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Rehazentrum für verölte Vögel geplant

Seehundaufzuchtstation Norddeich will "Rehabilitationsszentrum" für verölte Vögel bauen. Kritik von Nationalpark-Hausleitern: sinnlose Verschwendung von Geld

Tordalk

Leicht verölter Tordalk, Dornumersiel, Januar 2008

Die Seehundaufzuchtstation in Norddeich, der auch das geplante "Rehabilitationszentrum für verölte Seevögel" angeschlossen werden soll, wird von der Landesjägerschaft betrieben. Die seit Jahren bekannten Fakten der Unsinnigkeit der "Reinigung" der verölten Vögel werden völlig ignoriert. Es geht um´s Image, das der Jägerschaft. Die Diskussion ist auch deshalb unglaublich verlogen, weil sich die Jägerschaft nun öffentlichkeitswirksam als "Tierschützer" darzustellen versucht. Jäger töten und verletzen wandernde Tierarten wie Gänse oder Enten, auch in Schutzgebieten und finden das ganz normal, da redet niemand von "Tierschutz", der hier nun vorgeblich mit der für die Vögel qualvollen Waschprozedur angewandt werden soll. Das Gemengelage aus Politik und Jagdlobby macht solche kostenträchtigen Selbstdarstellungsnummern erst möglich.

Bereits 1984 wollte die Stadt Esens im Landkreis Wittmund aus Fremdenverkehrsgründen ebenfalls ein Rehabilitationszentrum für verölte Vögel einrichten. Mitglieder des heutigen Wattenrates organisierten damals eine Informationsveranstaltung mit Fachleuten, auf der die Unsinnigkeit dieser Maßnahmen nachgewiesen werden konnte.

Die eingeladenen Ratsmitglieder der Stadt boykottierten die Veranstaltung. Das mit 800.000 DM veranschlagte Projekt wurde nicht verwirklicht und feiert jetzt seine Auferstehung in Nordeich, obwohl sich die Fakten nicht geändert haben. Nur naive Bambi-Tierschützer, die sich nicht mit den Fakten beschäftig haben, können dieser öffentlichen Irreführung über die angebliche "Rettung" verölter Vögel etwas abgewinnen (siehe auf unseren Seiten vom November 2007: "Ölvögel: Wem hilft die Vogelwäsche?").

Trottellumme

Verölte Trottellumme

Wir zitieren aus dem Ostfriesischen Kurier, Norden, 18. April 2008:

Reha-Zentrum für Seevögel geplant

SCHIFFSKATASTROPHEN Landes-Einrichtung soll auf Gelände des Waloseums in Osterloog entstehen

Kritik: Nationalpark-Häuser Juist, Baltrum und Dornumersiel lehnen Projekt ab.

NORDEN-NORDDEICH/MA - Auf dem Gelände des Waloseums in Norddeich-Osterloog - im Innenhof zwischen Vogelpflegestation und Verwaltungstrakt - ist ein Seevogel- Rehabilitationszentrum geplant. Dort sollen - nach einer eventuellen Havarie - mögliche öl- oder chemikalienverschmutzte Seevögel aufgenommen, gewaschen, behandelt und gepflegt werden. Das Waloseum ist eine Einrichtung der Seehundstation Nationalpark-Haus Norden-Norddeich, unter Trägerschaft des Vereins zur Erforschung und Erhaltung des Seehundes.

Verantwortlich für den Aufbau des Seevogel-Reha- Zentrums ist das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) in Oldenburg. Es handelt im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums (in Abstimmung mit dem Umweltministerium). Wie Josef Huesmann, beim LAVES zuständig für die Entwicklung einer Notfallplanung beim Umgang mit verölten Seevögeln, auf Nachfrage berichtete, soll für das Vorhaben am Waloseum ein zusätzliches Gebäude geschaffen werden mit entsprechenden Waschplätzen und einer Personenschutzabteilung, um auch die Sicherheit des Betreuungspersonals zu gewährleisten. Die Versorgung der erkrankten und belasteten Tiere soll der Trägerverein der Seehundstation übernehmen, wobei das Land die Aufsichtsfunktion behält. Der Verein habe auch den Förderantrag bei der Wattenmeerstiftung über 500 000 Euro für das geplante Zentrum gestellt, sagte Huesmann. Die Kosten für die Versorgung der kontaminierten Tiere übernehme bei einer möglichen Schiffskatastrophe das Land. Sobald die Mittel bewilligt worden sind, soll noch in diesem Jahr mit dem Bau des Reha-Zentrums begonnen werden. Dieses ist einzigartig im Norden und soll die gesamte niedersächsische Küstenregion bedienen.

