Nebeljagd auf Gänse an der Ems: „Jagd unterliegt keiner Behördenaufsicht“

Jagd im rechtsfreien Raum unter untereinander gut bekannten Waidgenossen? Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man die Vorgänge um die Jagd im Naturschutzgebiet „Petkumer Deichvorland“ , Teil eines EU-Vogelschutzgebietes an der Ems verfolgt.

Die jagdrechtlich nicht zulässige Nacht- und Nebeljagd auf  ziehende Gänse im Naturschutzgebiet, so jedenfalls die Antwort aus dem Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium zur Fachaufsichtsbeschwerde des Wattenrates gegen die Untätigkeit der Unteren Jagdbehörde der Stadt Emden, der diese Missstände angezeigt wurden (.pdf Fachaufsichtsbeschwerde_Gaensejagd_Ems_Maerz2011), sei nicht zu beanstanden. Anlass der Fachaufsichtsbeschwerde war die Untätigkeit der Stadt Emden als Aufsichtsbehörde. Erst nach einer Erinnerung nach vier Wochen nahm der Sachbearbeiter der Stadt Emden in einem Dreizeiler Stellung, dass er nicht zuständig sei, sondern die Jagdgenossenschaft für die Einsicht in das Jagdkataster. Inhaltlich wurde sonst überhaupt nicht auf die Jagd bei unsichtigem Wetter mit der Unmöglichkeit des Erkennens der unterschiedlichen Gänsearten reagiert, obwohl die Rechtsaufsicht bei Verstößen eindeutig bei der Unteren Jagdbehörde liegt.

Das Niedersächsisches Landwirtschaftsministerium spielt den Ball in der Antwort auf unsere  Fachaufsichtsbeschwerde nun zurück: Man gehe davon aus, dass die Stadt ordnungsgemäß prüfen wird, ob hier im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens eine Einschreiten geboten ist oder nicht. Aber genau das hat die Stadt nicht getan, sie hat Nebeltöpfe gezündet statt aufzuklären.  So etwas nennt man Behörden-Pingpong, Hin- und Rückspiel ohne klare Aussage oder Unterbinden des Missstandes, bis der Einwender entnervt  aufgibt. Tut er aber nicht. Diese skandalöse Vertuschungstaktik eines organisierten Jagdklüngels wird über das Internet ihren Weg in die Öffentlichkeit finden und gelesen werden. Die Lokalspresse berichtet darüber gar nicht oder sehr verwaltungsnah und ließ die hier geschilderten (und bekannten) Fakten außer acht, man kennt sich. Zwei namentlich bekannte Mitarbeiter der Stadt Emden waren bereits als Hobbyjäger im Naturschutzgebiet beim Töten der Gänse dabei, auch das wird nie in der Lokalpresse erwähnt.

Inzwischen nahm die Stadt Emden als Untere Jagdbehörde in einem Schreiben vom 16. März 2011 an den Vorsitzenden der Emder FDP-Ratsfraktion, Erich Bolinius, Stellung  zu den Vorwürfen des Wattenrates:

Man habe keine Kenntnis von einer Fachaufsichtsbeschwerde gegen die Stadt Emden beim Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium, die Jagd im Naturschutzgebiet „Petkumer Deichvorland“ sei erlaubt (das hat auch niemand bestritten!). Und dann wird dreist mit der Wahrheit jongliert:

„Der Verstoß „Nebel- und Dunkelheitsjagd im Petkumer Deichvorland“ wurde allerdings nicht weiter konkretisiert, weder wurden Personen benannt, noch genaue Zeiten mitgeteilt, in denen die Jagd ausgeübt wurde, um diese Daten meteorologisch überprüfen zu können. Die Anschuldigungen wurden auch mit dem Kreisjägermeister und der oberen Jagdbehörde erörtert. Nach Mitteilung des Kreisjägermeisters wird die Jagd nur dann dort ausgeübt, wenn ein sicheres Ansprechen des Wildes möglich ist. In dem betreffenden Revier handele es sich um sehr erfahrene Jäger, die schon seit vielen Jahren die Gänsejagd ausüben. Des Weiteren würde jeder Jagdgast vor der Jagd auf die jagdrechtlichen Vorschriften und insbesondere auf die freiwillige Beschränkung der Jagdausübung im Petkumer Deichvorland hingewiesen. Weiterhin wurde die örtliche Polizeidienststelle um Mitteilung gebeten, ob Einsätze im Bereich des Petkumer Deichvorlandes erfolgten, bei denen Verstöße gegen das Jagdrecht im Zusammenhang mit den Anschuldigungen von Herrn Knake festgestellt wurden. Seitens der Polizei wurden keine Verstöße festgestellt.“

