Der Störenfried von Memmert (2003)

Inselvogt Reiner Schopf geht nach mehr als 30 Jahren auf der Insel in den Ruhestand

Reiner Schopf im Sanddorndickicht, Memmert 2003

Unser Wattenrat-Senior, Reiner Schopf, ging in den Ruhestand. Er lebt aber immer noch auf der Insel und wird sie im Herbst verlassen. Wir werden demnächst ein ausführliches Memmert-Spezial vorbereiten und Reiner Schopfs Arbeit während seiner dreißig Jahre auf der Insel würdigen. Ein Bildteil ist ebenfalls geplant.

Ostfriesen-Zeitung 07.06.2003 (S. 16)

„Einige Vogeleltern schimpfen über mich“

MEMMERT
Vogelwart Reiner Schopf geht nach 30 Jahren in den Ruhestand
„Memmert ist keine Düneninsel mehr“

Auf der Insel brüten 16 Vogelarten, die auf der Roten Liste stehen. „Ich war selber ein Störenfried auf der Insel“, sagt Schopf.

VON HEINER SCHRÖDER

OSTFRIESLAND – Es gibt kaum einen Menschen in Ostfriesland, der mehr für Vögel getan hat. Als einziger Bewohner von Memmert ließ Reiner Schopf nur ganz wenige Menschen auf die Insel. In der Brutzeit hielt er sich selbst von den Nestern fern, um Säbelschnäbler oder Löffler nicht zu stören. Und doch: „Ich war selbst ein Störenfried. Ich glaube, bei den Vögeln war ich nicht beliebt“, sagt der 65-jährige. Seit dem 1. März ist er im Ruhestand. Nach 30 Jahren auf der Insel.

Der in der Tschechoslowakei geborene Schopf hatte schon zehn Jahre Naturschutzarbeit in Schleswig-Holstein gemacht, als er die Stellenanzeige für den Vogelwart auf Memmert in der Zeitung sah. Er bekam die Stelle und zog 1973 als einziger gemeldeter Bewohner ins einzige Haus der Insel.

Seine Hauptaufgabe war es, die Vögel in der Brutzeit zu überwachen und sie zu zählen. Aber er hat auch alles andere getan, was anfiel. So pflanzte er Strandhafer, um die Dünen der immer kleiner werdenden Insel etwas zu sichern. Ein bisschen hat’s geholfen. Aber er konnte nicht verhindern, dass die Dünen in diesen 30 Jahren geschrumpft sind. Dafür haben sich die Salzwiesen vergrößert. „Memmert ist von einer Düneninsel zu einem flachen Gebilde geworden“, sagt Schopf.

Die Vögel können daher nur noch einen Teil der 200 Hektar großen Insel nutzen.

Trotzdem ist Memmert ein Vogelparadies: 40 Arten, davon 16 von der Roten Liste, brüten alljährlich auf Memmert. Dazu zählen Seeschwalben, Löffler, Säbelschnäbler oder Sumpfohreule. Von April bis Ende Juli bewegte sich Schopf so vorsichtig wie die Wildkaninchen auf der Insel. Denn dann ist Brutzeit. Schopf traute sich in dieser Zeit nicht einmal, als einziger Tourist am Strand zu liegen und zu baden. „Das ging immer erst ab August“.

Langweilig war es ihm nie. „Ich hatte das Glück, einen Job zu haben, bei dem Freizeit und Beruf identisch sind.“ Wenn er mal zehn Wochen wegen Eisgangs die Insel nicht verlassen konnte, war das zwar bisweilen ärgerlich, aber die Vorräte für eine längere Robinson-Crusoe-Zeit hatte er immer schon im Herbst angelegt.

Also ein Traumjob. Und doch nicht ganz. „In den 80er Jahren hatten wir die Hoffnung, dass der Naturschutz eine größere Bedeutung gewinnt“, meint Schopf heute, „aber die Menschen empfinden Naturschutz meistens als Drangsalierung.“ Der 65-Jährige spürte die direkten Folgen der Umweltverschmutzung, wenn er tote Eiderenten oder Seehunde am Strand vom Memmert einsammelte. „Oberflächlich ist die Nordsee sauber“, sagt Schopf, „aber die Belastung mit Schwermetallen ist nicht zu sehen.“

Am liebsten mochte er den Frühling. Er empfand es immer „als einen Rausch von Leben, wenn 25.000 Vögel in einem Schwarm über Memmert hinwegzogen“. Da konnte er es verschmerzen, dass „mich manchmal besorgte Vogeleltern beschimpften“.

Der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz in Norden (NLWK) wird die Inseln weiterhin durch einen Vogelwart betreuen. Enno Janssen wird Nachfolger von Schopf.

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