Esens/LK Wittmund: NABU-Kreisvorsitzender befürwortet Neubau einer Bahntrasse quer durchs Vogelschutzgebiet

Screenshot/BIldzitat, Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, Seite 9, vom 28. Juni 2025

Am 28. Juni 2025 berichtete die Lokalzeitung „Anzeiger für Harlingerland“ im Artikel „Drei Varianten der Zugverbindung bis Bensersiel – Verkehr Bahnstrecke zwischen Dornum und Esens soll kommen – Das sagen Naturschützer , von Ina Frerichs“ über den angedachten Neubau einer Bahnverbindung von Esens im Landkreis Wittmund nach Dornum im Landkreis Aurich. 1986 war dieser Bahnabschnitt stillgelegt und anschließend die Schienen aufgenommen worden. Es muss also eine völlig neue Trasse gebaut werden. Die Redakteurin der Zeitung fragte den Vorsitzenden der Kreisgruppe Wittmund des Naturschutzbundes NABU, Axel Heinze aus Esens, nach seiner Einschätzung des Trassenverlaufes durch einen Teil des Europäischen Vogelschutzgebietes V63 „Ostfriesische Seemarsch von Norden bis Esens“, in nationalesRecht durch eine, wenn auch angreifbare, weil mit vielen Ausnahmen versehene, Landschaftsschutzverordnung durch den Landkreis Wittmund umgesetzt.

Blick in das Vogelschutzgebiet V63 bei Bensersiel/Stadt Esens: illegal gebaute Umgehungsstraße, fragwürde Genehmigungspraxis des Windparks Utgast/Gemeinde Holtgast direkt am Vogelschutzgebiet, Foto (C): Manfred Knake

Falls die neue Bahntrasse als „Variante 1“ genannte Trassenführung quer durch das Vogelschutzgebiet führen sollte, müssten zunächst die hohen europarechtlichen Hürden und die des § 34 des Bundesnaturschutzgesetzes (erhebliche Beeinträchtigungen, Verträglichkeitsprüfung) und § 14 (Eingriffsregelung) überwunden werden. Das gilt auch für die beiden anderen Trassenvarianten, weil es sich um einen Neubau handelt. Frei von den Vorgaben des europäischen und nationalen Naturschutzrechts fabuliert der NABU-Vorsitzende dies:

O-Ton Heinze: „Axel Heinze, Vorsitzender der Kreisgruppe im Naturschutzbund (Nabu) Wittmund, erklärt, dass sich das Landschaftsschutzgebiet an der gesamten ostfriesischen Küste befindet. Es sei aus Gründen des Vogelschutzes eingerichtet worden. Unterhalb Bensersiels etwa rasten und brüten Vögel. Der Naturschützer relativiert die Risiken einer möglichen Bahnstrecke: ´Eine Bahn wäre kaum störend´, sagt er. Vögel würden sich an den Verkehr gewöhnen. Außerdem gebe es auch verkehrstechnisch Vorteile: Bahnverkehr reduziere Pkw-Verkehr, und das wiederum verringere Lärm und fördere Ruhe.´“

Von der NABU-Kreisgruppe Wittmund indes hört man man NICHTS zu Naturschutzeingriffen, sei es zu illegalen Heckenentfernungen oder, wie im letzten Jahr, zur „Europameisterschaft der Friesensportler“ in diesem Vogelschutzgebiet zur Brutzeit in Neuharlingersiel.

Hier die Mail von Manfred Knake an Heinze vom 28. Juni 2025

Herrn
Axel Heinze
NABU-Vorsitzender
Kreisverband Wittmund

Moin Axel,

nicht schon wieder!

Im Artikel  Anzeigers für Harlingerland von heute (28. Juni 2025, im Anhang als pdf beigefügt) sprichst Du Dich als NABU-Vorsitzender im Landkreis Wittmund für die „Variante 1“ der angedachten Neuauflage der Bahnlinie von Esens nach Norden durch das Vogelschutzgebiet V63 „Ostfriesische  Seemarsch von Norden bis Esens“ südlich von Bensersiel aus. Du hast richtig erkannt, dass die Trasse durch ein Schutzgebiet führt: „Unterhalb Bensersiels etwa rasten und brüten Vögel. Der Naturschützer relativiert die Risiken einer möglichen Bahnstrecke: ´Eine Bahn wäre kaum störend´, sagt er. Vögel würden sich an den Verkehr gewöhnen.“