NSG „Petkumer Deichvorland“: 21. Dez. 2010, Jagd im Nebel, Deckung hinter einer Plane, die über den Zaun gehängt wurde. Jägerlatein: „Die Anschuldigungen wurden auch mit dem Kreisjägermeister und der oberen Jagdbehörde erörtert. Nach Mitteilung des Kreisjägermeisters wird die Jagd nur dann dort ausgeübt, wenn ein sicheres Ansprechen des Wildes möglich ist. In dem betreffenden Revier handele es sich um sehr erfahrene Jäger, die schon seit vielen Jahren die Gänsejagd ausüben.“

Das stand u.a. in der Anzeige des Wattenrates an die Stadt Emden vom 11. Januar 2011:

In den vergangenen Monaten wurden im Naturschutzgebiet „Petkumer Deichvorland“ an der Ems (Teil eines EU-Vogelschutzgebietes) intensiv auf Wasservögel gejagt. Die Jagd fand nicht nur während guter Sichtbedingungen, sondern auch bei unsichtigem Wetter wie Nebel und Schneetreiben sowie in der Dunkelheit statt. Zwar ist die Jagd eineinhalb Stunden vor und nach Sonnenaufgang rechtlich zulässig, aber nur dann, wenn die Arten sicher angesprochen werden können und keine Verwechselungsgefahr besteht (vgl. §1 Abs. 3  Bundesjagdzeitenverordnung). Dies war zu den genannten Zeiten bzw. Witterungsbedingungen nicht der Fall. Im Gebiet halten sich u.a. Bläss- und Nonnengänse auf, die keine Jagdzeit haben. Eine Verwechselungsgefahr liegt daher nahe. Diese Art der Jagdausübung ist auf den Seiten des Wattenrates Ostfriesland www.wattenrat.de mit mehreren Beiträgen und der Gänsewacht http://www.gaensewacht.de dokumentiert.

Der Sachbearbeiter der zuständigen Veterinärbehörde Endelmann, dessen Amtsleiter Jäger ist, muss das wohl überlesen haben oder er ist ungeübt im Umgang mit dem Internet. Personen konnten damals gar nicht benannt werden, weil man durch den Nebel kaum etwas sehen konnte. Aber Jäger können offenbar selbst im dicksten Nebel geschützte von nicht geschützten Gänsearten unterscheiden!  Auf der WebSeite der Gänsewacht ist sind die Jagdverstöße mit Datum und Uhrzeit, und vor allem mit Bildern, dokumentiert! Bei späteren Jagden bei besserer Sicht hatte sich ein Jäger maskiert, der Name ist inzwischen bekannt, es ist ein Bediensteter der Stadt Emden.

Zwei Mal wurde in der Vergangenheit bei Jagdverstößen im Schutzgebiet von Eilert Voß die Polizei gerufen: Ein Mal kam der Beamte, hatte aber keine Gummistiefel dabei, um das Gebiet zu betreten, bei einem anderen Mal hatte die Polizei kein Fahrzeug zur Verfügung. Wenn man nicht hinsieht, können auch keine Verstöße festgestellt werden. Die schriftlich eingelegte Ordnungswidrigkeitsanzeige des Wattenrates bei der Polizei in Emden wurde nie beantwortet  (Korrektur: Nach zwei Monaten antwortete die Polizei!)

 

Nebeljagd im Schutzgebiet am 10. Dez. 2010: „Die Bilder von Herrn Voß beweisen gar nichts“, Stadtsprecher Dinkela, Emden, selbst Jäger, im Weser-Kurier am 09.03.2011

Wenn diese Jagdconnection aus Revierjägern, dem Kreisjägermeister und der Stadt Emden nicht willens oder in der Lage ist, diese Fakten zu Kenntnis zu nehmen, muss man Vertuschungsabsichten und die gezielte Fehlinformation von Ratsmitgliedern unterstellen! Und wenn die geneigte Lokalpresse über diesen schon seit Jahren schwelenden Skandal unzureichend und nur dann berichtet, wenn sich ein Ratsgremium oder eine Verwaltung damit befasst und die vorgelegten Fakten des Naturschutzes einfach ignoriert oder lächerlich macht, darf man einen Sumpf vermuten.

