Foto (C): Eilert Voß
Sommer 2018: Dieser Sommer wird zu den Ausnahmesommern in unseren Breiten gezählt, weil es in den letzten Wochen warm, sehr warm, und sonnig war. Die Politik und die recherchearme Presse machten daraus wieder eine Klimanummer und verwechselten, wie so oft, das Wetter mit dem Klima. Nur gab es immer mal wieder sehr warme Sommer in den letzten Jahrzehnten oder Jahrhunderten, die Suchmaschinen geben über die Jahreszahlen Auskunft. Die Touristiker sind von der aktuellen Wetterlage begeistert, der Urlauberansturm auf die Küste und das Großschutzgebiet „Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer“ war und ist enorm. Das freut die Reedereien mit den Fährschiffen, die Beherbergungs- und gastronomischen Betriebe. Die Lokalzeitungen sind voll mit „Events“ der Touristenbespaßungen, vom lautstarken Musikveranstaltung am Strand bis hin zu den unvermeidlichen und überflüssigen sommerlichen Feuerwerken in einigen Kommunen, ein Horror für die Brut- und Rastvögel. Der Schutzgedanke in diesem Naturraum ist zur Nebensache geworden. Er wird vermarktet, bis es im wahrsten Sinne des Wortes kracht.
Juist, Weststrand, Juli 2018: Das kann die Badefreuden trüben: gestrandete Ohrenquallen, – Foto (C): Eilert Voß
Für die Vögel und Seehunde des Wattenmeeres bedeutet dieser Ansturm aber Stress, das Urlauberheer und die Tagesgäste ergießen sich in die letzten Winkel dieses „Weltnaturerbes“, das auch europäisches FFH- und Vogelschutzgebiet mit strengen rechtlichen Vorgaben ist. Da finden Brut- und Rastvögel trotz der Hinweisschilder und Wegemarkierungen kaum noch ungestörte Plätze. Das Schutzgebiet steht nur noch auf dem Papier. Vor allem hat es die störungsempfindlichen Strandbrüter wie See-, Sandregenpfeifer und die Zwergseeschwalben getroffen, die ohnehin kaum jemand kennt oder wahrnimmt und deren Brutgebiete in Unkenntis oder ignorant plattgelatscht werden. Auch die Mauserplätze, an denen die Küstenvögel ihr Gefieder wechseln, werden ständig gestört. In dieser Zeit sind Brand- und Eiderenten flugunfähig und führen Jungvögel. Das UNESCO-Welterbe-Etikett wurde auf den Nationalpark tourismusfördernd aufgeklebt und hat nur wenig mit Naturschutz zu tun. Die elf hauptamtlichen Ranger im Nationalpark haben viel zu tun, neben den Überwachungsaufgaben in der Fläche organisieren sie auch Informationsveranstaltungen für die Touristen. Nur haben die Ranger immer noch keine hoheitlichen Befugnisse wie die Polizei und verfügen, bis auf den Vogelwart der Insel Memmert, über keine Boote. Fachleute halten elf Ranger für 3.500 Quadratkilometer Nationalparkfläche für völlig unzureichend; jeder Ranger betreut im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer rechnerisch 318 Quadratkilometer Schutzgebietsfläche, ein unmögliches Unterfangen. 100 Quadratkilometer Fläche wären eigentlich die Obergrenze für eine sinn- und wirkungsvolle Überwachungstätigkeit in diesem Schutzgebiet. Unser Mitarbeiter Eilert Voß war auch in diesem Jahr mit seinem Boot im Watt unterwegs und hat die Augen offengehalten. Einige seiner exemplarischen Fotos aus diesem Sommer, der noch nicht zu Ende ist, veröffentlichen wir hier. Es sind nur Momentaufnahmen von wenigen Tagen.
28. Juli 2018: Memmert-Vogelwart und Nationalparkranger Enno Janßen (seit 2003) und Begleiterin,. Der Außenborder seines Dienstbootes vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft- Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hat 70 PS. Das Boot wird für Versorgungsfahrten genutzt. – Foto (C): Eilert Voß
Andere Zeiten, 1995: Das Dienstboot von Reiner Schopf, Vogelwart von Memmert und später auch Nationalpark-Ranger (1973 bis 2003), beim Beladen mit eingekauften Vorräten vor der Überfahrt von Juist nach Memmert. Sein Außenborder hatte 2 PS und Riemen zum Rudern. Schopf bewohnte die Insel noch ganzjährig, mehr als dreißig Jahre lang. Foto (C): Manfred Knake
Juni 2018: Das niederländisches Überwachungsschiff „Harder“ des Wasserbauamtes westlich von Borkum, Höhe Rottumeroog. Die Besatzung hat Polizeibefugnisse. Es ist eines von inzwischen vier Schiffen, das im niederländischen Wattenmeer patroulliert. Das niederländische Watt ist nicht als Nationalpark, aber als FFH- und Vogelschutzgebiet ausgewiesen („Artikel-7-Gebiet“). Wattenratmitarbeiter sind in den vergangenen Jahren auf Einladung des inzwischen pensionierten Kapitäns Jouw (John) de Boer mehrfach auf diesem Schiff mitgefahren. Damals war das Boot mit anderem Anstrich dem Landbauministerium unterstellt. Foto (C): Eilert Voß
