirklichkeit absolut maroden Zustände der Watten- und Marschenlandschaft vor Augen führen: Windkraft-Propellerwälder in ehemaligen Rastgebieten von hochgradig bedrohten Watvogelarten ohne vorgeschriebene Verträglichkeitsprüfungen, touristisch übernutzte ehemalige Salzwiesenbereiche des Watts, vermeidbare Eingriffe des Küstenschutzes in die strengsten Schutzzonen des Nationalparks und eine unglaubliche agressive Nutzerlobby gegen das Schutzgebiet Nationalpark Wattenmeer.

Stern war damals schlicht entsetzt.

Die Zusammenarbeit mit ihm gipfelte in einigen Kolumnen für die Woche, die hier auf der Wattenrat-Webseite mit seiner freundlichen Genehmigung wiedergegeben werden. Ich wünsche ihm weiter Gesundheit und den stets klaren Blick an seinem neuen Wohnort in Bayern.

Manfred Knake

Als Buch sei von ihm empfohlen:

Das Gewicht einer Feder
-Reden, Polemiken, Filme, Essays- (Ludwig Fischer, Hrsg.), btb-Taschenbücher im Goldmann-Verlag, 1997

 
Zum Seitenanfang