Wattenrat

Ost-Friesland

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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 209 (März 2007)

Erich Bolinius (FDP) und der Umgang mit der freien Meinungsäußerung

Klaus Rettig (Beiträge zur Fauna und Flora Ostfrieslands) soll schweigen und zahlen
Kostenpflichtige Abmahnung durch Anwaltskanzlei Wilms und van den Hövel

Wie es begann: Klaus Rettig druckt in seinem 270. Bericht einen Brief von Erich Bolinius vom 28.12.2006 an ihn ab, mit Briefkopf der FDP-Fraktion im Rat der Stadt Emden:

"[...] vielen Dank für die Übersendung des 268. Berichts. Leider haben Sie auch in diesem Bericht wieder Briefe von den Herren Feder und Knake veröffentlicht, in denen Personen diskreditiert werden. Ich meine, Sie sollten Ihre Berichte wieder so gestalten, wie Sie das anfangs gemacht haben. Den Herren Herren Knake, Voss und Feder eine derartige Plattform - anderweitig finden sie (außer im Internet) mit ihren teilweise bösartigen Angriffen so gut wie kein Gehör mehr - zu bieten. [...] Als Kostenbeitrag lege ich Briefmarken diesem Schreiben bei." [handschriftliche Anmerkung Rettig: "Fehlanzeige, aber sicherlich nur versehentlich"]

Ein Kommentar von Manfred Knake

Erich Bolinius ist Rentner und Politiker, ein liberaler Politiker, wie man aus seinem Parteienkürzel FDP entnehmen kann. Er sitzt im Rat der Stadt Emden der FDP vor.

Liberal heißt ja auch irgendwie freiheitlich, sollte man annehmen. Herr Bolinius schreibt viel und gerne: plattdeutsche Döntjes und politische Briefe, zu toten Ästen an lebenden Bäumen, zu Toilettenhäuschen, zu Bahnschranken und eben allem, was so in einer Stadt von Interesse ist.

Und er schreibt auch zum Naturschutz, besser gesagt zum Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland", in dem er gerne ganzjährig spazieren gehen und das seinen Wählern, oder die er dafür hält, auch gönnen möchte. Dabei hat er eine ganz eigene Sichtweise von wildlebenden Vögeln entwickelt, für die das Gebiet eigentlich eingerichtet wurde. Die ließen sich von Menschen gar nicht stören, sagt jedenfalls Erich Bolinius. Sein Parteispezi Hans-Heinrich Sander, der derzeit als Umweltminister im Lande umgeht, meint das auch, kam und spendierte sogar ein Faß Bier, als ein ohne Genehmigungsverfahren gebauter Betonweg im Naturschutzgebiet für den Besucherverkehr freigegeben wurde. Regelmäßige Leser dieser Webseite wissen, worum es geht.

Herrn Bolinius politische motivierte Begehrlichkeiten und der Umgang mit geschützten Landschaftsteilen provozierten Widerspruch, nicht nur beim Wattenrat. In Emden wohnt auch der rührige Klaus Rettig, der regelmäßig in seinen Heften "Beiträge zur Flora und Fauna Ostfrieslands" zu aktuellen Naturschutzthemen in der Region Stellung nimmt, Vogel- und Insekten erfasst und beschreibt, Briefe an ihn abdruckt und aus Zeitungen zitiert. Für seine Arbeit bekam er sogar einmal einen hochdotierten Umweltpreis in der Frankfurter Paulskirche überreicht. So berichtete Klaus Rettig auch häufig über Herrn Bolinius Sichtweise, die dieser in Zeitungen zum Naturschutz im Allgemeinen und zum Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland" zum Besten gab. Und das muss den liberalen Herrn Bolinius, der ja auch oft zu Gast auf der Wattenrat-Webseite ist, irgendwie gewurmt haben, obwohl er immer zu Wort kam.

Im März 2007 bekam Klaus Rettig wieder einmal Post, nicht von Herrn Bolinius, sondern von seinem Anwalt in der Anwaltskanzlei Wilms & van den Hövel in Emden. Das müssen ganz Internationale sein, heißt doch ihre Web-Seite www.wilms-attorneys.de. Und die machten im Namen vom liberalen Herrn Bolinius Druck, oder Wind, wie man´s nimmt. Sie seien von ihrem Mandaten Bolinius mit "der Wahrung und Schutz seines Persönlichkeitsrechts beauftragt" worden, so die Kanzlei, "Werturteile unterliegen der Meinungsfreiheit. Tatsachenbehauptungen, welche unrichtig sind, jedoch nicht", heißt es weiter. So weit, so richtig.

Nun kam aber das dicke Ende: "Unter anderem wird unser Mandant auf Seite 10 des 270. Berichts als ‘Mob’ tituliert. Dies ist eine die Ehre herabwürdigende Bezeichnung. Im 271. Bericht wird unser Mandant als ‘Rechtsbeuger’ durch den Leserbriefschreiber Jürgen Feder bezeichnet. Unstrittig handelt es sich dabei nicht um eine Wertung, sondern um eine unwahre Tatsachenbehauptung. Diese begründet eine strafrechtliche Verantwortlichkeit Ihrer Person". Großzügig, wie man so ist, "sieht unser Mandant jedoch von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und der Heranziehung zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit ab. Zur Vermeidung eines Rechtsstreits fügen wir die anliegende Erklärung bei, die Sie bitte unterzeichnet an uns zurücksenden." Und dann kommt die "strafbwerte Unterlassungerklärung", in der sich Klaus Rettig verpflichten soll, keine Leserbriefe mehr zu veröffentlichen, die "beleidigenden oder deformierenden Charakter bezüglich der Person von Herrn Erich Bolinius haben". Bei Zuwiderhandlung sei eine "Vertragsstrafe von 5.000,00 € zu zahlen. Und dann kam auch noch die anwaltliche Rechnung von 489,45 €.

