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"Investitions-Ruinen auf See"

Siehe auch:  www.renorga.de/Uebersicht/index.html

Bremer Nachrichten: 08. Juli 2002 Von Burkhard Ilschner
Potenzielle Standorte liegen vor Langeoog und zwischen den Vogelschutzinseln Mellum und Scharhörn. Energie-Experten kritisieren geplante Offshore-Windparks als unwirtschaftlich.


Offshore-Windenergie eine Investitionsfalle?

Kiel/Hamburg/Bremen. Zwei norddeutsche Energie-Experten haben den aktuellen Plänen, in Nord- und Ostsee mehrere große Windkraftparks zu errichten, scharf widersprochen: Die bislang diskutierten Projekte seien sowohl unwirtschaftlich als auch energiepolitisch fragwürdig. Es zeichne sich bereits heute ab, dass am Ende "Investitions-Ruinen in den Meeren übrig bleiben" könnten. Die Kritik stammt von einem Energieexperten im Umweltministerium der rot-grünen Landesregierung Schleswig-Holsteins, Gustav W. Sauer, sowie von Lothar Schedereit, Geschäftsführer des Hamburger Energieberatungsunternehmens RENORGA. Beide haben ihre Thesen im Juni dieses Jahres in der Fachzeitschrift "Immissionsschutz" veröffentlicht. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten.
"Viel Zustimmung", sagt Schedereit im Gespräch mit unserer Zeitung, "aber auch einige wütende Attacken aus der Branche".
Letzteres ist kein Wunder: Nach Ansicht von Sauer und Schedereit fußt der Jubel der Windkraft-"Gemeinde" über die Offshore-Optionen weitgehend auf Wunschvorstellungen, die dann für die erhofften Investoren "gutachterlich orchestriert" würden. Die beiden Experten konzentrieren ihre Kritik auf zwei Aspekte: Zum einen seien bisher allzu optimistische Annahmen über Ursachen und Kosten von Ausfall und Wartung der Windenergieanlagen "ungeprüft übernommen" worden. Zum anderen gebe es erhebliche netztechnische Probleme, die die Offshore-Windenergie und die Kernkraft zu einer "zwar verheimlichten, aber umso innigeren" Allianz werden lasse.
Beide Faktoren zusammen führten zu einer drastischen Steigerung der Herstellungskosten für den Strom aus Wind: "Eine Offshore-Windenergienutzung ist heute zwar technisch sicherlich machbar, eine Wirtschaftlichkeit ist allerdings zu verneinen." Es werde abzuwarten sein, ob diese "Investitions-Ruinen" nicht "alsbald der öffentlichen Hand anheimfallen". Die "Windgemeinde" verweigere sich "hartnäckig" dieser Vorausahnung wie auch der "Einsicht", dass Windkraft nur ein zusätzliches Potenzial und keinesfalls eine Alternative in der Versorgungssicherheit sein könne. An die Spitze der Kritiker dieser unbequemen Prognosen hat sich sofort der Vorsitzende des Wirtschaftsverbandes Windkraftwerke und Chef des Cuxhavener Anlagenbauers Plambeck, der ehemalige Staatssekretär im Bundesagrarministerium Wolfgang von Geldern, gesetzt.

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In einem offenen Brief an Sauer und Schedereit äußert Geldern nicht nur sein "größtes Befremden", sondern nennt ihre Kritik an den bisherigen Wirtschaftlichkeitsberechnungen seiner Branche schlicht "falsch". Sauers und Schedereits Aussagen seien "möglicherweise dazu geeignet, Schadensersatzforderungen zu provozieren", so Geldern weiter, unterstellten sie doch "den beteiligten Unternehmen unseriöses Planungsverhalten". Gustav Sauer vermag dies nicht nachzuvollziehen, er unterstreicht, seine Berechnungen erstmals in Anwesenheit auch von Vertretern der Firma Plambeck bei der Offshore- Konferenz am Anfang März in Cuxhaven vorgestellt zu haben: "Es gab keinen Widerspruch." Gelderns Äußerungen sieht er, wie er in einer Antwort an den Windkraftmanager schreibt, daher eher als eine "massive Drohung", technisch-wissenschaftliche Nachfragen "zu Gunsten Ihrer Verbandsintention unterdrücken zu wollen."