Klaus Fackert, Kommentar in der Emder Zeitung vom 05. März 2011: […] Ich erwarte auch nicht das Eingreifen des UN-Sicherheitsrates, zumal auch der in dieser Angelegenheit nichts ausrichten würde. Es wäre sogar damit zu rechnen, dass Jäger und Vogelschützer plötzlich gemeinsame Sache machen und die UNO-Truppen verjagen, weil sie erstens die Jagd behindern und zweitens die Vögel stören. Die einzige Lösung, die eine Befriedung dieses Territoriums samt integrierter Schlick-Pampa brächte, wäre eine Total-Evakuierung der Gänse, denen gar nicht bewusst zu sein scheint, in welcher Gefahrenzone sie dort rasten und brüten. Daher auch der Begriff „dumme Gans”. Doch wie kriegt man die Gänse dort weg? Es ginge allenfalls durch eine konzertierte Aktion von Jägern und Vogelschützern. Die einen blasen in die Jagdhörner, die anderen tuten mit Nebelhörnern. Doch so viel Einigkeit ist in Petkum nicht zu erwarten.

 

Der Wattenrat hat sich inzwischen erneut an das Landwirtschaftsministerium wegen der völlig unzureichende Bescheidung der Fachaufsichtsbeschwerde  gewandt:

Frau
Jutta Ritter
Niedersächsisches Ministerium
für Ernährung, Landwirtschaft,
Verbraucherschutz und Landesentwicklung
Calenberger Str. 2

Hannover – nur per eMail-

16. März 2011

Wasservogeljagd an der Ems im Bereich der Stadt Emden
Meine Fachaufsichtsbeschwerde gegen die Stadt Emden vom 02. März 2011
Ihre Antwort vom 09. März 2011
Ihr Zeichen: 404/406-65000/1-41

Sehr geehrte Frau Ritter,

den Eingang Ihres o.a. Schreibens bestätige ich, kann aber den Inhalt nicht nachvollziehen.

Es geht nicht darum, dass es eine „Behördenaufsicht“ über das eindeutige Ansprechen eines Tieres bei der Jagd nicht gäbe, wie Sie schreiben. Es geht vielmehr um die Behördenaufsicht bei nachprüfbarem Fehlverhalten eines oder mehrerer Jagdausübungsberechtigten. Dieses Fehlverhalten liegt dann vor, wenn ein Jagdausübungsberechtigter witterungs- oder lichtbedingt ein Tier nicht sicher unterscheiden oder ansprechen kann und die Gefahr eines Fehlabschusses besteht (vgl. §3 Bundesjagdzeitenverordnung), was ggf. eine Ordnungswidrigkeit oder bei Fehlabschüssen streng geschützter Arten einen Straftatbestand erfüllt. Die Rechtsaufsicht über die Jagdgenossenschaften liegt bekanntlich bei der Unteren Jagdbehörde (vgl. §16 NJagdG).

Gegen dieses mehrfach fotografisch dokumentierte Fehlverhalten von einzelnen und z.T. auch namentlich bekannten Jägern im NSG „Petkumer Deichvorland“ wurde bei der Stadt Emden als Untere Jagd- und Aufsichtsbehörde Anzeige erstattet, diese Anzeige wurde zunächst nicht bearbeitet. Erst nach meiner Aufforderung nach vier Wochen bekam ich eine inhaltlich völlig unzureichend Kurzantwort, die noch nicht einmal die jagdlichen Verfehlungen im Naturschutzgebiet streifte, das eigentlich erwartete Abstellen der beobachteten Missstände für die Zukunft wurde gar nicht erwähnt. Das mag daran liegen, dass auch Bedienstete der Stadt Emden an der Wasservogeljagd an der Ems beteiligt waren und sich hier der Jäger, der für die Behörde die Rechtsaufsicht auszuüben hätte, deshalb untätig bleibt.

Zitat aus dem Weser-Kurier vom 09. März 2011:
„Nach Angaben der Stadt Emden wird seit 100 Jahren im Petkumer Deichvorland Jagd auf Gänse gemacht. Das ist erlaubt´, sagt Stadtsprecher Eduard Dinkela. Er ist selbst Jäger – genauso wie der Leiter der Unteren Jagdbehörde im Rathaus. Diese hatte eine Anzeige des Wattenrats, einem Zusammenschluss von Umweltschützern in Ostfriesland, wegen der Gänsejagd zurückgewiesen. ´Wir haben keinen Verstoß festgestellt. Die Bilder von Herrn Voß beweisen gar nichts´, sagt Dinkela. Der Vogelschützer selbst störe die Tiere, indem er sie mit der Kamera aufscheuche.“ Zitatende

