Windkraft und Naturschutz, in diesem Falle der Artenschutz von Fledermäusen und Vögeln, vertragen sich nicht. Nicht nur, dass Rastvogellebensräume durch die riesigen Windkraftanlagen allein durch den enormen Scheucheffekt entwertet werden, auch der direkte Anflug an die Anlagen sorgt für eine große Zahl von Todesopfern, die aber nur unzureichend erfasst werden. Bei einem nachweisbaren „signifikant erhöhten Tötungsrisiko“, das sich aus dem Tötungsverbot des § 44 Bundesnaturschutzgesetz ergibt, dürfen die Anlagen nicht errichtet werden. Die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAGVSW) bastelte jahrelang am mehrfach überarbeiteten sog. „Hegoländer Papier“, in dem fachliche Abstandsempfehlungen unter Aufsicht der windkraftgeneigten Länderumweltministerien festgelegt wurden. Dieses Papier wurde lange unter Verschluss gehalten und zuerst beim Wattenrat veröffentlicht. Die darin festgehaltenen naturschutzfachlichen Empfehlungen werden von Gerichten bei strittigen Abständen anerkannt, entsprechende Urteile liegen vor. Die unersättliche Windlobby aber bohrt weiter, gegen das Investitionshemmnis „Helgoländer Papier“.
Die „Fachagentur Windenergie an Land“ macht aktuell mit einer Veranstaltung mobil: Das Helgoländer Papier 2015 – Rechtliche Einordnung und Implikationen für die Praxis. So sieht u.a. die Ankündigung aus:
„Das Rechtsgutachten von Prof. Dr. Sabine Schlacke und Ass.iur. Daniel Schnittker wird am 12. November 2015 im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung vorgestellt. Im Anschluss diskutieren Experten aus verschiedenen Bereichen über die rechtliche Einordnung und die praktischen Implikationen des Helgoländer Papiers.“
Bemerkenswert: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Deutsche Naturschutzring (DNR) sind Mitglied in der Fachagentur!
Inzwischen liegt von der Fachagentur auch eine Studie zu „Vermeidungsmaßnahmen bei der Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen – Genehmigung Windenergieanlagen – Bundesweiter Katalog von Maßnahmen zur Verhinderung des Eintritts von artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen nach § 44 BNatSchG“ vor. Auszug aus dem Vorwort: „Vor diesem Hintergrund können Vermeidungsmaßnahmen bewirken, dass Windenergieanlagen auch in konfliktträchtigen Bereichen errichtet werden dürfen: Sie sorgen dafür, dass trotz des Betriebs einer Anlage das Tötungsrisiko der betroffenen Arten nicht in signifikantem Maße steigt.“ Klartext: Diese vom Bundesministerium und Wirtschaft geförderte Studie will aufzeigen, wie man z.B. durch Flächenänderung am Mastfuß, Weglocken oder Vergrämung der Tiere, sog. „Habitatoptimierung“ oder vorübergehende Abschaltungen das signifikant hohe Tötungsrisiko umgeht und so Anlagen auch an umstrittenen Standorten im Sinne der Windenergiewirtschaft möglich machen kann.
Die „Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen„ hat das Vorgehen dieser Lobbyorgansitation näher beleuchtet, wir danken den Eulenfreunden für die Überlassung des nachfolgenden Beitrages:
Purer Lobbyismus – Oktober 2015
Die Abstandsempfehlungen der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten sind zwar veröffentlicht und von der Rechtsprechung anerkannt. Allerdings zum Missfallen der Windenergiewirtschaft und der sie fördernden Politik. Dazu zählen Wirtschafts- und Umweltministerien des Bundes und der Länder und eine Reihe von Lobbyvereinigungen. Sie sind, nach dem sie die Veröffentlichung nicht länger aufhalten konnten, bemüht, die als „Helgoländer Papier“ bezeichneten Empfehlungen der Vogelschutzwarten zu relativieren und zu marginalisieren.