Zufrieden äußerte sich dagegen der Sprecher des Wattenrats Ostfriesland, Manfred Knake:
"Die Entzauberung der angeblich ökologischen Windenergie hat längst begonnen", verweist er auf laufende EU-Verfahren wegen mutmaßlich fehlplatzierter Windenergieanlagen in Vogelschutzgebieten. Die geplanten Offshore-Parks an Hauptschifffahrtswegen und in der Nähe des Wattenmeeres seien wegen der Kollisionsgefahr "eindeutig gemeingefährlich", unterstreicht Knake und begrüßt nachdrücklich, dass Sauer und Schedereit "nun auch die Wirtschaftlichkeit dieser Windmonster schlagend in Zweifel gezogen haben".


Jahreszeiten, Tide und Wetter...

Macht der hohe Wartungsaufwand Offshore-Windparks zum Risiko für Anleger?
Von Burkhard Ilschner

Kiel/Hamburg/Bremen. Die derzeitigen Pläne für künftige Windenergieanlagen weit draußen auf Nord- und Ostsee sind nicht ganz unbescheiden: Kleinere Windparks sollen bis zu 20, größere Felder bis zu 90 Rotoren umfassen. Dabei ist die Rede von Windrädern in Größenordnungen, wie es sie bislang kaum auf Reißbrettern gibt. Trotzdem richtet sich die Kritik der norddeutschen Energieexperten Gustav Sauer (Kiel) und Lothar Schedereit (Hamburg) nicht grundsätzlich gegen die technische Machbarkeit dieser Vorhaben. Allerdings sehen die beiden allein durch die abseitige Lage auf hoher See sowie durch meteorologische Unwägbarkeiten erhebliche Probleme - und kritisieren, dass eben diese Risiken bislang unzureichend berücksichtigt würden. Im Mittelpunkt ihrer Überlegungen steht die Frage, wie oft und wann die geplanten Windenergieanlagen (WEAn) auf hoher See gewartet oder repariert werden müssen. Derzeitige Gutachten, so die Kritiker, gingen lediglich aus von geplanten Wartungszyklen, die zudem in den Sommermonaten lägen, sowie von Störfällen im statistischen Abstand von 18 Monaten: "Warum sich in Wirklichkeit aber die WEAn daran halten sollten, bleibt unerfindlich", schreiben sie nicht ohne Sarkasmus. Prompt machen die beiden eine Gegenrechnung auf, die zunächst von den Dimensionen der geplanten Windparks ausgeht. Es folgt eine mathematische Analyse von Ausfall-Wahrscheinlichkeiten - "wie sie bei gleichartigen Systemen üblich ist" (Sauer) - sowie eine darauf fußende Berechnung, was die notwendige Vorhaltung geeigneter Schiffe mit qualifizierten Wartungsteams kosten wird, um jederzeit auch an mehreren Stellen zugleich reparierend eingreifen zu können.
Denn nur Rotoren, die sich immer drehen, wenn der Wind es gestattet, bringen Energie - und ihren Investoren Geld. Sauer und Schedereit kommen aber mit diesen Aufwands-Berechnungen in Dimensionen, die eben Investoren zum Weinen bringen könnten. "An Land", so erläutert Schedereit unserer Zeitung, "sind Wartungskosten vor allem deshalb abschätzbar, weil alle Windenergieanlagen jederzeit und schnell erreichbar sind". Auf See hingegen gebe es aus dem Zusammenspiel von Jahreszeiten, Tide und Wetter eine Reihe von Risikofaktoren, die bislang unzureichend berücksichtigt seien.

Schedereit: "Im Ergebnis erhöhen sich die Stromherstellungskosten von (noch in alter Währung) gutachterlich errechneten 14,5 auf mehr als 21 Pfennig pro Kilowattstunde." Wobei er zugleich daran erinnert, dass die staatliche Stromeinspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, auf 20 Jahre gemittelt, bei 13,8 Pfennig pro Kilowattstunde liegt. Für Investoren bedeute das letztendlich: "Die Eigenkapitalrendite sinkt von den gutachterlich vorgerechneten 10,7 Prozent auf minus 5,5 Prozent."
Schedereit und Sauer scheuen sich nicht, das Wort "Kapitalvernichtung" in den Mund zu nehmen. Auch im zweiten Teil ihrer Philippika gegen die "Windgemeinde" gehen die beiden aus von der stark wetterabhängigen Verfügbarkeit der Rotoren auf hoher See. Sie befürchten nämlich erhebliche Probleme mit der Stabilität des Stromnetzes: Wenn so viele Anlagen mit schwankender Leistungs- Kontinuität ins Netz eingebunden werden sollen, so ihre Überlegung, werden technisch leistungsstarke Generatoren benötigt, um diese Schwankungen aufzufangen. Zur Zeit würden diese Instabilitäten von den großen Kernkraftwerken "glattgebügelt", sie und die Windkraft seien "Schwestern im Netz".

