Ems-Stauwerk: noch mehr Geld mit „Schlickbremse“ versenken

Ems: der „gelbe Fluss“ mit dem Stauwerk – menschengemachte Schlickfracht in der Ems, Luftbild: Voss/Wattenrat

Der Fluch der bösen Tat: Das 2002 in Betrieb genommene Ems-„Sperrwerk“ kostete ca. 223 Millionen Euro und wurde eigentlich für die Papenburger Meyer Werft gebaut, um die Ems für die Überführung der riesigen Kreuzfahrtschiffe an die Nordsee aufzustauen. Werftchef Meyer hatte sich beharrlich geweigert, mit dem Werftstandort an das seeschifftiefe Wasser der Nordsee umzuziehen, obwohl es vorher schon Überlegung gegeben hatte, an die Ostküste der USA oder nach Rügen zu verlegen. Um das Projekt EU-kompatibel zu machen, wurde das Stauwerk in ein „Sperrwerk“ als Küstenschutzbauwerk umdeklariert. Zusätzlich muss die Ems ständig kostenintensiv mit Baggerschiffen auf Tiefe gehalten werden. Durch die erhöhte Strömung gelangen erhebliche Schlickmassen aus der Nordsee in den Fluss, der Fluss verschlickt, Sauerstoff wird aufgezehrt und es muss noch mehr gebaggert werden, ein enorm teurer Teufelskreis, bezahlt vom Steuerzahler, nicht von der Meyer Werft. Die Zauberlehrlinge des Projekts wollen nun noch mehr Geld in das Stauwerk versenken, bis zu 40 Millionen Euro soll eine nachträgliche Schwelle im Stauwerk kosten, um den Schlick zu bremsen. Der Erfolg ist fraglich. In den Medien wird überwiegend vom schönen Schein der Meyer-Kreuzfahrtwelt berichtet; von der damit zusammenhängenden Zerstörung der Ems hört oder sieht man dagegen wenig. Die taz berichtete ausführlich über das neue Projekt. Wir danken dem Verfasser Thomas Schumacher für die Überlassung des Textes.

taz Nord (Archiv), 27. Januar 2017

Schlickbremse soll Ems retten

Gewässerschutz Das Emssperrwerk Gandersum soll den Schlick der Nordsee aus der Ems halten, indem es bei Flut die Tore schließt. Doch auch Schiffe könnten nicht mehr durch Davon hat die Ems genug: Schlick. Schwimmen macht bei der schlechten Wasserqualität aber keinen Spaß – auch Fischen nicht Foto: Carmen Jaspersen/dpa

von Thomas Schumacher

Eine sogenannte Schlickbremse soll die Ems retten. Seit vielen Jahren leidet der Fluss unter Sauerstoffmangel und Verschlickung. Ein neuer Beschluss des Lenkungskreises des Masterplans Ems sieht nun vor, dass das Emssperrwerk bei Gandersum im Kreis Leer in Zukunft nicht nur Sturmfluten, sondern auch den Nordsee-Schlick aus dem Fluss halten soll – durch eine „flexible Tidensteuerung“. „Bahnbrechend“ und einen „Durchbruch“ nennen die ehemaligen Konkurrenten um die Emssanierung diese Idee. Seit 2015 versuchen Markus Jänen, vom Wasser- und Schifffahrtsamt Emden und Dirk Post, vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserbau, Küsten-und Naturschutz (NLWKN) gemeinsam mit Politikern, Vertretern aus der Verwaltung, der Papenburger Meyer Weft und Umweltschutzverbänden eine Lösung für den miserablen ökologischen Zustand des Flusses zu finden.

