Dauergrünland und Bauernpropaganda

Grasmahd im Mai sogar in Schutzgebieten: Nüttermoor/Ems – Foto (C): Eilert Voß/Wattenrat

Bauernpropaganda in vielen Tageszeitungen im Nordwesten:

Artenvielfalt
Ganz schön was los
Unser Dauergrünland bietet Lebensraum für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten. Und die sind gut für uns und unsere Natur. Denn die biologische Vielfalt trägt maßgeblich dazu bei, dass unsere [sic!] Ökosysteme funktionieren. So graben Regenwürmer den Boden um, belüften ihn dabei und sorgen mit ihren Gängen dafür, dass sich Nässe nicht staut. Und beheimatete Insekten bestäuben Blütenpflanzen, die sich so vermehren. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Biodiversität dramatisch abgenommen. Umso wichtiger ist es für uns, mit Weidehaltung den Erhalt des Dauergrünlands zu sichern und die Artenvielfalt in unserer Region zu fördern.
https://www.ammerlaender.de/landingpages/da-stehn-wir-drauf

Dieser Text findet sich in ganzseitigen Anzeigen in verschiedenen Tageszeitungen im Nordwesten. Dreiste Bauernpropaganda ersetzt die Realität. Dauergrünland ist in Deutschland mit weniger als 30 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen vorhanden. Die Grünlandflächen haben in Deutschland von 1991 bis 2021 um rund 11 Prozent abgenommen.

Das Dauergrünland mit schnellwachsendem und proteinreichem Weidelgras und sog. „Obergräsern“ wie Wiesenfuchsschwanz, Wiesenschwingel, Knaulgras oder Wiesenlieschgras bietet bei dieser Nutzung keinesfalls „Lebensraum für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten“ oder Vorteile für die „Biodiversität“. Es handelt sich um kurzrasige Grassteppen, die mehrfach im Jahr gemäht und begüllt werden dürfen und auch beweidet werden. Der Umbruch steht unter Genehmigungsvorbehalt und ist grundsätzlich nicht zulässig. Die zugelassene Bewirtschaftung hat immer noch erhebliche negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt, z.B. Wildkräuter, die gar nicht erst Fuß fassen können, auf angepasste Insekten und auf die bodenbrütenden Vögel, den Wiesenbrütern, die durch die Bewirtschaftung fast ausgerottet wurden („stummer Frühling“). Von der Feldlerche über den Kiebitz bis zur Uferschnepfe haben diese Vögel ihren Lebensraum verloren. Durch das Befahren mit schwerem Gerät (Traktor, Walzen, Schleppen, Güllegespanne) werden die Böden bis in mehrere Meter Tiefe verdichtet. Die Weidehaltung wird zudem zur Ausnahme, mehr als 80 Prozent der Rinderhaltung findet in Deutschland bereits in Laufställen statt. Hier versucht sich eine Berufsgruppe, deren hochsubventioniertes Wirtschaften häufig in der Kritik des Naturschutzes steht, den Öko-Mantel umzuhängen, vom gottähnlichen Schöpfer-Größenwahn nicht weit entfernt: „unsere Ökosysteme“.

Dauergrünland

Dauergrünland werden Grobfutterflächen genannt, die längere Zeit eine kurzrasige Vegetation als Dauerkultur tragen. Dauergrünland ist somit eine auf mindestens fünf Jahre angelegte Vegetationsform (Wiese oder Weide) mit relativ geschlossener Grasnarbe, die von einer Pflanzengemeinschaft aus Gräsern, Kräutern und Hülsenfrüchtler gebildet wird. Die botanische Artenzusammensetzung der Grünflächen wird von der Stärke der Nutzung entscheidend beeinflusst. Diese ergibt sich zum Teil durch den Standort und die Intensität der Düngung. Bei intensiver Nutzung durch mehrere Schnitte oder hohem Tierbesatz bei Weidenutzung verringert sich die Artenvielfalt des Graslandes. Wegen der großen Zahl von Grünland-Pflanzengesellschaften und der unterschiedlichsten Nomenklatur von Grünlandtypen ist eine dreigliedrige Grobeinteilung entsprechend der Nutzungsintensität gebräuchlich.“ [Anmerkung Wattenrat: Intensivgrünland, Extensivgrünland, Biotopgrünland)

