Bundesregierung plant Absenkung des Artenschutzrechts

Grasfrosch, Foto (C): Manfred Knake

Grasfrosch, Foto (C): Manfred Knake

Das Artenschutzrecht (Bundesnaturschutzgesetz) soll geändert werden, eine Absenkung nach unten. Den Referentenentwurf aus dem Bundesumweltministerium vom 01. Dez. 2016 können Sie hier nachlesen 2016 12 01 – Gesetzentwurf – BNatSchG Novelle 2017. Auch das Anschreiben an die Verbände vom 02. Dezember 2016  2016 12 02 – Anschreiben Verbändebeteiligung – BNatSchG Novelle 2017 hat es im letzten Absatz in sich:Klima

Sollte das Bundesumweltministerium nicht umbenannt werden?

Sollte man das Umweltministerium nicht umbenennen?

Es geht darum, aus „Klima“- Gründen eine Ausnahme für das Tötungsverbot nach §44 BNatSchG zuzulassen, damit ggf. für die Windenergiewirtschaft das genehmigungshemmende und störende Tötungsverbot wildlebender Arten ausgehebelt werden kann. Dadurch wird nun deutlich, mit welchen irrsinnigen ideologischen „Argumenten“ die Bundesregierung Gesetze nur für die Windenergiewirtschaft ändern möchte. Nur: Windkraftanlagen können keinen Einfluss auf das Klima haben, weil sie selbst nur wetterabhängig funktionieren. Deshalb heißen sie so!

Der nachfolgende Text wurde mit freundlicher Genehmigung von der WebSeite der Europäischen Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE) übernommen:

Die Bundesregierung plant folgenschwere Änderungen des Artenschutzrechts. Ziel ist nicht die Stärkung der artenschutzrechtlichen Schädigungs- und Störungsverbote, sondern exakt das Gegenteil: 

  • Das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes soll künftig nur noch für Eingriffe und Vorhaben gelten, wenn sich das Tötungsrisiko für besonders geschützte Arten unvermeidbar signifikant erhöht. Man mag für diese Änderung ein gewisses Verständnis aufbringen, hat doch das Bundesverwaltungsgericht das Tötungsrisiko bereits an diese Maßgabe geknüpft. [Anmerkung Wattenrat: Das ist bereits Stand der Rechtssprechung in Deutschland, Beispiele Tötungsrisiko für Vögel und Fledermäuse an Windkraftanlagen; die Frage ist nur, ob der Europäische Gerichtshof das auch so sieht.]

  • Der Fang besonders geschützter Arten zum Zwecke ihres Schutzes (etwa bei Umsiedlungen) soll künftig vom artenschutzrechtlichen Fangverbot ausgenommen sein. Nach der bisherigen Rechtslage war dies unklar; das Bundesverwaltungsgericht hatte Zweifel geäußert und sich ohne Klärung durch den Europäischen Gerichtshof nicht festlegen wollen. Alles kein Problem, so die Bundesregierung in der Begründung der Gesetzesänderung. Die EU-Kommission habe Zustimmung signalisiert. Zauneidechsen, Kamm-Molche, Feldhamster und andere Arten könnten dann ohne Ausnahmegenehmigung gefangen werden, um umgesiedelt zu werden, um beispielsweise Infrastrukturvorhaben nicht länger im Wege zu sein.
  • Eine massive Absenkung des bisherigen Artenschutzrechts ist beim Schutz der „lediglich“ national besonders geschützten Arten geplant. Bisher muss der Schutz dieser Arten vor Eingriffen mit den Maßstäben der Eingriffsregelung gewährleistet werden. Wird die Eingriffsregelung dabei unzureichend angewandt, darf sich die Anwendung der artenschutzrechtlichen Verbote nicht auf die nur gemeinschaftsrechtlich geschützten Arten beschränken, sondern die Verbote gelten ausnahmslos allen besonders (also auch den nur „national“) geschützten Arten. So hatte das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil zur Ortsumfahrung Freiberg am 14.07.2011 entschieden (BVerwG 9 A 12.10). Die geplante Gesetzesänderung will die Wiederholung einer solchen Entscheidung ausschließen. Wird die Änderung zum Gesetz, senkt dies das Schutzniveau für ungefähr 2.000 von etwa 2.600 besonders geschützte Arten – darunter viele hochgradig gefährdete Leitarten des Naturschutzes – drastisch herab. Denn eine fehlerhafte Anwendung der Eingriffsregelung soll künftig keine artenschutzrechtlichen Konsequenzen mehr haben. [Anmerkung Wattenrat: Dies trifft für Vögel und Fledermäuse nicht zu, sie sind durch das Gemeinschaftsrecht in der EU geschützt.]

