ARD-Fernsehbericht: Naturschutz und Energiewende: Der BUND vor der Zerreißprobe?

DAs -noch - windkraftfreie Gebiet "Nordergründe am Nationalpark Niedersächcisches Wattenmeer, im Hintergrund der Leuchtturm "Roter Sand", Foto (C): Manfred Knake

Das -noch – windkraftfreie Gebiet „Nordergründe“ am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, im Hintergrund der Leuchtturm „Roter Sand“, Foto (C): Manfred Knake

ARD-Fernsehbericht:
Naturschutz und Energiewende: Der BUND vor der Zerreißprobe? Ein Kommentar

Auf den Seiten des Wattenrates wird seit Jahren die Nähe einiger Naturschutzverbände zur Windenergiewirtschaft beschrieben und beklagt. BUND, NABU oder Greenpeace geben sich als Schützer der Natur und Umwelt aus, sind aber auch gleichzeitig Ökostromanbieter und eng mit der Windenergiewirtschaft verbandelt. Sie versuchen der Öffentlichkeit seit Jahren einzureden, Windkraftwerke trügen zum „Klimaschutz“ bei, hätten also irgendwelche Auswirkungen auf ein nicht näher definiertes „Klima“ (welches?). Das ist ausgemachter ideologisch motivierter Unsinn. Windkraftwerke, und deshalb heißen sie so, speisen nur Strom in das Stromnetz ein, wenn der Wind eine anlagenspezifische Geschwindigkeit erreicht hat; Wind gehört zum Wetter, und „Klima“ ist der statistische Wert von 30 Jahren Wetteraufzeichnung für eine bestimmte Region. Und ohne ein vorhandenes stabiles Stromnetz, das nur grundlastfähige Wärmekraftwerke vorhalten, können auch eine Million Windkraftwerke nicht ins Netz einspeisen, sie sind wegen ihrer nur unregelmäßigen windabhängigen Einspeisung auf die netzstabilisierenden Regelkraftwerke angewiesen.
Die Auswirkungen der Windmonster auf Natur und Mensch sind seit Jahren bekannt: weiträumige Scheucheffekte bei bestimmten Vogelarten mit dem damit verbundenen Lebensraumverlust, tödlicher Anflug von Vögeln oder Fledermäusen (oder Tod durch Organimplosionen durch den Druckunterschied vor und hinter dem Rotor, das Barotrauma) mit z.T. schon bestandsbedrohenden Dimensionen, gesundheitliche Beeinträchtigungen der Anwohner durch Dauerlärm, unhörbarer tieffrequenter Infraschall mit Schlaflosigkeit oder Übelkeit. Das ARD-Magazin „Plusminus“ hat den seit Jahren schwelenden Konflikt zwischen der starken Energiefraktion und der schwächeren Naturschutzfraktion im BUND gestern thematisiert und berichtete von verschiedenen Mitgliedern, die dem Verband den Rücken gekehrt haben. Der Kommenator hat den BUND schon vor zwanzig Jahren verlassen, nach einer Landesdelegiertenversammlung in Delmenhorst, wo der mit wechselnden Etiketten auftretende damalige energiepolitische Sprecher des BUND und gleichzeitiger Leiter der Niedersächsischen Energieagentur Stephan Kohler (später Leiter der Deutschen Energieagentur, ab 2015 Vorsitzender im GETEC-Fachbeirat, GETEC ist ein Energiedienstleister mit Schwerpunkt „Erneuerbare Energie) kritische Wortbeiträge zur Windenergienutzung zu verhindern versuchte. Ein anderer Windenergiebetreiber aus Ostfriesland leitete in den Neunzigern für kurze Zeit als Bundesgeschäftsführer den BUND: Onno Poppinga, gut bekannt mit dem langjährigen niedersächsischen BUND-Landesgeschäftsführer Bodenstein-Dresler – Multifunktionär im BUND – und Stephan Kohler. Das windige Netz ist eng gestrickt.