Dollartregion, Ems, 27. Mai 2018: Jetskis an der Grenze zur Ruhezone, strengste Schutzzone des Nationalparks; im Hintergrund der Windpark Wybelsumer Polder direkt am EU-Vogelschutzgebiet – Foto (C): Eilert Voß
13. Mai 2018, Borkum, Südstrand, strengste Schutzzone im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer (Ruhezone, Zone I): Ignoranz trifft Strandbrüterschutz, zwei Brutpaare Zwergseeschwalben“erfolgreich“ vertrieben. Foto (C): Eilert Voß
30. Juni 2018, Dornumersiel, Landkreis Aurich: Blick auf den Strandbereich. Hier surfen auch Kitesurfer, jahrelang illegal und von der Tourismus GmbH beworben, dann von der Nationalparkverwaltung genehmigt. Im Hintergrund ein Ausschnitt der mit Windkraftanlagen vollgestellten Küstenregion. – Foto (C): Eilert Voß
02. Juli 2018, Norderney, Ostspitze: Hier liegt seit 1967 das Wrack des Muschelsaugers „Capella“, ein beliebtes Ausflugsziel. Der Seehundliegeplatz ist abgezäunt. Wenn sich die Urlauber an die Absperrung halten, bleiben die Seehunde liegen. -Foto (C): Eilert Voß
Juli 2018: Die Fähren nach Langeoog haben Hochbetrieb. Im Ein- bis Zweistundentakt werden Urlauber und Tagesgäste von Bensersiel auf die Insel gebracht. – Foto (C): Eilert Voß
25. Juli 2018, Insel Juist, Westende Höhe Bill: Beliebter Seglertreffpunkt in der strengsten Schutzzone (Ruhezone) des Nationalparks. In der Vogelwärterzeit von Reiner Schopf auf Memmert von 1973 bis 2003 versuchte dieser, das damals unerlaubte Trockenfallen an der Stelle zu unterbinden. Hier wurden und werden Strandparties gefeiert. Schopf wurde dafür massiv bedroht. Er zog einen Zaun zu den Brutgebieten, um das Betreten zu verhindern. Der Zaun ist inzwischen abgängig. Die Nationalparkverwaltung unternahm nichts, um die illegale Nutzung dieser Strandbrüterbereiche zu unterbinden. Im Gegenteil: Kurz vor dem Ende von Schopfs Dienstzeit als Vogelwart wurde das Anlanden für Sportbootfahrer durch die Nationalparkverwaltung legalisiert. – Foto (C): Eilert Voß
25. Juli 2018, Juist, Weststrand: Jogger läuft in der Ruhezone, Zone 1, strengste Schutzzone des Nationalparks, außerhalb der markierten Wege. Durch die ständigen Störungen sind diese Rast- und Mauserplätze für die Küstenvögel wertlos geworden. – Foto (C): Eilert Voß
25. Juli 2018, Juist, Weststrand: Urlauber auf Abwegen außerhalb der vorgeschriebenen Wanderwege. Ruhezone (Zone 1, strengste Schutzzone), potenzielles Brutgebiet für Strandbrüter. _ Foto (C): Eilert Voß
26. Juli 2018, Insel Juist, Weststrand: Der markierte und vorgeschriebene Wanderweg (Pfeile und Kreis unten) in der Ruhezone (Zone 1, strengste Schutzzone) wird missachtet. Die ahnungslosen Urlauber laufen am Strand in einem Strandbrüterbereich. Die rastenden Austernfischer sind kurz vo dem Auffliegen. Ein jungeführender Altvogel steht in der Luft und warnt (Kreis oben). – Foto (C): Eilert Voß
25. Juli 2018, Blick auf die Vogelinsel Memmert: Eine junge Heringsmöwe lässt sich nicht stören und frisst an einem Seehundkadaver. – Foto (C): Eilert Voß
Wer nun meint, nur in sonnenreichen Sommer käme es zu Belastungen der Tierwelt, sei an den kühlen und verregneten Sommer 2017 in Norddeutschland erinnert (in Südeutschland dagegen war es sehr warm, Wetter eben, und nicht Klima); das Wettergedächtnis ist oft kurz. Auch im letzten Jahr hat Eilert Voß die Kamera dabeigehabt, einige seiner Bilder aus 2017 sehen Sie hier:
09. August 2017: Blick von Norderney über den Nationalpark und das „Weltnaturerbe“ auf das Festland. Im Watt, Ruhezone (Zone 1, strengste Schutzzone), werden Kabel für die Netzanbindung von Offshore-Windparks gelegt. – Foto (C): Eilert Voß
Borkum-Weststrand, 27. Juni 2017: Kitesurfer. Foto (C): Eilert Voß
01. August 2017, Juist, Ostende, Kalfamer: Spaziergänger verscheuchen mausernde und damit flugunfähige Eiderenten (an der Wasserkante). Ruhezone (Zone 1, strengste Schutzzone im Nationalpark). Vom 01. April bis 31. Juli darf das Gebiet nur mit Führungen betreten werden, aber auch das stört; außerhalb dieser Zeit nur auf gekennzeichneten Wegen. Diese Spaziergänger missachten die Wegemarkierungen. – Foto (C): Eilert Voß
23. Juli 2017, Feuerwerk am Hauptstrand von Langeoog. Das Feuerwerk im Rahmen des „Dörpfestes“ wurde auf der WebSeite „Langeoog News“ so angekündigt: „ca. 22.30 h wenn es dunkel ist, High-Light des Jahres“, das Wort „Feuerwerk“ wurde (verschämt?) vemieden. 2018 wird es kein Dörpfest auf Langeoog aus organisatorischen Gründen geben. Foto:(C): privat/Wattenrat Ostfriesland
Norderney 2017: Ankündigung des Höhenfeuerwerks über dem Nationalpark und „Weltnaturerbe“ – Foto (C): Eilert Voß
Damit auch jeder hinfindet: Hinweisschild an der A31 im Rheiderland/Ostfriesland, Foto (C): Eilert Voß