Auslöser war die Androhung der EU, Niedersachsen wegen der Verletzung der europäischen Wasserrahmenlinie zu verklagen. Die Ems ist praktisch tot, weil sie Jahrzehnte lang für die Meyer Werft ausgebaut wurde, damit diese ihre riesigen Kreuzfahrtschiffe von Papenburg in die Nordsee überführen kann. Bisher hatten das Schifffahrts­amt des Bundes und das Land gegensätzliche Methoden zur Emsrettung favorisiert. In zwei getrennten Machbarkeitsstudien kamen sie jedoch zu ähnlichen Erkenntnissen: Das Emssperrwerk bei Gandersum soll jetzt den Hauptteil zur Entschlickung des Flusses beitragen. Und zwar ohne bauliche Veränderungen am Sperrwerk selbst. Die wären unvertretbar teuer geworden, sagt Franz-Josef Sickelmann, Sprecher des Masterplanes. Bund und Land einigten sich nun auf eine „flexible Tidensteuerung“. Das Prinzip ist einfach: „Durch intervallartige Schließung und Öffnung der Sperrwerkstore soll bei Flut weniger Schlick in die Ems gelangen und bei Ebbe mehr Schlick aus dem Fluss ausgetragen werden“, erklärt Markus Jänen vom Schifffahrtsamt Emden. Täglich bleiben die Tore des Sperrwerks also für einige Stunden zu.

Allerdings muss für die Nutzung des Bauwerks als Schlickbremse der Grund des Gewässers, die Flusssohle, verstärkt werden. Eine bauliche Sicherung der Sperrwerksfundamente würde durch vorgelagerte Steinschüttungen gut 40 Millionen Euro kosten, die sich Bund und Land teilen könnten, sagt Jänen. Bisher seien Tests für die Tidensteuerung nur an Modellen vorgenommen worden. Spätestens 2021 überprüft die EU erneut, ob die Wasserrahmenrichtlinien erfüllt wurden. Das heißt, ob sich die Wasserqualität verbessert hat. Auf die Frage, ob dies mit der Tidensteuerung geschehen wird, antwortet Sickelmann trocken mit: „Nein.“ Es werde noch Jahre dauern, bis zu einer erkennbaren Verbesserung des Emswassers.

Das Projekt „Tidensteuerung“ könnte noch an ganz profanen, juristischen Problemen scheitern. Die Ems ist im betroffenen Bereich eine Bundeswasser­strasse. Für die Schifffahrt und die anliegenden Emshäfen muss sie durchgängig offen sein. „Wir haben mit der Schifffahrt und den Emshäfen noch nicht gesprochen,“ sagt Markus Jänen vom Schifffahrtsamt Emden. „Wir hoffen auf eine erträgliche Lösung für alle.“ Denn auch für Schiffe blieben die Tore geschlossen. Nicht betroffen von der Idee der Tidensteuerung sind andere Maßnahmen zur Rettung der Ems. Dazu gehört der Bau von Tidenpoldern und Speicherbecken, in die Emswasser geleitet werden soll. Der Schlick soll sich darin ablagern. Für diese Baumaßnahmen hat das Land noch nicht genügend Ausgleichsflächen gefunden. Auch weiß man noch nicht, wohin mit dem Erd­aushub. Die Bauern der Region kritisieren die Pläne. Sie fürchten um den Verlust von landwirtschaftlichen Flächen und eine drastische Erhöhung der Pachtzinsen für Weidegrünland.

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Der Masterplan

Um die Ems zu retten, haben sich die Naturschutzverbände WWF, BUND und Nabu mit den Landkreisen Emsland und Leer, der Stadt Emden und Vertretern von Land, Bund und der Meyer Werft zusammengetan und den Masterplan Ems entwickelt. Die EU hatte mit einem Verfahren und Strafzahlungen in Millionenhöhe gedroht.

Seit den 80er-Jahren ist das Ökosystem des Flusses aus dem Gleichgewicht. Der Verlauf der Gezeiten ist gestört. Mit der Flut strömt mehr Schlick in den Fluss, als bei der Ebbe wieder abfließt.

Für die Meyer Werft in Papenburg, die Kreuzfahrtschiffe über die extra aufgestaute Ems in die Nordsee überführt, wurde der Fluss in den vergangenen Jahren immer wieder ausgebaggert.

Der Masterplan soll die Wasserqualität des Flusses bis 2050 verbessern und Arbeitsplätze bei der Werft erhalten.

Die Belastung durch Stickstoffe müsste um 48 Prozent verringert werden, errechnete das Bundesumweltministerium.

Nach neuesten Planungen könnte das Emssperrwerk bei Gandersum künftig als Schlickbremse genutzt werden, um die Verschlickung des Flusses zu verringern. Dabei sollen alle Tore des Bauwerks zeitweise geschlossen werden, um den Flutstrom zu bremsen. Davon wäre auch der Schiffsverkehr betroffen.

 

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