Der erwähnte Stadtsprecher, also ein exponierter Mitarbeiter der Stadt Emden, der selber Jäger ist und in der Vergangenheit auch schon im NSG „Petkumer Deichvorland“ Wasservögel gejagt hat [Anmerkung Wattenrat 25. März 2011: Dem Vernehmen nach bestreitet er dieses und verweist auf einen namensgleichen Vetter, bitte Edit vom 25.03. ganz unten beachten!], ist nicht willens oder in der Lage, vorliegendes öffentlich zugängliches fotografisches Beweismaterial als solches zu erkennen und macht den Fotografen, der mit einer lichtstarken und weitreichenden professionellen Teleoptik das Geschehen dokumentierte, für die Missstände im Schutzgebiet verantwortlich! Genau gegen diesen Fotografen, der im Wattenrat mitarbeitet, läuft ein Verfahren vor dem Amtsgericht Emden wegen vorgeblicher „Jagdstörung“; der Anwalt der klagenden Jäger ist selber Jäger und Jagdpächter im NSG „Petkumer Deichvorland. Hier wird also der durchsichtige Versuch unternommen, einen unbequemen Beobachter gerichtlich ruhig zu stellen.

Ich erwarte von Ihnen eigentlich eine qualifizierte Antwort auf meine Fachaufsichtsbeschwerde und möchte nicht mit Allgemeinplätzen abgespeist werden, die womöglich einen deutlich erkennbaren Jagdklüngel unterstützen. Ich erwarte vor allem, dass die Missstände dieser unwaidmännischen und rechtlich unzulässigen Jagd auf Wasservögel an der Ems bei Dunkelheit, Nebel oder Schneetreiben dauerhaft abgestellt wird. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Stadt Emden ihrer Rechtsaufsicht über die Jagdgenossenschaft im gebotenen Umfang nachkommt, zumal diese Missstände schon seit einigen Jahren beklagt werden.

Mit Interesse sehe ich Ihrer Antwort entgegen. Die überregionale Presse bekommt eine Kopie dieses Schreibens.

Mit freundlichem Gruß

Manfred Knake

Edit 25. März 2011: Der Stadtsprecher der Stadt Emden, Eduard Dinkela, bestreitet den Vorwurf der Jagdteilnahme im Naturschutzgebiet und bat über Dritte um die Streichung dieses Passus. Die Mitarbeiterin im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium wurde darüber mit einer Mail vom heutigen Tage in Kenntnis gesetzt:

Frau
Jutta Ritter
Niedersächsisches Ministerium
für Ernährung, Landwirtschaft,
Verbraucherschutz und Landesentwicklung
Calenberger Str. 2
Hannover– nur per eMail-25. März 2011Wasservogeljagd an der Ems im Bereich der Stadt Emden
Meine Fachaufsichtsbeschwerde gegen die Stadt Emden vom 02. März 2011
Ihre Antwort vom 09. März 2011
Ihr Zeichen: 404/406-65000/1-41
hier: Berichtigung meiner Mail vom 16. März 2011

Sehr geehrte Frau Ritter,

in der Mail vom 16. März (s.u.) schrieb ich u.a.:

„Der erwähnte Stadtsprecher, also ein exponierter Mitarbeiter der Stadt Emden, der selber Jäger ist und in der Vergangenheit auch schon im NSG „Petkumer Deichvorland“ Wasservögel gejagt hat, ist nicht willens oder in der Lage, vorliegendes öffentlich zugängliches fotografisches Beweismaterial als solches zu erkennen und macht den Fotografen, der mit einer lichtstarken und weitreichenden professionellen Teleoptik das Geschehen dokumentierte.“
Wie mir ein Mitglied des Emder Stadtrates gestern in einer Mail mitteilte, legt der erwähnte Stadtsprecher der Stadt Emden, Eduard Dinkela, Wert auf die Feststellung, dass er noch nie im Naturschutzgebiet „Petkumer Deichvorland“ gejagt habe. Es habe sich vielmehr um seinen Vetter gleichen Nachnamens gehandelt. Er sprach gegenüber dem Ratsmitglied zudem von einer „starken Jagdlobby“ in Emden.Ich korrigiere diesen Satz also ausdrücklich, obwohl mir Gegenteiliges zugetragen wurde. Ich halte dieses jedoch für einen Nebenkriegsschauplatz, zumal sich dadurch an der rechtswidrigen Jagdausübung bei unsichtigem Wetter auf schwer unterscheidbare Gänsearten nichts geändert hat.

Mit freundlichem Gruß

Manfred Knake

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