
George L. Atkinson-Willes in der 1950ern in seinem Büro in Slimbridge bei der Eingabe von Vogelzähldaten – Screenshot/Bildzitat Ostfriesland Magazin 03/2025
von Manfred Knake
Dr. Helmut Kruckenberg, ein bekannter Biologe und Gänseforscher in der Region, hat in einem bemerkenswerten Beitrag
Sixty years later: Emsland still without wildfowl? (verlinkt weiter unten)
den Wasservogelforscher George L. Atkinson-Willes (1922-2022) gewürdigt. Atkinson-Willes ging als Soldat 1944 einige Tage nach dem D-Day in der Normandie an Land und verlor bei Kampfhandlungen in Frankreich ein Bein. Er wurde dann trotz seiner Kriegsverletzung Besatzungsoffizier in Deutschland, wo er Wasservogeljagden für britische Offiziere organisierte. Später im Zivilleben war er als Koordinator für die internationalen Schwimmvogelzählungen in Slimbridge/Gloucestershire beim Wildfowl Trust tätig.
Anfang der 1980er traf ich Atkinson-Willes bei einem Besuch in Slimbridge. Als damaliger Wasservogelzähler an der ostfriesischen Küste frage ich ihn, wo er denn meine Daten (in der damals noch computerlosen Zeit) aufbewahre. „Look here“, sage er, und zeigte auf einen kleinen Pappkarton mit Karteikarten, der auf einem Regal über seiner Bürotür stand.

Vergüllt, verdrahtet und vermühlt: Überwinterungsgebiet von arktischen Nonnengänsen, Woltersterborg/Ems – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
Dr. Helmut Kruckenberg: Sixty years later: Emsland still without wildfowl?
„[…] Vor sechzig Jahren (1961) veröffentlichte George L. Atkinson-Willes (1922-2002), der erste Koordinator der internationalen Wasservogelzählung, eine seiner ersten Arbeiten unter dem Titel „Emsland without wildfowl“ im zwölften Jahresbericht des Wildfowl Trust (Atkinson-Willes 1961). Er war ein hervorragender Ornithologe und – neben Jeffrey Harrison – der einzige, der das Vogelleben in der Emsniederung in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts nachgewiesen hat. […]“ (übersetzt mit DeepL.com.
Im Original: “[…] Sixty years ago (in 1961), George L. Atkinson-Willes (1922–2002) the first coordinator of the International Waterbird Census, published one of his first papers under the title “Emsland without wildfowl” in the twelfth annual report of the Wildfowl Trust (Atkinson-Willes 1961). He was an outstanding ornithologist and – apart from Jeffrey Harrison – the only one to have given evidence of bird life in the lowlands of the River Ems, Germany, during the early 20th century. […]“
Dr. Kruckenbergs Artikel ist hier in Gänze (in English) als .pdf verlinkt: Kruckenberg_Atkinson-Willes_2021

Friedliche Koexistenz von Rindern und Nonnengänsen – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
In der März-Ausgabe 2025 des Ostfriesland-Magazins (Verlag Soltau-Kurier in Norden) griff Dr. Kruckenberg das Thema wieder auf:

Sreenshot/Bildzitat Ostfriesland Magazin 3/2025
„Die Gänse fressen Euch nicht arm, sie kacken Euch reich“
Die arktischen Gänse wie Nonnen- oder Bläßgänse, die im Nordwesten Deutschlands überwintern, haben durch internationale Schutzmaßnahmen in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen. Ebenfalls zugenommen hat die Anzahl der Milchkühe und damit auch der Silage-Futterbedarf. Die Bauern beklagen, von den Medien lautstark und einseitig unterstützt, Fraßschäden und „Verkotung“ auf dem Grünland in den Überwinterungsgebieten und fordern (neben dem Abschuss) Entschädigungszahlungen, obwohl Gutachten die Schäden in den angegebenen Höhen nicht belegen. Der erste Schnitt fällt durch den Gänsefraß um ca. 50 Prozent geringer aus, wird aber bereits ab dem zweiten Schnitt kompensiert:
Journal of Applied Ecology, 18 January 2023: Grazing effects of wintering geese on grassland yield: A long-term study from Northwest Germany
(https://besjournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1365-2664.14340)

Gänseköttel zerfallen schnell und düngen das Gras, sie sind pH-neutral und verbreiten keine Krankheiten. – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
Die Gänse düngen mit ihrem Kot die Flächen, was die Bauern aufwändig mit Gülle aus der Massentierhaltung machen -und damit zur Eutrophierung der angrenzenden Gewässer beitragen. (Zitat eines niederländsichen Gänseforschers: „Die Gänse fressen Euch nicht arm, sie kacken Euch reich.“).
Das Land Niedersachsen zahlt den Bauern, auch mit Mitteln der EU, ca. 8 Millionen Euro jährlich an Entschädigungen. Dennoch jammern die Bauern auf hohem Niveau: „Lerne klagen ohne zu leiden“.

NSG Emsauen bei Nüttermoor/LK Leer, Mahd im Mai der Brutzeit, EU-Vogelschutzgebiet. Das Schild „Naturschutzgebiet“ wurde inzwischen entfernt. – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
Wiesenbrüter? Der stumme Frühling!
Für heimische wiesenbrütende Vogelarten ist von diesem Paradies an der Ems und im Leda- Jümme-Gebiet bis auf wenige betreute Naturschutzflächen nicht viel übrig geblieben. Die hochsubventionierte industrialisierte Landwirtschaft hat ganze Arbeit geleistet. Zunächst kam die Trockenlegung vieler Bereiche, dann die Intensivnutzung mit der Einsaat von schnellwachsendem „Industriegras“, was auch die Vielfalt der Pflanzen der ehemaligen Feuchtgebiete drastisch verarmen ließ. Die riesigen Zugvogelvorkommen der Watvögel in den 1950er-Jahren, die Atkinson-Willes noch beschrieben hatte, verschwanden nach und nach. Die großen Milchviehbetriebe mit hunderten Kühen haben übernommen und befahren und mähen schon ab April ihre Grünlandflächen für den Futterbedarf, und das, bei gutem Wetter, bis zu sechsmal im Jahr. Gemäht wird auch in ausgewiesenen EU-Vogelschutzgebieten an der Ems, und nicht nur dort. Kaum ein Gelege oder Küken von Kiebitz, Rotschenkel oder Uferschnepfe kann das überleben. Der „Schutz“ dieser streng geschützten Vogelarten besteht nur auf dem Papier; der „stumme Frühling“, bezogen auf die Wiesenbrüter, ist längst Realität geworden. Der EU-Kommission als „Hüterin“ der Natura-2000-Richtlinien (Vogelschutz- und FFH-Richtlinie) sind die desolaten Zustände in den Schutzgebieten bekannt, aber es ändert sich nichts!