Seit einigen Tagen wird im ostfriesischen Watt ein vermutlich junges weibliches Walross gesichtet, zunächst auf der Insel Baltrum, dann auf Spiekeroog. Das Tier hielt sich ruhend auf Steinbuhnen auf, wurde aber von neugierigen Fototouristen vertrieben, die dem Walross zu nahe kamen. Walrosse „verschwimmen“ sich selten bis in unsere Breiten, zuletzt soll ein Exemplar vor 20 Jahren im Watt gesichtet worden sein.
Bereits im März 2021 wurde an der Küste von Irland (County Kerry) und später in Wales ein Walross auf einem Felsen gesichtet; ob es sich um das selbe Tiere handelt, das jetzt im Wattenmeer beobachtet wird, ist nicht bekannt. Reflexartig wurde auch der „Klimawandel“ in einer dpa-Meldung vom 09. September 2021 als Erklärungsversuch für das ungewöhnliche Vorkommen an der ostfriesischen Küste bemüht: „Eisschollen sind eigentlich typische Ruheplätze für Walrosse, jedoch fehlen sie zunehmend aufgrund der Erwärmung der arktischen Gewässer. ´Es ist ganz traurig, dass den Tieren quasi der Lebensraum unter dem Körper wegschmilzt´“ wird eine Mitarbeiterin der Tierärztlichen Hochschule in Hannover zitiert. Nur: Dieses Walross der atlantischen Population kam nicht auf einer schmelzenden Eisscholle aus der Arktis nach Ostfriesland. Warum wich es ausgerechnet in das vergleichbar warme Wattenmeer der „südlichen“ Nordsee aus? Und ob „der Lebensraum unter dem Körper“ tatsächlich „wegschmilzt“, darf bezweifelt werden. Die sommerliche Meereisbedeckung der Arktis schwankte im Laufe der Jahrhunderte zyklisch, der derzeitige sommerliche Rückgang ist kein Phänomen unserer Zeit. Zur Erinnerung: Im Winter 2020 war das Meereis der Arktis (also Nordpolregion) so dicht und fest, dass die Besatzung des Forschungsschiffes „Polarstern“ bei mehr als minus 40 Grad Celsius nicht termingerecht abgelöst werden konnte und ein russischer Eisbrecher Mühe hatte, durchzukommen:
Tagesspiegel, 25. Febr. 2020:
Zu viel Eis am Nordpol „Es herrscht Unsicherheit“ auf der ‚Polarstern‘Auf der einjährigen Expedition Mosaic verzögert dichtes Meereis den Personalwechsel an Bord des Forschungsschiffes. Nun wächst der Unmut an Bord.
Der Staatssender „Deutschlandfunk“ titelte so: „Corona-Pandemie verzögerte Ablösung der Crew“
Ernähren kann sich der arkische Irrgast im Wattenmeer von Muscheln. Bleibt zu hoffen, dass das Walross unversehrt den Weg in die ruhigere kalte Heimat zurückfinden und nicht unterwegs von einem Walrossjäger erlegt wird.
Walrösser wurden und werden immer noch bejagt. Das Abschlachten der großen Meeressäuger hat eine lange Tradition. An der südlichen Labradorküste Kanadas ist die Population so gut wie erloschen, die Island-Population wurde schon von den Wikingern ausgerottet. Im Sommer 1960 wurde in List auf Sylt von einem Seehundjäger ein Walross erlegt (damals sprach noch niemand von einer „Klimakatastrophe“ oder vom schmelzenden Arktiseis). Das 800 kg schwere Tier wurde anschließend präpariert und im Nordseemuseum in Bremerhaven bis zu dessen Schließung 1999 ausgestellt. 2011 kam das Exponat zurück nach Sylt. Auch deutsche Jagdreisenanbieter bewerben immer noch die Jagd auf Walrosse und Eisbären für Wohlstandsjäger.
Nachsatz: Richtig kalt, zwar nicht arktisch, kann es auch im Wattenmeer werden. Spötter wiesen schon darauf hin, das aktuelle Walrossvorkommen im Watt könne möglicherweise schon ein deutliches Indiz für die kommenden Kliamabkühlung sein, dieses Tier sei nur die Vorhut. Hier noch walrossfreie Aufnahmen aus dem ostfriesischen Watt:
Bearbeitet am 13. Sept. 2021