
Windpark Riepe/LK Aurich. Abbau vor dem Repowern, 26. Okt. 2025 – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
Allein in Deutschland stehen inzwischen über 30.000 Windkraftanlagen, von denen viele inzwischen abgebaut und mit neuen Anlagen repowert wurden und noch werden. Rechnerisch müssten demnach über 90.000 glasfaserverstärkte (GFK) Rotorenteile nach und nach entsorgt werden, im Laufe der Jahre werden weitere folgen. Nach Schätzungen des Bundesumweltamtes werden bis 2040 bis zu 430.000 Tonnen GFK-Abfälle angefallen sein. Der enorme Kunststoffanteil ist ein großes Problem bei der Entsorgung; bisher werden die Teile verbrannt oder auf Deponien gelagert, auch auf illegalen Deponien,
wie hier in Tschechien. Der Lobbyverband Bundesverband Windenergie (BWE) macht in seiner Pressemitteilung vom 09. Juni 2025 auf das Problem aufmerksam, und verlagert das Entsorgungsproblem, das angeblich keins ist, nun auf die neue und windkraftaffine CDU-SPD-Koalition:
BWE: GFK-Recycling: Neue Regierung jetzt gefragt
09.05.2025
„2024 wurden in Deutschland 555 Windenergieanlagen zurückgebaut. Die Anlagen können fast vollständig recycelt werden. Der BWE hatte Forderungen zur besseren Regelung des Recyclings aufgestellt, diese wurden jedoch unter der Regierung Scholz nicht mehr umgesetzt. Die neue Bundesregierung sollte jetzt hier gestalterisch tätig werden.
BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroek: „Die Recyclingfähigkeit von Windenergieanlagen ist einer der Vorteile der Technologie gegenüber anderen Erzeugungsarten. Damit wird sichergestellt, dass die Anlagen auch nach Ablauf ihrer Lebensdauer keine langfristigen negativen Auswirkungen auf die Umwelt haben. Um dies sicherzustellen, braucht es einen klaren politischen Regelungsrahmen. Der erste Schritt sollte dabei die Etablierung eines einheitlichen Rückbaustandards als gute fachliche Praxis sein. Auch braucht es einen spezialisierten Abfallschlüssel für CFK und GFK, in dem der Umgang mit diesen Bestandteilen der Anlagen genau geregelt wird. Diesen fordern auch das Umweltbundesamt und die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA). Zudem braucht es ein Exportverbot für gebrauchte Rotorblätter, um das illegale Entsorgen von Blättern im Ausland klar zu unterbinden. Rückbau und Recycling sollten zudem in allen europäischen Ländern nach dem gleichen Standard erfolgen, um Schlupflöcher zu schließen. Die Branche hat diesbezüglich einen Forderungskatalog erstellt, der jedoch leider von der Ampelregierung nicht mehr umgesetzt werden konnte.“
Aktuell hat der deutsche Anlagenpark ein durchschnittliches Alter von 15,2 Jahren. Folglich werden in absehbarer Zukunft zahlreiche ältere Anlagen zurückgebaut werden. Heidebroek: „Fast die Hälfte der installierten Erzeugungskapazität in Deutschland ist seit mehr als zehn Jahren am Netz. Dabei hat der sächsische Anlagenpark das höchste Durchschnittsalter. Fragen des Recyclings werden damit immer drängender. Die neue Bundesregierung hat jetzt die Gelegenheit, hier frühzeitig klare Vorgaben zu schaffen. Unsere diesbezüglichen Vorschläge liegen auf dem Tisch.“

Windpark Riepe/LK Aurich, 26. Okt. 2025. Zersägter Rotorschrott, GFK-laminiertes Balsaholz, offen zersägt – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
Einspruch!
Fakt ist jedoch, dass Windkraftanlagen schon währen ihres Betriebs „negative Auswirkungen auf die Umwelt“ haben, das setzt sich nach dem Ende der Betriebszeit durch das nach wie vor nicht befriedigende Entsorgungsproblem fort. Der Jurist Thomas Mock, der mehr als 30 Jahre mit der Kreislaufwirtschaft beschäftigt war, hat die BWE-Pressemitteilung kommentiert, wir danken für die Überlassung:
„Wer hat hier eigentlich etwas zu fordern? Doch wohl die Gesellschaft vom BWE. Der BWE hingegen versucht schon wieder seine Pflichten (Kosten) auf die Gesellschaft und die Bürger abzuwälzen.
1.Seit 30 Jahren behauptet der BWE man sei kurz davor einen Weg zum recyceln von Rotorblättern gefunden zu haben. Bis heute gibt es diesen Weg nicht. Die Behauptung wird nur immer wieder wiederholt, um so schlecht weiterzumachen wie seit 30 Jahren, nämlich eine zweifelhafte Entsorgung von alten Windanlagen ohne Recyceln.
2.Der Schrottberg von Rotorblättern ohne Lösung steigt an. Die Entsorgung durch dubiose Abrissmethoden (z.B.Sprengung) belastet die Umwelt mit jedem Abriss stärker. Die Bürgerinitiativen vor Ort müssen das strenger kontrollieren durch Foto- und Videodokumentationen und das Anfordern der Abrissbescheide durch die Überwachungsbehörden gemäss UIG, Umweltinformationsgesetz.
3.Die Windanlagen werden auch im übrigen nicht recycelt , sondern bestenfalls downgecycelt. Denn aus dem ehemaligen Materialien von Windanlagen werden nicht erneut Windanlagen(teile) hergestellt, bestenfalls wenige Prozente als Ausnahmen, wie bei einem Teil der seltenen Erden oder einem Teil des Kupfers. Der weit überwiegende Teil wandert in minderwertige Verwertungen oder wird verbrannt, was dann „hochtrabend“ und ablenkend „thermisches Recycling“ tituliert wird. Das ist ein rhetorischer Begriffs-Missbrauch.