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Beim geplanten Rückbau der Atomreaktoren allerdings würden für den beschriebenen Zweck in Zukunft fossil befeuerte Kraftwerke von mehr als 500 Megawatt Leistung benötigt. Das "Faszinosum" Windenergie unterminiere so die Ziele des Klimaschutzprogramms. Schedereit: "Und die als Investitionsanreiz gedachte Einspeisevergütung wird damit kontraproduktiv." "Ich bin nicht grundsätzlich Gegner der Windenergienutzung", unterstreicht der Hamburger, "aber wenn das Geld knapp ist, muss es zunächst in die Maßnahmen gelenkt werden, die allen anderen gegenüber den höchsten Erfolg versprechen. Und das sind Energieeinsparung - durch Wärmedämmung und bessere Heizungen - oder CO2- Minderung etwa durch hocheffiziente Kraftwerke." In der Auseinandersetzung um Sinn und Unsinn von Windparks an Land und erst recht auf See mahnte Schedereit im Gespräch mit unserer Zeitung abschließend vor allem eine ökologische Gesamtbilanz für Windenergieanlagen verschiedener Größenordnungen an: "Der im Lebenszyklus eines Rotors zu leistende Aufwand für Entwicklung, Herstellung, Aufbau, Betrieb, Wartung, Demontage und Entsorgung aller Einzelteile muss der erbrachten Strommenge gegenübergestellt werden. Ich bin nicht sicher, ob diese Rechnung positiv ausgeht für die Offshore-Windrotoren."

Zeit zur Behutsamkeit "Der Offshore-Kuchen ist groß genug für alle" - so oder so ähnlich tönt es seit Monaten entlang der Küste. Gemeint ist die Hoffnung, an dem Geschäft mit den geplanten Mega-Windparks draußen auf hoher See könne gut verdient werden - durch Bau, Wartung oder Lieferung der Anlagen und der dazugehörigen Infrastruktur. Von "Kompetenzzentren" und "Offshore-Agenturen" war überschwänglich die Rede, auch der Begriff "Goldgräberstimmung" war in diesem Zusammenhang schon zu hören. Es ist an der Zeit, die ganze Sache mal etwas behutsamer anzugehen. Die jetzt bekannt gewordene Studie der beiden norddeutschen Energie-Fachleute, die den aktuellen Offshore-Plänen in Nord- und Ostsee unterstellen, sie seien weder wirtschaftlich tragfähig noch energiepolitisch sinnvoll, sollte Anlass genug sein. Man sollte sich daran erinnern, dass das Prädikat "ökologisch" - die Windkraft-Enthusiasten werden nicht müde, es für sich in Anspruch zu nehmen - immer auch "weniger, einfacher, langsamer" meinte.

Nicht ohne Grund ist die Windkraft umstritten, seit findige Köpfe herausgefunden haben, dass man diese Art der Energiegewinnung auch gut nach großindustriellem Muster betreiben könne. Die Akten über Streitigkeiten um Landschaftsbild (Stichwort "Verspargelung") oder Vogelschutz füllen längst ganze Regalwände. Immer höhere Rotoren, immer mehr Anlagen pro Windpark, immer stärkere Leistungen - es konnte den Erbauern und Betreibern von Anfang an nie schnell, groß, mächtig genug sein. Und bekanntlich gibt es auch gegen die aktuellen Offshore-Pläne Bedenken aus Naturschutz- oder Schifffahrtssicht. Die beiden Kritiker mit Schadensersatzforderungen zu bedrohen oder ihnen sonst einen Maulkorb umzuschnallen, kann keine Lösung sein. Die so genannte Windkraft-Gemeinde muss sich der Kritik stellen. Oder ist sie sich ihrer Sache letztlich doch nicht sicher?
Burkhard Ilschner

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