Natur- und Artenschutz gehören zur DNA von Bündnis90/Die Grünen, so jedenfalls äußerte sich der niedersächsische Landesvorsitzende Hans-Joachim („Hanso“) Janßen in einem Interview vom 13. Mai 2020 in der Oldenburger Nordwest Zeitung: „Janßen: Es gehört zur DNA der Grünen, sich für diese Themen einzusetzen. Wenn so starke Partner wie Nabu oder BUND dabei sind, dient das in der Summe letztlich der guten Sache.“ Aber stimmt das wirklich? Anlass des Interviews war der Einsatz der Grünen in Niedersachsen für ein Volksbegehren zum Artenschutz, dagegen ist sicher nichts einzuwenden.
Mit dem Volksbegehren soll das verbliebene Dauergrünland in Niedersachsen endlich besser geschützt werden. Allein zwischen 1984 und 2016 ist das Dauergrünland in Niedersachsen von 1,1 Mio. auf 0,69 Mio. ha zurückgegangen. Das ist ein Rückgang um 37 %. Einen noch größeren Rückgang hat das EU-Gemeinschaftsrecht unterbunden. Noch dramatischer als der quantitative ist der erlittene und anhaltende qualitative Verlust des Grünlandes. Das verbliebene Dauergrünland ist vielerorts nur mehr ein artenarmer grüner Grasacker, sogar in den nach EU-Recht ausgewiesenen Natura-2000-Gebieten, in denen ein Verschlechterungsgebot gilt. Eigentlich geschützte bodenbrütende Wiesenvögel sind durch die intensiven Bewirtschaftungsmethoden in den letzten Jahren dramatisch zurückgegangen; die Eingriffe in den Naturhaushalt waren und sind zweifelsohne erheblich.
Die niedersächsischen Grünen stellten von 2013 bis 2017 sowohl den Umwelt- als auch den Landwirtschaftsminister, also die für den Schutz des Grünlandes entscheidenden Ressortchefs auf Landesebene. Gleichwohl haben sie in dieser Zeit den Grünlandumbruch nicht an die Zulassungsverpflichtungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung geknüpft, sondern – im Gegenteil – diese zur Bestürzung sogar der Naturschutzbehörden für nicht anwendbar erklärt.
D. h. der Grünlandumbruch war nicht an naturschutzrechtliche Kompensationspflichten gebunden, an die sonst jeder andere Verursacher von Eingriffen gebunden ist. Die derzeitige sozial-christliche Landesregierung in Niedersachsen hält an dieser unhaltbaren Regelung fest. Zum Vergleich: Im nicht minder bauernfreundlich christlich-liberal regierten Nordrhein-Westfalen ist der Grünlandumbruch wie selbstverständlich Gegenstand der gesetzlich verlangten Eingriffsregelung, und zwar ganz ohne grüne Regierungsbeteiligung.
Die Bindung des Grünlandumbruchs an die Zulassungsvoraussetzungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung könnten den Grünlandumbruch stoppen oder zumindest mit der Pflicht zur Wiederherstellung wertvoller Grünlandbiotope verbinden. Die Grünen in Niedersachsen haben in Regierungsverantwortung diese Option ungenutzt verstreichen lassen und insofern erheblichen Anteil am quantitativen und qualitativen Rückgang des Grünlandes. Die jetzt von den Grünen beschworene Liebe zum Grünland erinnert insofern an die bekannte Lebensweisheit: Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche.