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Offshore-Windkraftstandort "Butendiek" / SH  

Ungereimtheiten beim Genehmigungsverfahren

Eigentlich ein "out-of-area"- Bericht, da sich das Verfahren in Schleswig-Holstein vor Sylt abspielt, aber in seiner Symptomatik beispielhaft ist.

Das Bemerkenswerte an diesem Genehmigungsverfahren, das sogar die Bundestagsabgeordnete der Bündnisgrünen, Ulrike Kurth verärgert.

Die Bio-Consult SH und die Gesellschaft für Freilandökologie und Naturschutzplanung in Kiel traten, bezahlt von der Offshore-Bürger-Windpark-Butendiek GmbH & Co. KG, als Gutachter für die Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) und die Verträglichkeitsprüfung für potenzielle EU-Natura-2000-Gebiete auf. Die Zusammenfassung vom Juni 2002
( www.butendiek.de/umwelt/Zusammenfassung.pdf ) geht in einer Stufung
(Stufe 3: "mittlere Beeinträchtigung bzw. mittleres Beeinträchtigungsrisiko") für ein mittleres Beeinträchtigungsrisiko für überwinternde Seetaucher aus.
Unter Punkt 7. "Zusammenfassende Bewertung der Verträglichkeit mit den Zielen von NATURA 2000" wird ausgeführt, dass das Vorhaben zu Störungen und Beeinträchtigungen von Anhang II FFH-RL und Anhang I (!!) EU-Vogelschutzrichtlinie kommt. Diese Beeinträchtigungen werden allerdings als "nicht erheblich" eingestuft!

Dazu ist anzumerken:

  • Die in der Zusammenfassung vorgenommen Einstufungen sind willkürlich und fragwürdig. Seetaucher reagieren mit sehr großen Fluchtdistanzen von mehr als einem Kilometer auf Störungen.

  • Der Eingriff findet in einem faktischen EU-Vogelschutzgebiet statt.

  • Die vom Autoren Nehls geäußerte Erheblichkeitsschwelle in einem EU-Vogelschutzgebiet oder FFH-Gebiet gibt es nicht, zumal der Art. 6 der FFH-Richtlinie nur für solche Projekte und Planungen Ausgleichsmaßnahmen vorsieht, wenn ein "überwiegendes öffentliches Interesse sozialer oder wirtschaftlicher Art" vorliegt und "Alternativlösungen" nicht vorhanden sind. Das "übergeordnete Interesse" wird beim Vorhandensein prioritärer Arten oder prioritärer Flächen nur zugunsten der Gesundheit des Menschen oder der öffentlichen Sicherheit definiert. Allein ein Blick in die Richtlinie würde bei der Rechtsfindung sehr hilfreich sein.

  • Und nun kommts: Herr Nehls ist auch der stellvertretende Vorsitzende des Naturschutzverbandes NABU-SH, der erhebliche Kritik an dem Vorhaben anmeldet. Welch ein tragischer Konflikt!

  • Greenpeace hat wohl immer noch nicht verstanden, dass es rechtsverbindliche EU-Richtlinien gibt. Aber das ist den Mitgliedern, die röhrende Schlauchboote erwarten, wohl auch nicht zu vermitteln.

  • Die Bundestagsabgeordnete Undine Kurth (Bündnis 90/Die Grünen), sonst durchaus der Windenergienutzung nicht abgeneigt, wirft Umweltminister Trittin im Zusammenhang mit "Butendiek" in einem taz-Interview ein "Foul im Strafraum" vor.

Ökos uneins

Nabu und BUND kritisieren Genehmigung für Bürgerwindpark, Greenpeace begrüßt sie

Der BUND und der Nabu in Schleswig-Holstein sehen in der Genehmigung des Bürgerwindparks Butendiek rund 30 Kilometer vor Sylt eine schwere Niederlage für den Naturschutz. Greenpeace dagegen begrüßt die Genehmigung, die das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) am 18. Dezember erteilte (taz berichtete).

Nabu und BUND weisen darauf hin, dass der geplante Windpark in einer "Important Bird Area" (IBA) und damit faktisch in einem EU-Schutzgebiet errichtet werden solle. Deshalb widerspreche die Genehmigung dem europäischen Naturschutzrecht. "Das IBA stellt einen der wichtigsten europäischen Winterlebensräume der bedrohten Seetaucher dar", argumentieren sie. Der Windpark sei "ein Störfaktor". Überdies monieren sie, dass bei der Genehmigung das Stromkabel zum Festland ausgeklammert wurde, das durch den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer führen soll.

