NABU: Falscher Amsel-Alarm(?)

Amsel, Foto: Andreas Trepte, www.photo-natur.de

#edit, 15. Sept.2011: Der Amsel-Alarm ist ist offensichtlich doch nicht so unbegründet, wie eine Meldung des  Bernhard-Nocht Instituts für Tropenmedizin am 14. Sept. 2011 nahelegt. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg  seien in den letzten zwei Monaten viele tote Amseln gefunden wurden. In einer aus Hessen stammenden Amsel fanden die Wissenschaftler des Instituts das Usutu-Virus, das von Stechmücken übertragen wird. „Dass das Massensterben der Vögel durch das Usutu-Virus bedingt ist, bleibt jedoch noch zu beweisen“, sagte ein Institutsmitarbeiter. Die vollständige  Pressemitteilung des Instituts und eine Anmerkung finden Sie ganz unten.

#edit, 16. Sept. 2011: Der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) schreibt dazu am 16.09. 2001 sehr informativ Usutu-Virus: Amselsterben oder Panikmache?

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Dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) kommen die Vögel abhanden. Zuerst war es die Brandgans, die man für Gewinnchancen einer Verlosung zählen sollte, nun ist es gar die ungleich häufigere Amsel, die „rückläufig“ oder gar „verschwunden“ sein soll. Wie das? Der NABU ließ interessierte Vogelfreunde Vögel zählen, „Die Stunde der Gartenvögel“ heißt diese in jedem Jahr neu aufgelegte Marketingnummer. Im Mai 2011 ließ der NABU auch über Agenturen verlauten: „Bei der diesjährigen Aktion ‚Stunde der Gartenvögel‘ zählten Vogelfreunde etwa 101.000 Amseln, wie der Naturschutzbund NABU am Dienstag in Berlin mitteilte. Das seien sieben Prozent weniger Sichtungen als im Vorjahr.“ Die exakten Prozentzahlen suggerieren gar einen wissenschaftlichen Anspruch, der aber nicht annähernd erfüllt ist.

Die Zahlen beruhen ausschließlich auf Zufallsbeobachtungen von Vogelguckern, die ganz andere an völlig anderen Orten als im Vorjahr gewesen sein können, aus völlig unterschiedlichen Beobachtungshabitaten oder bei unterschiedlichen Wetterverhältnissen. Diese Aufrufe zum Vogelzählen an die Laienspieler haben aber einen ganz knallharten finanziellen Hintergrund für den Naturschutzverband, es sind „Mailings“, in denen Vogelfreunde aufgefordert werden, ihre Vogelbeobachtungen mit ihren Adressdaten bereitzustellen. Mit diesen Adressen versucht der NABU dann neue zahlende Mitglieder zu gewinnen, die ja schon ihr Interesse an der Vogelbeobachtung durch Einsendung der Zähldaten bekundet haben.  Mitglieder wirbt der NABU (und der BUND) auch mit studentischen Drückerkolonnen wie Staubsaugervertreter an den Haustüren, die von gewerblichen Agenturen auf den Weg geschickt werden. Als Vergütung bekommt die Agentur bis zu mehrere Jahresbeiträge des neu gewonnenen Mitglieds.

Im September 2011 entdeckte nun auch der NABU-Ostfriesland, dass die Amseln „in Ostfriesland seit Anfang Juli verschwunden“ sind, musste aber wenige Tage später in der Presse zurückrudern und in der Ostfriesen Zeitung vom 10. September 2011 zugeben: „Es gibt doch noch einige Amseln, Vögel wurden vor allem im südlichen Ostfriesland gesichtet Der Nabu hatte Alarm geschlagen. Das Phänomen soll weiter untersucht werden.“

Das Phänomen ist recht einfach zu erklären: Im Mai und Juni sitzen die Amseln meistens unsichtbar auf den Nestern, das sollten auch „Vogelfreunde“ wissen. Nun ist die Brutzeit längst vorbei und es gibt immer wenig Amseln zu sehen (aber auch andere häufige Vögel wie Buchfinken oder Rotkehlchen machen sich örtlich derzeit rar). Im Spätsommer mausern die Amseln und sind kaum zu sehen.  Zudem haben wir einen ungewöhnlich nassen und kühlen Sommer gehabt, auch mit Starkwinden. Die Amseln unserer Region sind vermutlich diesem auch für Menschen unangenehmen Wetter einfach per Flügelschlag ausgewichen, eine „Wetterflucht“ also, die für die Amseln wesentlich einfacher als für den ortsgebundenen arbeitenden Menschen ist. Der fachliche Begriff für das  Ausweichen einer Vogelart ist „Dismigration“  (Zerstreuungswanderung), wenn durch äußere Faktoren wie schlechter Witterung oder fehlender Nahrung ausgelöst „Spacing“.

