Offshore-Windenergie eine Investitionsfalle?
Kiel/Hamburg/Bremen. Zwei norddeutsche Energie-Experten haben den aktuellen
Plänen, in Nord- und Ostsee mehrere große Windkraftparks zu
errichten, scharf widersprochen: Die bislang diskutierten Projekte seien
sowohl unwirtschaftlich als auch energiepolitisch fragwürdig. Es
zeichne sich bereits heute ab, dass am Ende "Investitions-Ruinen
in den Meeren übrig bleiben" könnten. Die Kritik stammt
von einem Energieexperten im Umweltministerium der rot-grünen Landesregierung
Schleswig-Holsteins, Gustav W. Sauer, sowie von Lothar Schedereit, Geschäftsführer
des Hamburger Energieberatungsunternehmens RENORGA. Beide haben ihre Thesen
im Juni dieses Jahres in der Fachzeitschrift "Immissionsschutz"
veröffentlicht. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich
warten.
"Viel Zustimmung", sagt Schedereit im Gespräch mit unserer
Zeitung, "aber auch einige wütende Attacken aus der Branche".
Letzteres ist kein Wunder: Nach Ansicht von Sauer und Schedereit fußt
der Jubel der Windkraft-"Gemeinde" über die Offshore-Optionen
weitgehend auf Wunschvorstellungen, die dann für die erhofften Investoren
"gutachterlich orchestriert" würden. Die beiden Experten
konzentrieren ihre Kritik auf zwei Aspekte: Zum einen seien bisher allzu
optimistische Annahmen über Ursachen und Kosten von Ausfall und Wartung
der Windenergieanlagen "ungeprüft übernommen" worden.
Zum anderen gebe es erhebliche netztechnische Probleme, die die Offshore-Windenergie
und die Kernkraft zu einer "zwar verheimlichten, aber umso innigeren" Allianz
werden lasse.
Beide Faktoren zusammen führten zu einer drastischen Steigerung der
Herstellungskosten für den Strom aus Wind: "Eine Offshore-Windenergienutzung
ist heute zwar technisch sicherlich machbar, eine Wirtschaftlichkeit ist
allerdings zu verneinen." Es werde abzuwarten sein, ob diese "Investitions-Ruinen"
nicht "alsbald der öffentlichen Hand anheimfallen". Die
"Windgemeinde" verweigere sich "hartnäckig" dieser
Vorausahnung wie auch der "Einsicht", dass Windkraft nur ein
zusätzliches Potenzial und keinesfalls eine Alternative in der Versorgungssicherheit
sein könne. An die Spitze der Kritiker dieser unbequemen Prognosen
hat sich sofort der Vorsitzende des Wirtschaftsverbandes Windkraftwerke
und Chef des Cuxhavener Anlagenbauers Plambeck, der ehemalige Staatssekretär
im Bundesagrarministerium Wolfgang von Geldern, gesetzt. |
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In einem offenen Brief an Sauer und Schedereit äußert Geldern
nicht nur sein "größtes Befremden", sondern nennt
ihre Kritik an den bisherigen Wirtschaftlichkeitsberechnungen seiner Branche
schlicht "falsch". Sauers und Schedereits Aussagen seien "möglicherweise
dazu geeignet, Schadensersatzforderungen zu provozieren", so Geldern
weiter, unterstellten sie doch "den beteiligten Unternehmen unseriöses
Planungsverhalten". Gustav Sauer vermag dies nicht nachzuvollziehen,
er unterstreicht, seine Berechnungen erstmals in Anwesenheit auch von
Vertretern der Firma Plambeck bei der Offshore- Konferenz am Anfang März
in Cuxhaven vorgestellt zu haben: "Es gab keinen Widerspruch."
Gelderns Äußerungen sieht er, wie er in einer Antwort an den
Windkraftmanager schreibt, daher eher als eine "massive Drohung",
technisch-wissenschaftliche Nachfragen "zu Gunsten Ihrer Verbandsintention
unterdrücken zu wollen."
Zufrieden äußerte sich dagegen der Sprecher des Wattenrats
Ostfriesland, Manfred Knake:
"Die Entzauberung der angeblich ökologischen Windenergie hat
längst begonnen", verweist er auf laufende EU-Verfahren wegen
mutmaßlich fehlplatzierter Windenergieanlagen in Vogelschutzgebieten.