Greenpeace argumentiert, dass der Windpark im IBA bei einer Abwägung zwischen dem Vogelschutz und dem Interesse am Atomausstieg vertretbar sei. Die Organisation verlangte vom Stromkonzern eon, dem das Leitungsnetz an Land gehört, seine Blockade aufzugeben und ausreichende Netzkapazitäten für den Windstrom zur Verfügung zu stellen.

taz Hamburg Nr. 6936 vom 21.12.2002, Seite 26.


"Trittin hat im Strafraum gefoult"

taz, 23.12.2002

Undine Kurth, naturschutzpolitische Sprecherin der bündnisgrünen Regierungsfraktion, kritisiert die Genehmigung des zweiten deutschen Offshore-Windparks in der Nordsee. Sie fordert den Bundesumweltminister auf, die Entscheidung zurückzunehmen

Interview NICK REIMER

taz: Frau Kurth, in der letzten Woche wurde mit dem Windpark Butendiek ein zweites Offshore-Gebiet in der Nordsee ausgewiesen. Die Genehmigungsbehörde - das Bundesamt für Schifffahrt und Hydrographie - feiert den Bescheid als Pionierleistung. Sie attackieren diese Leistung scharf. Warum?

Undine Kurth: Es ist erklärtes Ziel der Grünen, den Anteil der Windenergie am Stromverbrauch innerhalb der nächsten Jahrzehnte auf mindestens ein Viertel auszubauen. Das geht aber nur, wenn es für die Offshore-Projekte eine hohe Akzeptanz gibt. Die fehlt in diesem Fall: Vogel- und Naturschützer kritisieren, dass das Bundesamt die jüngsten wissenschaftlichen Untersuchungen zum Tierschutz bei seiner Genehmigung nicht berücksichtigt hat. Pionierleistung müssen sich immer gegen den bestehenden Skeptizismus durchsetzen. Darum geht es hier nicht. Eben weil die Errichtung von Windparks außerhalb der 12-Seemeilen-Zone technologisches Neuland ist, gibt es einen immensen Forschungsbedarf. Das genehmigte Feld liegt nach Angaben des Naturschutzbundes teilweise in einem Vogelschutzgebiet und Schweinswallebensraum. Jüngste Untersuchungen haben ergeben, dass die im Butendiek geplanten 80 Windräder sehr wohl eine Gefahr für den Vogelzug bedeutet. Auch Störungen in der Kinderstube der Schweinswale sind abzusehen. Hier werden von Mai bis September die Kälber groß gezogen. Werden da etwa Rammarbeiten beim Bau der Windräder in 20 Metern Tiefe durchgeführt, stört das die Kommunikation der Tiere.

taz: Das sieht der oberste deutsche Naturschützer aber anders. Bundesnaturschutzminister Jürgen Trittin erklärte zur Genehmigung: "Den Naturschutzinteressen wird durch die erteilten Auflagen Rechnung getragen."

Undine Kurth: Ich vermute, dass Jürgen Trittin die jüngsten Untersuchungen des Bundesamtes für Naturschutz noch nicht kannte. Die kommen zu einem anderen Schluss. Und so lange diese nicht berücksichtigt sind, wird es Widerstand gegen die Forcierung der Offshore-Projekte geben. So kündigten etwa Nabu und BUND Widerspruchsverfahren an. Es ist also eher wie beim Straßenbau als bei der Realisierung einer urgrünen Vision: Obwohl die Umweltschützer eigentlich dafür sein sollten, müssen sie auf gravierende Mängel hinweisen und dagegen mobilisieren. Dabei müsste man gerade bei Jürgen Trittin einen kurzen Draht zu den Naturschutzverbänden vermuten. Hat der Bundesumweltminister ein Eigentor geschossen? Ich würde es so formulieren: Trittin hat im Strafraum gefoult. Ob das zum Eigentor wird, erweist sich erst noch. Schließlich gibt es immer Wege, Fehlentscheidungen zu korrigieren.

taz: Angenommen, er tut das nicht. Was dann?

Undine Kurth: Bekanntermaßen ist Jürgen Trittin einer der stärksten Streiter für die Energiewende. Auch er weiß, dass der Offshore-Ausbau nur naturverträglich machbar ist. Alles andere wäre ein Rückschlag für die Energiewende.

taz: Das Besondere am Projekt Butendiek ist, dass es sich um einen so genannten Bürger-Windpark handelt - Menschen, die eine Energiewende wollen und ihr Geld dafür aufwenden. Machen sich diese Bauherren im Sinne des Naturschutzes moralisch strafbar, wenn sie aufgrund der jetzt erteilten Genehmigung bauen?

Soweit sind wir noch nicht. Ich rechne fest damit, dass es ein Umdenken gibt. Erstens gibt es genügend Alternativen in der Nordsee. Zweitens schaffen wir die Energiewende nur mit den Naturschützern, nicht gegen sie.

taz Nr. 6937 vom 23.12.2002, Seite 9, (Interview), NICK REIMER

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