Dreharbeiten an Bord des Lotsenversetzers "Rüstringen": KAmeramann und Autorin Barbara Schmickler, Foto (C): Manfred Knake

Dreharbeiten an Bord des Lotsenversetzers „Rüstringen“: Kameramann und Autorin Barbara Schmickler, im Hintergrund der Leuchtturm „Alte Weser“, Foto (C): Manfred Knake

Die Darstellung von Niedersachsens Landesgeschäftsführer Bodenstein-Dresler im ARD-Beitrag zum geplanten Nearshore-Windpark „Nordergründe“ mit 18 Anlagen und mehr als 200 Metern Höhe vernebelt mehr als sie Klarheit schafft: Der BUND-Niedersachsen erhält 20 Prozent der gesetzlich vorgesehen Naturschutz-Ersatzzahlungen für die Rücknahme seiner Klage vor dem Verwaltungsgericht in Oldenburg gegen diesen Windpark, nur wenige hundert Meter vom Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, EU-Vogelschutzgebiet und „Weltnaturerbe“ entfernt. Das sind satte 820.000 Euro für die „Stiftung Naturlandschaft“ des BUND. Die Zahlung wurde nach einer Vereinbarung mit der Niedersächsischen Staatskanzlei und dem WWF im März 2011 unterzeichnet, die für den BUND abgezweigten Mittel standen eigentlich dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) zu. Die Windkraftmonster im Wattenmeer sollen „an zehn Tagen im Jahr“ abgeschaltet werden; ein Feigenblatt: Der Vogelzug beginnt schon mit dem Ende der Brutzeit im Juli und geht bis in den November-Dezember. Auch ohne sich drehende Rotoren stellen die riesigen Anlagen Hindernisse dar, an denen die Zugvögel bei unsichtigem Wetter durch Anprall zu Tode kommen werden.

Aus dem Forschungsbericht „Finobird“: „[…] Besuche der unbemannten Plattform durch Projektmitarbeiter oder anderes Personal wurden dazu genutzt, nach verunglückten Vögeln zu suchen. Bei 36 von 159 Besuchen wurden insgesamt 770 tote Vögel (35 Arten) gefunden. Am häufigsten waren Drosseln und Stare mit zusammen 85 % vertreten. Da nur wenige Individuen abgemagert waren und zudem zwei Drittel der Vögel äußerlich erkennbare Verletzungen aufwiesen, dürfte es sich nahezu ausschließlich um Kollisionsopfer gehandelt haben. Angesichts der wenigen Kontrollen, des Aufbaus der Plattform (80 m hoher Gittermast über kleinem Deck) sowie der hohen Wahrscheinlichkeit, ins Wasser zu fallen oder von rastenden Möwen gefressen zu werden, ist offensichtlich, dass es sich bei den gefundenen Opfern nur um einen Bruchteil der tatsächlich mit der Plattform kollidierten Vögel gehandelt hat. […]“

Für diejenigen, die den Plusminus-Beitrag gestern Abend um 21.45 Uhr nicht gesehen haben oder diesen bemerkenswert knallharten Beitrag noch einmal sehen möchten (solange der Beitrag in der Mediathek verfügbar ist):

* Plusminus in Das Erste: Naturschutz und Energiewende: Der BUND vor der Zerreißprobe?

Dabei war auch der Unterzeichner, der von Bord eines Lotsenversetzers im Wattengebiet „Nordergründe“ NO von Wangerooge vor der ARD-Kamera sein Missfallen über den geplanten Nearshorewindpark Nordergründe ausdrückte, vor dem Mikrofon aber kaum Worte fand. Ihm fielen wegen der einsetzenden Seekrankheit zunächst die Farbe und dann das Essen aus dem Gesicht…

Manfred Knake

Hier der Text zur Sendung vom 05. August 2015:

Naturschutz und Energiewende: Der BUND vor der Zerreißprobe?

Windkraftwerke liefern Energie. Aber vertragen sie sich mit Landschafts- und Artenschutz?
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, kurz BUND, ist einer der großen Umweltverbände in Deutschland. Der Verband setzt sich ein für Naturschutz, Artenschutz und den Erhalt von Lebensräumen für bedrohte Tiere und Pflanzen. Ein weiteres Ziel des BUND ist eine naturverträgliche Energiewende. Ökologisch und sauber soll er sein, der neue Strom. Dafür wurden landauf, landab schon etwa 25.000 Windkraftanlagen gebaut. Doch vertragen sich die Windräder mit Natur- und Artenschutz sowie Landschaftspflege, die beim BUND in der Satzung stehen? Im BUND ist eine Diskussion um das Für und Wider der Windenergie entbrannt. Ein Verband vor der Zerreißprobe?