Die geplanten Offshore-Parks an Hauptschifffahrtswegen und in der Nähe
des Wattenmeeres seien wegen der Kollisionsgefahr "eindeutig gemeingefährlich",
unterstreicht Knake und begrüßt nachdrücklich, dass Sauer
und Schedereit "nun auch die Wirtschaftlichkeit dieser Windmonster
schlagend in Zweifel gezogen haben".
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Jahreszeiten, Tide und Wetter...
Macht der hohe Wartungsaufwand Offshore-Windparks zum Risiko für
Anleger?
Von Burkhard Ilschner
Kiel/Hamburg/Bremen. Die derzeitigen Pläne für künftige
Windenergieanlagen weit draußen auf Nord- und Ostsee sind nicht
ganz unbescheiden: Kleinere Windparks sollen bis zu 20, größere
Felder bis zu 90 Rotoren umfassen. Dabei ist die Rede von Windrädern
in Größenordnungen, wie es sie bislang kaum auf Reißbrettern
gibt. Trotzdem richtet sich die Kritik der norddeutschen Energieexperten
Gustav Sauer (Kiel) und Lothar Schedereit (Hamburg) nicht grundsätzlich
gegen die technische Machbarkeit dieser Vorhaben. Allerdings sehen die
beiden allein durch die abseitige Lage auf hoher See sowie durch meteorologische
Unwägbarkeiten erhebliche Probleme - und kritisieren, dass eben diese
Risiken bislang unzureichend berücksichtigt würden. Im Mittelpunkt
ihrer Überlegungen steht die Frage, wie oft und wann die geplanten
Windenergieanlagen (WEAn) auf hoher See gewartet oder repariert werden
müssen. Derzeitige Gutachten, so die Kritiker, gingen lediglich aus
von geplanten Wartungszyklen, die zudem in den Sommermonaten lägen,
sowie von Störfällen im statistischen Abstand von 18 Monaten:
"Warum sich in Wirklichkeit aber die WEAn daran halten sollten, bleibt
unerfindlich", schreiben sie nicht ohne Sarkasmus. Prompt machen
die beiden eine Gegenrechnung auf, die zunächst von den Dimensionen
der geplanten Windparks ausgeht. Es folgt eine mathematische Analyse von
Ausfall-Wahrscheinlichkeiten - "wie sie bei gleichartigen Systemen
üblich ist" (Sauer) - sowie eine darauf fußende Berechnung,
was die notwendige Vorhaltung geeigneter Schiffe mit qualifizierten Wartungsteams
kosten wird, um jederzeit auch an mehreren Stellen zugleich reparierend
eingreifen zu können.
Denn nur Rotoren, die sich immer drehen, wenn der Wind es gestattet, bringen
Energie - und ihren Investoren Geld. Sauer und Schedereit kommen aber
mit diesen Aufwands-Berechnungen in Dimensionen, die eben Investoren zum
Weinen bringen könnten. "An Land", so erläutert Schedereit
unserer Zeitung, "sind Wartungskosten vor allem deshalb abschätzbar,
weil alle Windenergieanlagen jederzeit und schnell erreichbar sind".
Auf See hingegen gebe es aus dem Zusammenspiel von Jahreszeiten, Tide
und Wetter eine Reihe von Risikofaktoren, die bislang unzureichend berücksichtigt
seien.
Schedereit: "Im Ergebnis erhöhen sich die Stromherstellungskosten
von (noch in alter Währung) gutachterlich errechneten 14,5 auf mehr
als 21 Pfennig pro Kilowattstunde." Wobei er zugleich daran erinnert,
dass die staatliche Stromeinspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz,
auf 20 Jahre gemittelt, bei 13,8 Pfennig pro Kilowattstunde liegt. Für
Investoren bedeute das letztendlich: "Die Eigenkapitalrendite sinkt
von den gutachterlich vorgerechneten 10,7 Prozent auf minus 5,5 Prozent."