Zunächst: Brutvögel, bis auf Schilfbrüter, gibt es kaum noch in diesem europäischen Vogelschutzgebiet, die Bauern mähen das Grünland schon ab Mai, und das dann noch mehrere Male im Jahr. Da kann kein Wiesenbrüter mehr überleben, und damit können auch Vögel nicht mehr gestört werden. Anders die Rastvögel, Gänse und Limikolen, die die Flächen im Schutzgebiet während des Vogelzuges immer noch annehmen. Da stört bereits die illegal gebaute Umgehungsstraße in Bensersiel/Stadt Esens („Der längste Schwarzbau der Republik“, die zugrunde liegend Bauleitplanung der Stadt Esens wurde vom Bundesverwaltungsgericht 2014 als „rechtsunwirksam“ verworfen! ( https://www.bverwg.de/4CN3.13 und https://www.wattenrat.de/2014/04/05/bensersiel-die-%E2%80%9Ekommunale-entlastungsstrase%E2%80%9C-chronologie-des-versagens-der-kommunalen-selbstverwaltung/, dass Berichterstattung auch wesentlich kritischer geht als heute hier: https://www.nwzonline.de/wirtschaft/schwarzbau-durchs-schutzgebiet_a_26,0,1648675714.html#  , aber das ist lange her) .

Laut Datenerhebungen eines Gutachterbüros meiden die Rastvögel die Umgehungsstraße in einem ca. 400 Meter tiefen Abstand, d.h große Flächen als Rastgebiet fallen aus. Bereits 2003 (!) hat sich der Kreisverband des NABU unter Deiner Führung  für die Umgehungsstraße ausgesprochen, damals warst Du gleichzeitig für die SPD Vorsitzender des Bauausschusses der Stadt Esens. (Anzeiger für Harlingerland, 19. März 2003: „[…] Zwar, so Heinze, sei die Umgehung Bensersiel ein Eingriff in die Natur, doch müsse dabei berücksichtigt werden, dass sie wichtig für den Fremdenverkehr sei, von dem die Menschen hier leben würden. […]“  Und nun noch eine Bahnstrecke quer durchs Schutzgebiet oben drauf?

Zunächst war es ein bodenlose Torheit der damals politisch Verantwortlichen, die alte Trasse von Esens nach Dornum 1986 überhaupt abzubauen. Nun soll sie nach vierzig Jahren wiederaufgebaut werden, wogegen eigentlich nichts spricht, nur sollte man die neue Trassenführung an den alten Verlauf anpassen, „Varianten 2 oder 3“.

Vor zehn Jahren wurde der Windpark Utgast in nur wenigen hundert Metern Abstand vom Vogelschutzgebiet zwischen Holtgast und Bensersiel repowert, ohne die erforderlichen Datenerhebungen von Vögeln und Fledermäusen, die Antwort auf meine Fachaufsichtsbeschwerde beim Niedersächsischen Umweltministerium kannst Du hier nachlesen: https://www.wattenrat.de/wp-content/uploads/2017/01/NLWKN_Stellungnahme_Utgast-1.pdf

Was will man diesem Gebiet, mit NABU-Unterstützung, also noch antun?

Und nun kommt Herr Heinze erneut als „Naturschützer“ in die Zeitung und redet nach einer illegal gebauten Umgehungsstraße einer Bahntrasse durch das Vogelschutzgebiet das Wort. Nichts dazugelernt? Ich empfehle Dir die Lektüre der europäischen FFH- und Vogelschutzrichtlinie (Natura-2000), danach darf der Erhaltungszustand der Gebiete nicht verschlechtert werden, diese EU-Richtlinien gelten auch für den NABU – und die Trassenplaner. Hättest Du geschwiegen, wärst Du Philosoph geblieben!

Die berichtende junge Redakteurin hätte ja auch mal im Archiv ihrer Zeitung über die Vorgänge in diesem Schutzgebiet recherchieren können…

Grüße von

M.

P.S.: Ich werde diese Mail demnächst auf www.wattenrat.de veröffentlichen; die Seite wird gut gelesen.

Dieser Beitrag wurde unter Artenschutz, Naturschutz, Tourismus, Verbände veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.