Immerhin beabsichtigt die Bundesregierung aber auch, eine alte gesetzgeberische Fehlleistung zu korrigieren. Deutschland hat nämlich 2007 das unvermeidbare Töten von Individuen besonders geschützter Arten bei der Zerstörung ihrer Fortpflanzungs- oder Ruhestätten kurzerhand vom Tötungsverbot ausgenommen, wenn nur „die ökologische Funktion dieser Habitate im räumlichen Zusammenhang“ gewährleistet bleibt. Das Bundesverwaltungsgericht sieht darin einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht, weshalb der Gesetzentwurf nicht umhinkommt, diesen Passus aufzugeben.

Man darf sich über die Absichten der Bundesregierung nicht wundern. Bereits 2009 hat der Bundesgesetzgeber das Bundesumweltministerium ermächtigt, die Arten, für deren Schutz Deutschland eine besondere Verantwortung hat, per Verordnung besser zu schützen. Doch das Bundesumweltministerium hat keinerlei Anstrengungen in diese Richtung unternommen. Jetzt zeigt sich, das Ministerium hat genau das Gegenteil vorbereitet. Und dies ausgerechnet in der Mitte der „Dekade zum Schutz der Biodiversität“, die die Bundesregierung mit viel Tamtam ausgerufen hat und die nahezu verstrichen ist. Dreister hat eine Bundesregierung die Bürger im Artenschutz selten hinters Licht geführt.

Welchen Stellenwert der Artenschutz für die Bundesregierung hat, verrät bereits die Begriffswahl: Für sie sind Tiere und Pflanzen keine „Individuen“, sondern „Exemplare“, als handele es sich um Briefmarken. Mit einem Unterschied: Philatelisten wissen für gewöhnlich um den Wert ihrer Marken. Die Bundesregierung weiß um den Wert der ihr anvertrauten wild lebenden Arten offenbar nichts.

Vorfahrt für die Windenergie? Blick aus dem Vogelschutzgebiet V3 "Ostfriesische Seemarschen Norden bis Esens" auf den Windpark Utgast/LK Wittmund/NDS, Foto (C): Manfred Knake

Vorfahrt für die Windenergie? Blick aus dem Vogelschutzgebiet V63 „Ostfriesische Seemarschen von Norden bis Esens“ auf den Windpark Utgast/LK Wittmund/NDS, Foto (C): Manfred Knake

EGE vom 20. Dez. 2016: Geplante Änderung des Artenschutzrechts. Ein Nachtrag

Die Bundesregierung plant eine Absenkung des Artenschutzrechts. Die EGE berichtete darüber an dieser Stelle ausführlich. Der Bericht der EGE ist in einer Hinsicht zu ergänzen:

Im Gespräch ist auch, inwieweit die in § 45 Abs. 7 Satz 1 Nummer 4 des Bundesnaturschutzgesetzes genannten Gründe für eine Ausnahme von den artenschutzrechtlichen Verboten zugunsten der Windenergiewirtschaft um einen zusätzlichen Ausnahmegrund, nämlich den „Klimaschutz“, ergänzt werden soll. Das Bundesministerium hat diese Frage an die Länderumweltminister gerichtet. Man muss befürchten, dass man sich dort angesichts der Verquickung von Politik und Windenergiewirtschaft genau diese Ergänzung wünscht. Dabei werden Projekten der Branche schon heute, auf die aktuelle Rechtslage gestützt, Ausnahmen von den artenschutzrechtlichen Verboten gewährt. Ob in jedem Fall zulässigerweise, ist eine andere Frage. Denn in jedem Falle kann eine Ausnahme nur gewährt werden, wenn zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art die Ausnahme erfordern. Daran darf bei Projekten der regenerativen Energiewirtschaft mit ihren unbelegten oder marginalen Beiträgen zum Schutz der Umwelt oder des Klimas gezweifelt werden. Werden die Ausnahmegründe um den Schutz des Klimas ausgedehnt, wird die Branche dies zusätzlich zur Überwindung des Artenschutzes in Stellung bringen und ihre Durchschlagskraft noch erhöhen. Die Deutschen haben es weit gebracht: Für einen eher nur fiktiven, um nicht zu sagen postfaktischen Schutz der Atmosphäre ist ihnen kein Teil der realen Biosphäre zu schade. Die Umweltverbände müssen sich fragen lassen, welchen Anteil sie an dieser verhängnisvollen Entwicklung haben.

Aktualisiert am 20. Dez. 2016

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