Die Eingriffsregelung, die nichts mit der Unterhose zu tun hat, ist ein wichtiges Instrument des Naturschutzes. Das sind die Ziele und Grundprinzipien der Eingriffsregelung, laut Veröffentlichung des Bundesamtes für Naturschutz:
„Die Eingriffsregelung nach §§ 13ff. BNatSchG hat zum Ziel, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes auch außerhalb der besonderen Schutzgebiete zu erhalten. Zu den häufigsten Eingriffstypen zählen Siedlungs- und Verkehrswegebauten. Eingriffe in Natur und Landschaft sind nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung vorrangig zu vermeiden. Sofern das nicht möglich ist, sind landschaftspflegerische Maßnahmen (sogenannte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen) zu ergreifen. Mit diesem Vorgehen wird ein auf alle Schutzgüter des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes bezogener sowie ein flächendeckender Ansatz verfolgt.“
Wortlaut des Bundesnaturschutzgesetzes: „§ 13 Allgemeiner Grundsatz – Erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sind vom Verursacher vorrangig zu vermeiden. Nicht vermeidbare erhebliche Beeinträchtigungen sind durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen oder, soweit dies nicht möglich ist, durch einen Ersatz in Geld zu kompensieren.“
Die Eingriffsregelung ist bei Bauprojekten und für Investoren lästig, sie ist mit Gutachten und Kosten verbunden. Auf Bundesebene wird still und leise daran gearbeitet, diese vermeintliche Bremse für die Energiewende, die Offshore-Windenergie und den Fernstraßenbau zu lösen. Die Europäische Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE) hat´s gemerkt und kommentiert. Mit freundlicher Genehmigung der Eulenfreunde:
Unbemerkt von der Öffentlichkeit und im Schatten der Fridays-for-Future-Bewegung hat die Bundesregierung im September 2019 den Bundesländern mit Vierwochenfrist den Entwurf einer sogenannten Bundeskompensationsverordnung zur Stellungnahme vorgelegt. Ein erster Entwurf war bereits 2012 in die Diskussion geraten, seine Einführung aber am Widerstand der Bundesländer gescheitert.
Jetzt will die Bundesregierung eine solche Verordnung wenigstens für Eingriffe im Verantwortungsbereich des Bundes, nicht zuletzt zugunsten der Energiewende, durchsetzen. Zu diesen Eingriffen zählen insbesondere der Ausbau der Stromnetze mit unter- und oberirdischen Leitungen, der Bau von Windenergieanlagen auf See sowie der Bundesfernstraßenbau. Für diese Vorhaben im Zuständigkeitsbereich des Bundes kommt es auf die Zustimmung des Bundesrates nicht an. Deshalb rechnen Kenner der Materie mit einer rücksichtslosen Einführung dieser Verordnung.
Zwar gibt die Bundesregierung vor, mit dieser Verordnung die Sache des Naturschutzes stärken zu wollen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Verordnung reduziert die bisher geltenden keineswegs überzogenen Anforderungen an Kompensationsmaßnahmen teilweise drastisch, so etwa zugunsten von Energiefreileitungen vielerorts auf bis zu ein Drittel der bislang für solche Eingriffe notwendigen Naturschutzmaßnahmen. Auch für die Zerstörung alter Waldstandorte und anderer wertvoller Lebensräume soll künftig viel weniger an Ausgleich geleistet werden müssen als bisher in vielen Bundesländern verlangt wird und Praxis ist. Auch hierfür wird der Flächenbedarf um bis zu zwei Drittel reduziert.
Das wahre Motiv, das die Bundesregierung mit der Verordnung verfolgt, liegt auf der Hand: Der Flächenbedarf und die Kosten für die Bewältigung der Folgen von Netzausbau, Bundesfernstraßenbau und Ausbau der Windenergiewirtschaft auf See für Natur und Landschaft sollen gesenkt werden. Auch deswegen, um landwirtschaftliche Nutzflächen vor Maßnahmen des Naturschutzes zu schützen. Schon die frühere Bundesregierung hatte die Fertigstellung einer Bundeskompensationsverordnung bemerkenswerterweise unter dem Kapitel „Landwirtschaft“ und nicht etwa „Naturschutz“ vereinbart, was an den tatsächlichen Beweggründen keinen Zweifel ließ.
Dabei liegt der Anteil aller Kompensationsflächen nach mehr als 40 Jahren naturschutzrechtlicher Kompensationspflicht für Bauvorhaben im bundesweiten Durchschnitt eher im Promille- als Prozentbereich. Auch die finanziellen Aufwendungen für Kompensation bewegen sich zumeist unter fünf Prozent der Investitionskosten für das jeweilige Bauvorhaben. Dieses niedrige Niveau würde mit Einführung der Bundeskompensationsverordnung noch weiter gesenkt werden.
Unerwarteter Widerstand gegen die Einführung der Bundeskompensationsverordnung könnte ausgerechnet aus der Wirtschaft selbst kommen: Der Entwurf enthält nämlich so viele methodische Mängel, Unschärfen und im Detail ein so großes Maß an Unbestimmtheit, dass eines der wichtigsten und berechtigten Verordnungsziele verfehlt wird: Dass nämlich verschiedene Anwender bei gleicher Fallkonstellation zu einem übereinstimmenden (oder wenigstens ähnlichen) Ergebnis hinsichtlich Eingriffsfolgenabschätzung und -bewältigung gelangen. Infolgedessen wird auch die gewollte Vereinheitlichung, Vereinfachung und Beschleunigung von Zulassungsverfahren verfehlt und geradezu konterkariert.