Quaken der Werber

DIE STERN-KOLUMNE – Die Woche, 13. Juni 1997

Das Quaken der Werber

Niedersachsens dubiose Propaganda für die Windkraft

Die Meinung dass die Werbung, insbesondere die politisch motivierte, eine Schwester der Lüge sei, ist weit verbreitet. Doch nicht oft gelingt die Beweisführung so überzeugend wie im Fall einer Anzeige des Landes Niedersachsen unlängst im „Spiegel“. Für den stolzen Preis von knapp 100 000 Mark ließen die beamteten Image- Werber des Landes das farbige Bild eines Laubfrosches zu Füßen der Mühlenmonster eines „Windparks“ veröffentlichen. Eine Schlagzeile darunter sagte: „Das Lauteste an unseren Windparks ist das Quaken der Frösche.“

Die Anzeige zielte auf den wachsenden Widerstand aus Wissenschaft und Bevölkerung gegen Niedersachsens Hauruck-Forderung der Windkraft als vermeintlich ökologisch verträglicher Stromerzeuger, So bedeutende Zeitungen wie die „Frankfurter Allgemeine“ und die „Süddeutsche“ veröffentlichten aus der Feder angesehener Wissenschaftler wie des Direktors des Instituts für Wirtschaft und Ökologie an der Hochschule St. Gallen, Prof. Hans Christoph Binswanger („Windenergie – die falsche Alternative“), und Prof. Otfried Wolfrum, Lehrer am geodätischen Institut der TH Darmstadt („Der große Schwindel Windstrom“), gnadenlose, zahlengestützte und faktengesättigte Verrisse einer solchen Energiepolitik, in der Schröderland Vorreiter ist und sich stolz auf dem Weg sieht, „Windland Nr. 1“ zu werden.

Aber auch die Menschen, die im Umfeld eines Windparks leben müssen, wehren sich. Sie nennen die bis zu über 100 Meter hohen Betonspargel, an deren Köpfen sich Windräder mit einem Durchmesser von 66 Metern drehen, eine „Vergewaltigung der Augen“, weil diese Monster inzwischen die gewachsenen Kulturlandschaften der Nordseeküste vielerorts nachhaltig zu Industrielandschaften verändern. Ist also angesichts der Proteste der vom Lärm der Rotoren geplagten Anwohner schon die Aussage falsch, dass das Lauteste an diesen Windparks das Froschgequake in ihnen sei, so enthüllte ausgerechnet die für diese Thematik zuständige Fachbehörde in Niedersachsen, das Landesamt für Ökologie, schon vor der Werbung, dass es in der Marsch, wo diese Windräder stehen, gar keine Laubfrösche gebe. Die Image-Werber hatten also Zugang zur Wahrheit. Aber sie griffen zur vermeintlich werbewirksameren Lüge, zu der sich noch, als der Schwindel aufflog, die Unverfrorenheit der in Hannover Regierenden gesellte.

Als der Bund der Steuerzahler die Nützlichkeit der insgesamt 1,8 Millionen Mark teuren Image-Werbung bezweifelte, ließ ein Schröder-Sprecher verlauten, der Bund der Steuerzahler werde von seiner Regierung zwar „wahr, aber nicht ernst genommen“, Und darauf angesprochen, dass es in der Marsch gar keine Laubfrösche gebe, hieß es aus der Staatskanzlei, es sei in dieser Werbung nicht um den Frosch „in natura“ gegangen, sondern um die allgemein verständliche Verdeutlichung der regierungsamtlichen Meinung von den neuen, extrem leisen Windrädern.

Vielleicht sollte Gerhard Schröder, der sich und seine Regierung auf diese Weise hart anlügt und an der Arroganz entlang interpretiert sehen muss, nicht nur Tony Blair im aufs Kanzleramt gerichteten Blick haben, sondern auch Jacques Chirac, der an seinem Hochmut scheiterte. Auch er nahm den Bürger zwar wahr, aber nicht ernst und glaubte ihn durch taktische Spielchen manipulieren zukönnen. Auch Niedersachsen steht wieder vor einer Wahl. Mit regierungsamtlichem Gequake von der hier in Rede stehenden Art wird sie nicht zu gewinnen sein.

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