Prominente Austritte aus dem BUND

Für Enoch zu Guttenberg, der vor 40 Jahren den BUND mitbegründete, war dieser Konflikt innerhalb des BUND unauflösbar. Er verließ den Verband 2012. Seine Kritik: Windkraftanlagen seien „Geländefresser“ und „hocheffiziente Geräte zur Vernichtung von Vögeln und Fledermäusen“. Im Interview mit Plusminus sagt er: „Wir industrialisieren jetzt unseren letzten Naturraum. Dagegen haben wir alle gekämpft, haben unsere Köpfe dafür hin gehalten. Und das geht jetzt mit freundlichen Grüßen vom BUND vor die Hunde.“ Sein Vorwurf: Der BUND verrate den Artenschutz und den Landschaftsschutz.
Dazu teilt der Bundesverband des BUND Plusminus auf Anfrage mit: „Von der lokalen bis zur nationalen Ebene setzten wir uns kritisch mit Planungen für neue Windkraftanlagen auseinander. Wir nehmen kritisch Stellung, machen Veränderungsvorschläge oder lehnen in bestimmten Fällen auch neue Anlagen an bestimmten Standorten ab. Fallweise klagen wir auch gegen Anlagen, wenn ihre Genehmigungen nicht den rechtlichen Vorgaben entsprechen.“

Klagerecht – Privileg der Naturschutzverbände

Wenn der BUND aus naturschutzrechtlichen Gründen klagt, nutzt er ein Privileg, das in Deutschland nach aktueller Rechtslage nur anerkannten Naturschutzverbänden zusteht: Mit einer Verbandsklage können Umweltverbände prüfen lassen, ob die Vorschriften des Umweltrechts eingehalten wurden.

Windpark Fürfeld in Rheinland-Pfalz

In Rheinland-Pfalz wollte Harry Neumann als damaliger BUND-Landesvorsitzender gegen den Windpark in Fürfeld vorgehen. Er hatte Bedenken, ob vor der Genehmigung des Windparks die Aspekte des Naturschutzes ausreichend untersucht worden waren. Also klagte der BUND – und hatte Erfolg. Die Naturschützer um Harry Neumann erreichten einen Bau- und Betriebsstopp der Anlage. Eine neue Umweltverträglichkeitsprüfung wurde angeordnet. Doch in dieser Zeit, so schildert Harry Neumann, sei Druck von der Windkraftindustrie auf ihn ausgeübt worden. Dieser Druck kam auch aus dem Verband selbst.
Torsten Szielasko, BUND-Mitglied und Geschäftsführer der Firma GAIA, die die Anlagen in Fürfeld plante, bat Neumann nicht gegen die Anlage vorzugehen. Dazu teilt Szielasko Plusminus schriftlich mit: „Ich bat Herrn Neumann dann von der Klage abzusehen, da ich langjähriges Mitglied des BUND bin und der Standort Fürfeld über mehrere Jahre leitfadenkonform untersucht“ wurde. Szielasko ist mit seiner Firma GAIA im Bereich des Baus und Betriebs regenerativer Energieerzeugungsanlagen tätig. Er ist davon überzeugt, engagiert sich deswegen auch umweltpolitisch im BUND.

Tauziehen geht weiter

Nach dem verhängten Baustopp geht das Tauziehen innerhalb des BUND in Rheinland-Pfalz weiter. Denn der BUND muss eine Stellungnahme für eine Umweltverträglichkeitsprüfung abgeben – und über die entbrennt ein Streit zwischen Windkraftbefürwortern und Windkraftgegnern im BUND. Dabei geht es auch um Beobachtungen des Rotmilans. Der Greifvogel ist streng geschützt, Windräder dürfen seinen Lebensraum nicht zerstören. Auch in Fürfeld wurde der Rotmilan gesichtet. Doch das will nicht jeder im BUND auch in die Stellungnahme aufnehmen. BUND-Schatzmeister Matthias Boller versucht, das belegen Plusminus vorliegende Mails, massiven Einfluss auf die Stellungnahme zu nehmen.
Matthias Boller ist nicht nur Schatzmeister im BUND-Landesvorstand Rheinland-Pfalz, sondern auch stellvertretender Regionalvorsitzender des Bundesverbands Windenergie in Rheinland-Pfalz, ein Branchenverband. Boller jedoch bestreitet auf Anfrage, ein „Vertreter der Windkraftindustrie“ zu sein. Der BUND sei kein Lobbyverband, schreibt er. Er teilt schriftlich mit, er engagiere sich als Umweltschützer für die nachhaltige Nutzung aller regenerativen Energien. Zudem verweist er darauf, dass der BUND beispielsweise Mitherausgeber der Studien „Zukunftsfähiges Deutschland“ ist. Demnach würde man, so schreibt Boller, ohne die Energiewende und ein sehr genaues Ressourcenmanagement keinen Klima- und Naturschutz betreiben können.
Für Enoch zu Guttenberg ist die Verquickung von Windindustrie und BUND kein Einzelfall. Der BUND sei von Lobbyisten der Windkraftbranche unterwandert: „Ich weiß allein 20 Personen vom BUND, führende Persönlichkeiten in den jeweiligen Bundesländern, die gleichzeitig in der Windlobby angestellt sind und für die arbeiten.“