Schedereit und Sauer scheuen sich nicht, das Wort "Kapitalvernichtung"
in den Mund zu nehmen. Auch im zweiten Teil ihrer Philippika gegen die
"Windgemeinde" gehen die beiden aus von der stark wetterabhängigen
Verfügbarkeit der Rotoren auf hoher See. Sie befürchten nämlich
erhebliche Probleme mit der Stabilität des Stromnetzes: Wenn so viele
Anlagen mit schwankender Leistungs- Kontinuität ins Netz eingebunden
werden sollen, so ihre Überlegung, werden technisch leistungsstarke
Generatoren benötigt, um diese Schwankungen aufzufangen. Zur Zeit
würden diese Instabilitäten von den großen Kernkraftwerken
"glattgebügelt", sie und die Windkraft seien "Schwestern
im Netz".
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Beim geplanten Rückbau der Atomreaktoren allerdings würden
für den beschriebenen Zweck in Zukunft fossil befeuerte Kraftwerke
von mehr als 500 Megawatt Leistung benötigt. Das "Faszinosum"
Windenergie unterminiere so die Ziele des Klimaschutzprogramms. Schedereit:
"Und die als Investitionsanreiz gedachte Einspeisevergütung
wird damit kontraproduktiv." "Ich bin nicht grundsätzlich
Gegner der Windenergienutzung", unterstreicht der Hamburger, "aber
wenn das Geld knapp ist, muss es zunächst in die Maßnahmen
gelenkt werden, die allen anderen gegenüber den höchsten Erfolg
versprechen. Und das sind Energieeinsparung - durch Wärmedämmung
und bessere Heizungen - oder CO2- Minderung etwa durch hocheffiziente
Kraftwerke." In der Auseinandersetzung um Sinn und Unsinn von Windparks
an Land und erst recht auf See mahnte Schedereit im Gespräch mit
unserer Zeitung abschließend vor allem eine ökologische Gesamtbilanz
für Windenergieanlagen verschiedener Größenordnungen an:
"Der im Lebenszyklus eines Rotors zu leistende Aufwand für Entwicklung,
Herstellung, Aufbau, Betrieb, Wartung, Demontage und Entsorgung aller
Einzelteile muss der erbrachten Strommenge gegenübergestellt werden.
Ich bin nicht sicher, ob diese Rechnung positiv ausgeht für die Offshore-Windrotoren."
Zeit zur Behutsamkeit "Der Offshore-Kuchen ist groß genug für
alle" - so oder so ähnlich tönt es seit Monaten entlang
der Küste. Gemeint ist die Hoffnung, an dem Geschäft mit den
geplanten Mega-Windparks draußen auf hoher See könne gut verdient
werden - durch Bau, Wartung oder Lieferung der Anlagen und der dazugehörigen
Infrastruktur. Von "Kompetenzzentren" und "Offshore-Agenturen"
war überschwänglich die Rede, auch der Begriff "Goldgräberstimmung"
war in diesem Zusammenhang schon zu hören. Es ist an der Zeit, die
ganze Sache mal etwas behutsamer anzugehen. Die jetzt bekannt gewordene
Studie der beiden norddeutschen Energie-Fachleute, die den aktuellen Offshore-Plänen
in Nord- und Ostsee unterstellen, sie seien weder wirtschaftlich tragfähig
noch energiepolitisch sinnvoll, sollte Anlass genug sein. Man sollte sich
daran erinnern, dass das Prädikat "ökologisch" - die
Windkraft-Enthusiasten werden nicht müde, es für sich in Anspruch
zu nehmen - immer auch "weniger, einfacher, langsamer" meinte.
Nicht ohne Grund ist die Windkraft umstritten, seit findige Köpfe
herausgefunden haben, dass man diese Art der Energiegewinnung auch gut
nach großindustriellem Muster betreiben könne. Die Akten über
Streitigkeiten um Landschaftsbild (Stichwort "Verspargelung")
oder Vogelschutz füllen längst ganze Regalwände. Immer
höhere Rotoren, immer mehr Anlagen pro Windpark, immer stärkere
Leistungen - es konnte den Erbauern und Betreibern von Anfang an nie schnell,
groß, mächtig genug sein. Und bekanntlich gibt es auch gegen
die aktuellen Offshore-Pläne Bedenken aus Naturschutz- oder Schifffahrtssicht.
Die beiden Kritiker mit Schadensersatzforderungen zu bedrohen oder ihnen
sonst einen Maulkorb umzuschnallen, kann keine Lösung sein. Die so
genannte Windkraft-Gemeinde muss sich der Kritik stellen. Oder ist sie
sich ihrer Sache letztlich doch nicht sicher?
Burkhard Ilschner
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