Verantwortung trägt Land

Bernd Brechters vom Trägerverein der Seehundstation bestätigte dies. "Das Land ist an uns herangetreten." Daraufhin seien der Bau und die Fördermittel beantragt worden. Der Verein stelle das Gelände zur Verfügung und errichte das entsprechende Gebäude. Ausreichende Außenanlagen seien ebenfalls vorhanden. "Hier können im Notfall großzügig Zelte aufgebaut werden, um die Vögel zu versorgen." So würden Synergieeffekte genutzt. "Das Land spart damit Geld. Wir halten das Gebäude, Personal und elektronische Netzwerk für den Ernstfall vor. Falls etwas passiert, können das LAVES und das Havariekommando hier in Zusammenarbeit mit Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und anderen Helfern sofort ihre Arbeit aufnehmen", erläuterte Brechters. Ferner seien im Waloseum Räumlichkeiten vorhanden, in denen das LAVES die Helfer regelmäßig schulen könne. Das Reha-Zentrum sei nur ein Teilaspekt einer ganzen Reihe von Maßnahmen, die ergriffen werden müssten, um derartige Umweltkatastrophen und deren Folgen abzuwenden, sagte er. Dabei sei natürlich die Prävention eine der Hauptaufgaben. "Doch wenn es dann zu einem Schiffsunfall kommt, muss es eine Stelle geben, die sich um die verunreinigten Tiere kümmert und die Rettungsaktionen managt." In all die Überlegungen seien übrigens die Natur- und Umweltschutzverbände sowie die Nationalparkverwaltung eingebunden worden.

Kritik

Die Leiter der drei benachbarten Nationalpark-Häuser Dornumersiel (Uilke van der Meer), Juist (Jens Heyken) und Baltrum (Horst Unger) lehnen die Schaffung eines Seevogel-Reha-Zentrums ab und sagen, dass die 500 000 Euro für andere sinnvollere Projekte ausgegeben werden könnten. Sie sprechen von einer "Verschwendung" der Zuschüsse und ziehen zur Begründung neueste wissenschaftliche Erkenntnisse heran. Danach würden bei Ölverschmutzungen in der Nordsee nur zwei Prozent der verseuchten Vögel lebend die Küste erreichen. Von diesen Tieren überstünden 48 Prozent die Reinigung und könnten wieder ausgewildert werden. Und davon überlebe dann auch letztlich nur ein Prozent, wie aus einem Bericht des Bundesumweltministeriums von 2006 zu entnehmen sei.

Hochgerechnet auf 10 000 Vögel bedeute dies, dass wirklich nur ein Vogel gerettet werden könne. Der Mellumrat (Varel) sagt sogar, es sei richtiger, die Vögel sachkundig zu töten, als deren Leiden zu verlängern. Manfred Knake vom Wattenrat behauptet, dass die Seevogelwäsche nur einem diene: dem guten Gewissen des Waschenden oder den hilflosen Helfern, aber nie den betroffenen Vögeln. "Das sind Spekulationen", entgegnete Huesmann auf die Kritik. Natürlich könne man nicht alle betroffenen Tiere einfangen. "Aber bei denen, die in Menschenhand gelangen, muss man entscheiden, was man damit macht", betonte er. Je nach Zustand müssten einige möglicherweise schnell und schmerzfrei von ihren Leiden erlöst werden, andere könnten gereinigt und wieder aufgepäppelt werden, um sie später sogar wieder auszuwildern, sagte er mit Blick auf den Tierschutz, der einen hohen Stellenwert sowohl in der Verfassung als auch beim Menschen genieße.

Qualifizierter Partner

Aus diesem Grund sei es dem Land wichtig, dafür eine qualifizierte Einrichtung aufzubauen, in der sich der Tiere hochprofessionell angenommen und in der dies wissenschaftlich begleitet werde. "In der Seehundstation Nationalpark- Haus Norden-Norddeich haben wir einen Partner gefunden, der bereit und qualifiziert ist, diese Aufgabe zu übernehmen", berichtete Huesmann.

 
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