Energiewende als klares Ziel

Für BUND-Landesgeschäftsführerin Sabine Yacoub ist die Doppelfunktion Bollers im Plusminus-Interview kein Problem: „Er ist im Bundesverband Windenergie, was übrigens ein Verband ist, den der BUND mitbegründet hat, den wir auch nicht als reinen Windkraftlobbyverband verstehen, sondern als einen Verband, der die Energiewende voranbringen will“, sagt Yacoub.
Mittlerweile sind die Windkraftanlagen in Fürfeld genehmigt und in Betrieb. Die Kreisverwaltung erteilte eine neue Genehmigung. Dagegen ging der BUND juristisch nicht weiter vor. Harry Neumann legte daraufhin seinen Posten als BUND-Landeschef nieder. Die Vorfälle in Fürfeld handeln dem Bundesverband Windenergie (BWE) den Vorwurf ein, er hätte den BUND unterwandert und dort massiv Einfluss genommen. Wir fragen nach bei BWE-Präsident Hermann Albers: „Wir führen eine Reihe von Gesprächen mit dem BUND. Wir sind froh darüber, dass es im Grundsatz ein Bekenntnis gibt, dass man erneuerbare Energien ausbauen will.“ Weiter sagt Albers, der auch BUND-Mitglied ist: „Der BUND steht faktisch auf unserer Seite und erkennt an, dass Windkraft ein Beitrag zum Klima- und Umweltschutz ist. Insofern an dieser Stelle sind wir uns einig.“
Für Enoch zu Guttenberg ist diese Verquickung zu eng. Er sei auch deswegen aus dem BUND ausgetreten. „Die müssen sich hinstellen und sagen, wir zerstören damit Natur, die wir eigentlich schützen müssen“, fordert er.

Nordergründe: BUND zieht Klage zurück

In Nordergründe in Niedersachsen wird ein Windpark in der Nähe zum Nationalpark Wattenmeer geplant. Manfred Knake setzte sich mit seiner kleinen Gruppe Wattenrat gegen den Bau der Anlage ein. „Das Problem ist die Nähe zum Nationalpark und zum EU-Vogelschutzgebiet. Hier brüten und rasten sehr viele Vögel der nördlichen Halbkugel. Die Zugwege kommen von Russland über Skandinavien hier durch. Abertausende Tiere werden mit diesen Hindernissen kollidieren. Es wird hier zu enormen Vogelverlusten kommen“, befürchtet Knake.
Zunächst war auch der BUND gegen den Bau des Windparks Nordergründe und klagte. Nach Abschluss eines Vergleichs zog der Verband dann aber seine Klage zurück. Im Interview sagt der niedersächsische BUND-Geschäftsführer Carl-Wilhelm Bodenstein-Dresler, man habe für die Natur sehr viel erreicht. Im Laufe des Verfahrens habe sich an der Planung deutlich etwas verändert: „Die Menge der Windanlagen, die dort geplant ist, ist auf die Hälfte reduziert. Das ist ein großer Unterschied.“ Zudem sollen die Anlagen an bis zu zehn Tagen im Jahr abgeschaltet werden, wenn Zeit des Massenvogelzugs ist.
Laut BUND-Geschäftsführer Bodenstein-Dresler gibt es Diskussionen innerhalb des Verbandes. „Wir als BUND stehen in einem sehr starken inneren Konflikt: Wie kriegen wir den Klimawandel in den Griff ohne den Naturschutz unter die Räder kommen zu lassen? Das ist ein Konflikt, der ist nahezu unauflösbar.“

Damit steht der BUND 40 Jahre nach seiner Gründung vor einer Zerreißprobe. „Ökostrom, Naturstrom zu nennen, der nur zu haben ist, indem man Natur zerstört, Tiere umbringt und Landschaften vernichtet und Horizonte vernichtet“, sagt Enoch zu Guttenberg, „das ist eine Lebenslüge von denen.“

In Bayern hat der BUND nun Konkurrenz bekommen. Das Landesamt für Umwelt hat offiziell einen neuen Naturschutzverein anerkannt: den „Verein für Landschaftspflege & Artenschutz in Bayern“ (VLAB). Mit in dem noch jungen Verein aktiv: Enoch zu Guttenberg, einstiger Mitbegründer des BUND.

Autoren: Barbara Schmickler und Jörg Hilbert

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