Wattenrat

Ost-Friesland

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EU-Vogelschutzrichtlinie und Samtgemeinde Esens

EU-Vogelschutzrichtlinie und faktisches Vogelschutzgebiet "Norden-Esens": Samtgemeinde Esens plant unbeeindruckt weiter Mangelnde Rechtsaufsicht im Landkreis Wittmund?

Die emsigen Planungen einer Umgehungsstraße, eines Campingplatzes und zwei Golfplätzen im "faktischen Vogelschutzgebiet" Norden-Esens gehen trotz des Mahnschreibens aus Brüssel vom 10. April 2006 zügig weiter. Der Wattenrat schrieb an den Landrat des Landkreises Wittmund, Henning Schultz, und bat um entsprechende Rechtsaufsicht. Eine Antwort gab es, wie gewohnt, nicht.

An den
Landrat
des Landkreises Wittmund
Herrn Henning Schultz
Wittmund
per eMail 31. Mai 2006

EU-Vogelschutzrichtlinie faktisches Vogelschutzgebiet Norden-Esens

Planungen in der Samtgemeinde Esens (Umgehungsstraße Bensersiel, Golfplatz Ostbense)

Sehr geehrter Herr Schultz,
mit Schreiben vom 10. April 2006 hat die EU-Kommission in einer "mit Gründen versehenen Stellungnahme" (Vertragsverletzungsverfahren 2001/5117)die Bundesrepublik Deutschland auf erhebliche Meldedefizite von sog. "Besonderen Schutzgebieten" (= SPAs, Special Protected Areas)aufmerksam gemacht und hält die gemeldete Gebietskulisse nach wie vor für unzureichend. Unter den bemängelten Gebieten in Niedersachsen befindet sich auch das "faktische Vogelschutzgebiet" Norden-Esens, in dem laut EU-Schreiben die Meldung "nicht ausreichend" ist (Seite 12 des Schreibens).

Dessen ungeachtet versucht die Samtgemeidne Esens in diesem faktischen Vogelschutzgebiet ganz andere Fakten zu schaffen, in dem sie ihre Planungen bis zur Ebene des Bebauungsplanes am Beispiel des Golfplatzes Ostbense (Bebauungspläne 5 und 6, veröffentlicht im Anzeiger für Harlingerland am 27. Mai 2006) vorantreibt.

Planungen von Bauvorhaben dieser Art sind allerdings in faktischen Vogelschutzgebieten auf Grund der einschlägigen Rechtssprechung nicht zulässig, also rechtswidrig, das Gebiet muss erst als Vogelschutzgebiet gemeldet sein und kann dann erst mit Verträglichkeitsprüfungen nach dem Bundesnaturschutzgesetzt ggf. bei festgestellter Verträglichkeit überplant werden.

Ich rege daher an, die Samtgemeinde Esens im Rahmen Ihrer Rechtsaufsicht auf diesen derzeitigen Hinderungsgrund aufmerksam zu machen und weitere Beeinträchtigungen des Gebietes zum derzeitigen Zeitpunkt zu unterlassen.

Im Nachbarlandkreis Aurich wurden diese Planungshindernisse bereits richtig erkannt und beurteilt.

Das EU-Mahnschreiben kann ich Ihnen, falls es Ihnen nicht vorliegen sollte, gerne zukommen lassen. Ich bitte um Ihre Rückäußerung.

Mit freundlichem Gruß
Manfred Knake

Wir zitieren aus dem Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, 01.06.2006 S. 6 Esens/Inseln

"Esenser Planungen sind rechtswidrig"

Wattenrat warnt: Erst muss das faktische Vogelschutzgebiet Norden-Esens an die EU gemeldet werden

Laut Jürgen Büß läuft die Diskussion zur europäischen Vogelschutzrichtlinie noch. Planungen müssten hier dennoch zugelassen werden.

ESENS/NORDEN/DK - Die aktuellen Planungen in der Samtgemeinde Esens für die Entlastungssstraße Bensersiel und den Golfplatz in Ost-bense sieht der "Wattenrat Ostfriesland" als rechtswidrig und unvereinbar mit der EU-Vogelschutzrichtlinie an. "In der Samtgemeinde ignoriert man dreist die Natura-2000-Richtlinien der EU-Kommission und tut so, als ob das europäische Naturschutzrecht in Esens nicht gilt", moniert Wattenrat-Sprecher Manfred Knake. Beide Bauvorhaben lägen im "faktischen Vogelschutzgebiet" Norden-Esens, für das die EU-Kommission in einem Mahnschreiben vom 10. April unmissverständlich die Nachmeldung gefordert habe.