4.Bei vielen Abrissen werden Rotorblätter vor Ort unsachgemäss zersägt. Dadurch gelangen widerrechtlich viele toxische Stoffe in die Umwelt. Böden und Grundwasser werden für immer kontaminiert. Hier gilt es die Behörden, Betreiber, Verwerter/Abrissunternehmen und Grundstückseigentümer in die rechtliche (verwaltungsrechtliche, strafrechtliche und zivilrechtliche) Pflicht zu nehmen. Häufig wird gegen umweltrelevante Strafregelungen verstoßen, weswegen fast immer vermehrt Strafanzeigen bei der zuständigen Staatsanwaltschaft/Polizei angezeigt sind.
5. Solche Ordnungswidrigkeitstatbestände finden sich z.B. in Umweltgesetzen (z. B. § 26 Bundesbodenschutzgesetz, § 103 Wasserhaushaltsgesetz, 69 Kreislaufwirtschaftsgesetz, § 26 Chemikaliengesetz, § 69 Bundesnaturschutzgesetz). Umweltstraftaten sind besonders schwerwiegende Zuwiderhandlungen gegen das Umweltrecht. Diese ahndet der Gesetzgeber als letztes Mittel (sog. ultima ratio) mit Geld- oder Freiheitsstrafen. Dadurch hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Gesellschaft diese schweren Verstöße gegen das Umweltrecht besonders missbilligt. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber mit diesen Regelungen europäische Vorgaben zur wirksamen Umweltpflege (EU-Richtlinie Umweltstrafrecht, 2008/99/EG) umgesetzt.Umweltrechtliche Straftatbestände finden sich in den §§ 324 ff. im 29. Abschnitt des Strafgesetzbuches (StGB) unter dem Titel „Straftaten gegen die Umwelt“ und in einigen Umweltgesetzen (z. B. §§ 27 ff Chemikaliengesetz, §§ 71, 71a Bundesnaturschutzgesetz). Beispiele:a.§ 324a Bodenverunreinigung(1) Wer unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten Stoffe in den Boden einbringt, eindringen läßt oder freisetzt und diesen dadurch 1.in einer Weise, die geeignet ist, die Gesundheit eines anderen, Tiere, Pflanzen oder andere Sachen von bedeutendem Wert oder ein Gewässer zu schädigen, oder 2.in bedeutendem Umfang verunreinigt oder sonst nachteilig verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.(2) Der Versuch ist strafbar.(3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.b.§ 324 Gewässerverunreinigung§ 324 wird in 8 Vorschriften zitiert(1) Wer unbefugt ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigenschaften nachteilig verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.(2) Der Versuch ist strafbar.(3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
6. Eine mittelfristige Verschärfung des Umweltstrafrechts stellt die neue EU-Richtlinie (2024/1203) dar, welche die derzeitige Richtlinie aus dem Jahr 2008 ablöst und deutlich umfangreicher ist als die bisherige Regelung.Die „Richtlinie (EU) 2024/1203 vom 11. April 2024 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt und zur Ersetzung der Richtlinien 2008/99/EG und 2009/123/EG“ wurde am 30.04.2024 hier im EU-Amtsblatt verkündet. Sie muss bis zum 21. Mai 2026 ins jeweilige nationale Recht übernommen werden, in Deutschland vor allem ins Strafgesetzbuch, 29. Abschnitt „Straftaten gegen die Umwelt“, ab § 324.Was dies konkret bedeutet, wird von der Kanzlei „avocado rechtsanwälte“ auf deren Homepage erläutert: Richtlinie über Umweltkriminalität beschlossen – Überblick und Ausblick | avocado rechtsanwälte.
Es steht zu befürchten [für die Windlobby], dass sich Deutschland hier eng an die neuen Vorgaben halten muss, was deutlich strengere Anforderungen für Unternehmen mit sich bringt (z.B. beim Umgang mit gefährlichen Abfällen).Quelle: IHK Südlicher-Oberrhein (angepasst) Ursprüngliche Meldung vom Dezember 2023: Die im Jahre 2008 eingeführte EU-Richtlinie zum Schutze der Umwelt hat, nach Bewertung der Kommission, nicht die erforderlichen und gewünschte Ziele herbeigeführt, weshalb sich am 16. November 2023 vorläufig politisch auf die Revision der EU-Umweltstrafrechtsrichtlinie geeinigt wurde. Juristische Personen werden zukünftig, alternativ zu den umsatzbezogenen Sanktionen, auch eine Mindeststrafhöhe von 40 Mio. Euro für schwere und 24 Mio. Euro für andere Umweltstraftaten zu befürchten haben. Die Höhe der Strafe wird zudem bei einer vorsätzlich begangenen Straftat, die zur Zerstörung oder zu großflächigem und erheblichem Schaden führt, verschärft. Auch für natürliche Personen sollen die Strafen deutlich härter werden und es wird mehr abgedeckte Straftaten geben. Der vorgeschlagene Rechtsakt muss noch von Rat und Parlament final gebilligt werden.Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2023/11/16/environmental-crime-council-and-european-parliament-reach-provisional-agreement-on-new-eu-law.
7. Erst jüngst ist die Verbringung von Resten von Windanlagen in die Tschechei aufgeflogen, das dürfte kein Einzelfall gewesen sein, sondern nur besonders dämlich.
Link:
Neue Daten zur grenzüberschreitenden Abfallverbringung – Zeitreihe notifizierungspflichtige Abfälle – Quelle: Umweltbundesamt.“