Einige Bundesländer unterbieten beispielsweise die empfohlenen Abstände zum Schutz von Rotmilanvorkommen unverhohlen und schamlos. In Brandenburg wird der Art gar kein Abstand zugebilligt, in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen 1.000 m, in Hessen 500 m statt der von deutschen Vogelschutzwarten empfohlenen 1.500 m. Ein Unterbieten ohne oder mit geradezu abenteuerlichen Begründungen und nirgends auf Fakten gestützt. Und auch diese Abstände sind nicht unantastbar. Im Gegenteil: Die Windenergiewirtschaft bezahlt eine Vielzahl von Gutachtern, die auch innerhalb dieser Distanzen die Unbedenklichkeit der Anlagen herbei untersucht.
Die Versuche, die Abstandsempfehlungen auf diese Weise irgendwie doch noch klein zu kriegen, dürften allerdings mit Blick auf die Rechtsprechung kaum Erfolg versprechen. Die Windenergiewirtschaft ist nicht grundlos nervös. Zu ihr gehört die „Fachagentur Windenergie an Land“. Sie hat nach eigenem Bekunden „die rechtliche Qualität und Relevanz des Helgoländer Papiers und die Implikationen für die Praxis begutachten lassen“. Das Ergebnis der Überprüfung will die Fachagentur am 12. November 2015 in Berlin der Öffentlichkeit präsentieren. Ein weiterer Versuch der Branche, ihre Interessen durchzusetzen und gewiss kein Beitrag für die Sache des Vogelschutzes.
Zu den Mitgliedsverbänden der „Fachagentur Windenergie an Land“ zählen zwar auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Deutsche Naturschutzring (DNR). Aber beide Verbände stehen nach Ansicht von Kritikern mehr auf der Seite der Windenergiewirtschaft als des Naturschutzes. Mit einer seriösen Veranstaltung in Berlin rechnen Insider der Szene jedenfalls nicht. Dieselbe „Fachagentur“ hatte bereits im letzten Jahr in Niedersachsen einiges aufgeboten, um dort das von der Rechtsprechung immer wieder bestätigte Papier des dortigen Landkreistages zu marginalisieren und die Fertigstellung eines alternativen windenergiefreundlichen Papiers der niedersächsischen Landesregierung zu befeuern. Damals firmierte der Veranstalter noch unter der Bezeichnung „Fachagentur zur Förderung eines natur- und umweltverträglichen Ausbaus der Windenergie an Land“.
Eine juristische Begutachtung des Helgoländer Papiers findet übrigens seit langem immer wieder vor Gerichten statt. Die Empfehlungen der Vogelschutzwarten wie auch des Niedersächsischen Landkreistages sind erst kürzlich erneut von einem deutschen Verwaltungsgericht bestätigt worden. Die Einlassungen des Inhabers eines Planungsbüros hat das Gericht im streitbefangenen Fall ausdrücklich zurückgewiesen. Der Mann hat sich jahrelang für BUND und DNR für den Ausbau der Windenergiewirtschaft stark gemacht. Auf diese Verbände kann der professionelle Naturschutz im Konflikt mit der Windenergiewirtschaft nicht zählen. In vielen Fällen stehen – von Ausnahmen abgesehen – diese Verbände und ihre Funktionäre auf der anderen Seite. Für das Helgoländer Papier haben sich diese Verbände zu keiner Zeit stark gemacht; jetzt unternehmen sie nichts gegen dessen angestrebte Schwächung, sondern wirken daran als Handlanger mit.
Vielleicht wird man am Ende der Veranstaltung in Berlin sagen, „außer Spesen nichts gewesen“. Das wäre ein vergleichsweise harmloses Ergebnis. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert die Veranstaltung. Geld der Steuerzahler abgreifen, für die Windenergiewirtschaft Widerstände brechen und den Naturschutz marginalisieren. Darum geht ’s auch dieses Mal. Und um viel Geld. Und selbstverständlich um Klimaschutz. Klimaschutz in den Kassen der Investoren.