Intensivnutzung bereits im Mai , Woltersterborg/Ems – Foto (C): Eilert Voß/Wattenrat

Für die extensive Bewirtschaftung von Dauergrünland (extensiv bewirtschaftetes Grünland hat nur einen geringen Anteil am Dauergrünland) gibt es in Niedersachsen eine staatliche Förderung von 170 Euro/Hektar (s.u), zusätzlich zu den Direktzahlungen  der EU (Subventionen) für den Betrieb. Umsonst macht der Landwirt nichts zum Erhalt der Artenvielfalt! Der erste Schnitt darf aber schon ab dem 19. Mai gemacht werden, das ist viel zu früh für die Wiesenbrüter, deren Gelege oder Jungvögel damit ausgemäht und vernichtet werden. Bestimmte Wildkräuter haben kaum eine Chance, zur Blüte zu gelangen. Dadurch finden auch verschiedene Insektenarten keine Nahrung auf diesen Flächen. Wünschenswert wäre eine erste Mahd ab Anfang Juli. Die Verbesserung in Niedersachsen liegt im Verbot von mineralischem Dünger und dem Ausbringen von Herbiziden, auch „Pflanzenschutzmittel“ genannt.

Gülledusche auf rastende Nonnengänse, Woltersterborg/Ems – Foto (C): Eilert Voß/Wattenrat

Niedersächsisches Landwirtschaftsministerium: Extensive Bewirtschaftung von Dauergrünland (GL11/GL12)

AKTUELL:

Der früheste Schnitttermin 2022 wird für NiB-AUM GL11 auf den 19. Mai 2022 festgesetzt:

Hintergund: Seit 2008 wird dieser Termin phänologisch abgeleitet und aus dem Zustand einer Kennart bestimmt (Blüte des Wiesen-Fuchsschwanzes).

Zur Antragstellung 2022 werden nur Folgeanträge (bei mindestens 2 Jahre Restlaufzeit der bestehenden Verpflichtung) zugelassen.

GL 11 – Grundförderung

Fördersatz: 170,00 €/ha

Gegenstand der Förderung: Gefördert wird eine umweltgerechte Bewirtschaftung von Dauergrünland durch die Verringerung der Betriebsmittelanwendung und durch Vorgabe des ersten Schnitttermins.

Angebot: landesweit

Einzuhaltende Bedingungen:

  • Keine mineralischen Düngemittel, die Stickstoff enthalten (siehe Anlage 9 der RL), sowie keine Pflanzenschutzmittel.
  • Die betreffenden Dauergrünlandflächen dürfen nicht vor einem Termin gemäht werden, der nach dem phänologischen Ablauf dem 25. Mai entspricht. Dieser Termin wird jährlich neu ermittelt und für ganz Niedersachsen und Bremen einheitlich festgelegt.
  • Die Veränderung des Bodenreliefs sowie sämtliche Meliorationsmaßnahmen wie Be- und Entwässerung sowie die Beregnung sind untersagt.
  • Eine wendende oder lockernde Bodenbearbeitung ist untersagt, Pflegemaßnahmen wie Walzen, Schleppen oder Nachsaat sind grundsätzlich zulässig.
  • Die Flächen sind mindestens einmal in der Zeit vom 1. Mai bis 30. September zu nutzen.
    • Es sind förderspezifische Aufzeichnungen vorzunehmen, diese sind im Betrieb vorzuhalten.
Dieser Beitrag wurde unter Landwirtschaft, Naturschutz abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.