Der Samtgemeinderat, so Knake, habe alle naturschutzfachlichen Stellungnahmen zu diesen Planungen und die Darstellungen der Naturschutzverbände nicht geteilt. So legte der Wattenrat am Beispiel der Golfplatz-Planungen Anfang 2004 Beschwerde bei der EU-Kommission wegen Nichtbeachtung des faktischen Vogelschutzgebietes Norden-Esens ein. In faktischen Vogelschutzgebieten sind alle Planungen, die das Gebiet beeinträchtigen könnten, unzulässig. Im August 2005 kam dann die Mitteilung aus Brüssel, dass der Bund davon ausgehe, dass das Gebiet Norden-Esens als "Besonderes Schutzgebiet" (Special Protected Area, kurz SPA) nicht ausgewiesen wird. Die erforderlichen Schwellwerte der Brut- und Gastvogelarten seien nicht erreicht worden - die Samtgemeinde konnte weiterplanen. Allerdings habe das Land Niedersachsen nur zwei schützenswerte Vogelarten (Wiesenweihe und Blaukehlchen) mitgeteilt. Das sah der Wattenrat jedoch anders und bat die EU-Kommission mit einem umfangreichen vogelkundlichen Fachgutachten, diese Entscheidung umgehend zu revidieren.

In der "mit Gründen versehenen Stellungnahme" vom 10. April wird das Gebiet Norden-Esens wieder als "faktisches Vogelschutzgebiet" bezeichnet, gibt Manfred Knake die Beurteilung der EU-Kommission wieder. "Meldung nicht ausreichend. Die unmittelbar binnendeichs des SPA 'Niedersächsisches Wattenmeer' gelegenen Hochwasserrastflächen sind unter anderem im funktionalen Zusammenhang mit den Vorlandflächen des Wattenmeeres wichtig", steht in dem 22-seitigen Papier mit dem Hinweis auf das Vorkommen von Nonnengans, Blaukelchen und diversen Larolimikolen (Wattvögel) im Gebiet Norden-Esens (IBA von rund 10 000 Hektar) geschrieben.

Damit sind die Planungen in Esens laut Wattenrat so lange rechtswidrig, bis das Gebiet als Vogelschutzgebiet nach Brüssel gemeldet wurde. Die Frist laufe Mitte Juni ab.

Erst dann könne mit entsprechenden Verträglichkeitsprüfungen überhaupt weiter geplant werden. Knake: "Bei mangelnder Verträglichkeit muss zudem ein zwingendes öffentliches Interesse der Planungen vorliegen, was ich bei Golfplätzen und Umgehungsstraßen nicht erkennen kann." Ungeachtet der jüngsten Mahnung versuche die Samtgemeinde Esens in diesem "faktischen Vogelschutzgebiet" ganz andere Fakten zu schaffen, in dem sie ihre Vorhaben bis zur Ebene des Bebauungsplanes vorantreibt, lautet der Vorwurf.

Manfred Knake fordert in einem Brief Landrat Henning Schultz auf, im Rahmen der Rechtsaufsicht des Landkreises "auf diesen Hinderungsgrund aufmerksam zu machen und weitere Beeinträchtigungen des Gebietes zum derzeitigen Zeitpunkt zu unterlassen". Im Nachbarlandkreis Aurich seien diese Planungshindernisse bereits richtig erkannt und beurteilt worden.

"Wir haben es hier mit einer anhaltenden Diskussion zwischen Brüssel und Hannover zu tun, deren Ausgang wir abwarten müssen", erklärte gestern Samtgemeindebürgermeister Jürgen Buß dazu. Bisher sei die Aussage aus Hannover eindeutig gewesen, dass der Küstenstreifen zwischen Norden und Esens naturschutzfachlich von nicht so großer Bedeutung ist, als dass eine Meldung erforderlich wäre. "Wenn das nun anders gesehen werden sollte, wird das jedoch nicht bedeuten können, dass in diesem Streifen keine Planungen mehr zulässig sind." Dafür sei die Fläche einfach zu groß. Vielmehr werde der Vogelschutz bei jeder Planung eine besondere Bewertung erfahren. "Vielleicht ist die Ausweisung als Vogelschutzgebiet sogar von Vorteil, da die EU-Bestimmungen Ausnahme-Tatbestände nennen, dies bei faktischen Vogelschutzgebieten jedoch nicht der Fall ist." Zunächst, so Buß, solle die Entscheidung des Umweltministeriums abgewartet werden.

 
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