Ich habe dann mal nachgelesen im Bericht Nr. 270, auf Seite 10. Da steht nichts von einem Herrn Bolinius und dem "Mob", da steht wörtlich in einem persönlichen Brief vom Botaniker Jürgen Feder an "Lieber Herr Rettig": "Der Weg [im NSGPetkumer Deichvorland] ist endlich zurückzubauen...Es kann nicht sein, dass bei fachlicher! Unstrittigkeit erst der Mob gefragt wird, ob wir ein NSG ausweisen oder nicht." Kein Herr Bolinius wird also im gesamten persönlichen Brief des Herrn Feder erwähnt, und "Mob" ist immer mehr als eine Person. Dann war da noch der Vorwurf des "Rechtsbeugers". Ja, hat er geschrieben, der Herr Feder, in Heft 271 auf Seite 18, auch in einem persönlichen Brief an Klaus Rettig, den dieser abdruckte: "Statt tumben Rumgetöse habe ich mir zu eigen gemacht...Fakten aus eigener, langjähriger Forschung und Erfahrung auf ‘unserem Gebiet’ darzulegen. Ich würde im Gegensatz zu anderen nie etwas schreiben/publizieren, was ich nicht selbst ‘aufgetan’ hätte — insofern prallt Rechtbeuger Bolinius bei mir ab". Das war´s, und deshalb so ein Aufwand mit Anwalt und Unterlassungserklärung, die Jürgen Feder ebenfalls prompt aus Emden erhielt?

Ich möchte Herrn Bolinius mal an einen Herrn Fischer erinnern, der sich mit Vornamen "Joschka" statt Joseph nennen lässt und der mal in Turnschuhen und Jeans einen Bundestagspräsidenten im Bundestag als "Arschloch" titulierte, "mit Verlaub", wie er artig voranschickte. Nun ist Herr Bolinius nicht Fischer und auch kein Bundestagspräsident, aber er ist Politiker und haut als vermeintliche Stimme des Volkes mal gerne auf die Pauke und auf den Wattenrat, wenn es um das NSG Petkumer Deichvorland geht. Sogar der "Staatsschutz" wurde gegen vermeintliche Störer aus Naturschutzkreisen bei der bierseligen Wegefreigabe im Naturschutzgebiet entweder von ihm oder seinen FDP-Gesellen informiert. (Siehe Petkumer Deichvorland: Freibier, Politik und der "Staatsschutz".) Dort haben die örtliche Verwaltung im Zusammenwirken mit Herrn Bolinius und dem Umweltministerium in der Tat erheblich am Schutzstatus des Schutzgebietes, das auch zu einem EU-Vogelschutzgebiet gehört, herum"gebeugt", davon waren die Zeitungen voll. (Siehe Fachaufsichtsbeschwerden gegen OB Brinkmann, Stadt Emden.)

Unser Mitglied Eilert Voß, der jahrzehntelang Daten für eine Landesbehörde im Schutzgebiet erhob, wurde von Bolinius beim Umweltministerium als nicht seriöser Datenerfasser angeschwärzt, weil Herrn B. die Vogeldaten aus Eilert Voss Zählungen nicht in seine politischen Absichten der Wegeöffnung "für´s Wahlvolk" passten. Herr B. hat nichts unterlassen, um die Akteure des Naturschutzes öffentlich herabzuwürdigen und macht nun auf Mimose. Er ist nicht nur Biedermann, sondern auch politischer Brandstifter, bis hin zum Fackelzug im Schutzgebiet von völlig desinformierten und irregeleiteten Anliegern reichten seine Zündeleien (nein, liebe Juristen, Herr Bolinius ist selbstverständlich kein richtiger Brandstifter, der anderer Leute Häuser ansteckt, das war im übertragenen Sinne gemeint und ist erlaubt!). (Siehe "Petkumer Deichvorland": Fackelzug gegen den Naturschutz.) Austeilen kann der Herr B., aber nicht einstecken, eigentlich keine gute Voraussetzung für einen Politiker.

Klaus Rettig ist eingeknickt. Er will nun gar nichts mehr von Bolinius und zum Betonweg im Schutzgebiet drucken. Er überlegt sogar, ob er überhaupt noch ehrenamtlich für die Allgemeinheit tätig werden soll; aber er will die Unterlassungserklärung nicht unterschreiben und auch die Anwaltskosten nicht zahlen. Das Eine wäre schade, das Andere ehrt ihn. Aber er wollte den Briefwechsel mit der Anwaltskanzlei in seinem Heft seinen Lesern zur Kenntnis bringen. Das wiederum mochten die Juristen der Emder Kanzlei gar nicht hören. Am 14. März 2007 ließen sie Klaus Rettig wissen: "Im Übrigen weisen wir Sie darauf hin, dass die an Sie gerichtete Post lediglich für Sie bestimmt war und keinen Leserbrief darstellen sollte. Insoweit widersprechen wir einer Veröffentlichung vehement. Sollten Sie dennoch eine Veröffentlichung vorantreiben, so ist ein entsprechender Schadensersatzanspruch ebenfalls gegen Sie geltend zu machen."

Also auch hier: Mundtot machen mit Geldforderungen, was für ein Geschäft! Nichts soll an die Öffentlichkeit, aber genau da ist es jetzt. Wie sagte doch der Oberbürgermeister von Emden, Alwin Brinkmann, öffentlich zu Bolinius Aktivitäten im Naturschutzgebiet: "Der geht mir auf den Keks!"
Zustimmung, mir schon lange.

 
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