 Link: NABU-Märchenstunde: Die Stunde der Gartenvögel

Ostfriesen Zeitung, S. 14, 10. Sept. 2011

Es gibt doch noch einige Amseln

NATUR Vögel wurden vor allem im südlichen Ostfriesland gesichtet Der Nabu hatte Alarm geschlagen. Das Phänomen soll weiter untersucht werden. […]

 

  Ostfriesen Zeitung, S.1 (!), 08. Sept. 2011

Es gibt keine Amseln mehr: Wie der Naturschutzbund (Nabu) mitteilt, sind die Vögel auch in Ostfriesland seit Anfang Juli verschwunden. Die Ursache ist unklar. „Einerseits ist es normal, dass Amseln jetzt kaum zu sehen sind. Andererseits erreichen uns in diesem Jahr deutlich mehr besorgte Meldungen“, so der Nabu. Grund für den Schwund könne eine Krankheit sein. Daher sei es falsch, die Vögel jetzt zu füttern, da dies eine Ausbreitung beschleunigen könnte.

dapd,31. Mai 2011

NABU: Weniger Amseln in Deutschland gesichtet

NABU: Weniger Amseln in Deutschland gesichtet: Die Zahl der Amseln ist in Deutschland offenbar rückläufig. Bei der diesjährigen Aktion ‚Stunde der Gartenvögel‘ zählten Vogelfreunde etwa 101.000 Amseln, wie der Naturschutzbund NABU am Dienstag in Berlin mitteilte. Das seien sieben Prozent weniger Sichtungen als im Vorjahr. […] Der NABU hatte Mitte Mai zur Teilnahme an dem Aktionswochenende ‚Stunde der Gartenvögel‘ aufgerufen. Insgesamt beteiligten sich etwa 42.000 Naturfreunde, die etwa eine Million Beobachtungen meldeten.

#edit, 15. Sept. 2011: Virus oder Wetterflucht, oder beides, das ist hier die Frage. Offensichtlich gibt es doch ungewöhnlich viele tote Amseln, zumindest in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Eine Amsel aus Hessen trug das Usutu-Virus, das durch Stechmücken auch auf Menschen übertragen werden kann. Nur kann man solche Phänomene, bis auf die Prozentzahl genau, nicht mit der NABU-Aktion „Stunde der Gartenvögel“ nachweisen. In dieser Marketing-Aktion geht es nur um potenzielle Mitgliederadressen der Teilnehmer, sonst nicht. Die teilnehmenden Vogelbeobachter sind zudem Laien, die völlig willkürlich und unsystematisch an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten Amseln oder andere Vögel zählen. Daraus Vergleichbarkeiten abzuleiten, hat mit Wissenschaft nichts zu tun. Im hier überschaubaren Küstenbereich sind derzeit tatsächlich nur wenig Amseln, aber auch wenig andere Singvögel zu beobachten.  Eine Häufung von Totfunden von Amseln oder anderen Singvögeln wurde in Norddeutschland bisher nicht beobachtet, die Befürchtungen des NABU in Ostfriesland sind also derzeit gegenstandslos. Die naheliegende Erklärung dafür ist nach wie vor die Wetterflucht vor Nässe, Kühle und Wind.

Amselsterben in Süddeutschland: Tropisches Virus gefunden / Erfolg für Frühwarnsystem
Dr. Eleonara Setiadi
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin

14.09.2011 10:20
Wissenschaftler des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg haben gestern das tropische Usutu-Virus in mehreren Organen einer toten Amsel aus dem hessischen Birkenau nachgewiesen. Die Amsel wurde im Rahmen des Projekts „Vorkommen von Stechmücken in Deutschland“ von Mitarbeitern der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Stechmückenplage (KABS) aufgefunden und an das BNI weitergeleitet. „Dass das Massensterben der Vögel durch das Usutu-Virus bedingt ist, bleibt jedoch noch zu beweisen“, sagt Dr. Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter der virologischen Diagnostik am BNI.

Bereits 2010 fand die Gruppe um Schmidt-Chanasit mit Partnern der KABS das ursprünglich aus Afrika stammende Virus erstmals in deutschen Stechmücken.(1) „Unser bundesweites Frühwarnsystem funktioniert“, erklärt Dr. Norbert Becker, Leiter der KABS. „Der Befund ist zwar alarmierend, da Usutu-Viren auch den Menschen infizieren können, jedoch sind in Deutschland bisher keine Infektionen von Menschen diagnostiziert worden“, ergänzt Schmidt-Chanasit.

Seit etwa zwei Monaten beschäftigt ein rätselhaftes Amselsterben mit Tausenden von toten Tieren die Vogelexperten des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) vor allem in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. In einigen Gebieten sind die Amseln fast vollständig verschwunden. Auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der KABS in Waldsee sammeln zurzeit tote Amseln und schickten erste Vögel zur Untersuchung ans BNI. „Wir vermuteten schon, dass Usutu-Viren die Ursache sein könnten“, erklärt Becker. Mit einem im vergangenen Jahr entwickelten Schnelltest – basierend auf der RT-PCR-Methode – bestätigte die Gruppe um Schmidt-Chanasit über Nacht die Vermutungen der Experten aus Süddeutschland.

„Diese Diagnose ist der erste Erfolg für ein funktionierendes, verlässliches Frühwarnsystem, das wir mit dem Großprojekt ‚Vorkommen und Vektorkompetenz von Stechmücken in Deutschland‘ etablieren wollten“, erklärt Schmidt-Chanasit. Es sei wichtig, rechtzeitig vorhersagen zu können, welche durch Stechmücken übertragenen Viren sich in Deutschland ausbreiten und möglicherweise Menschen und Tiere bedrohen könnten. Anfang des Jahres bewilligte die Leibniz-Gemeinschaft die Förderung eines interdisziplinären Forschungsprojekts mit rund einer dreiviertel Million Euro.(2) Neben dem BNI als Projektkoordinator sind das Senckenberg Deutsches Entomologische Institut (SDEI) in Müncheberg und die KABS als Projektpartner beteiligt.

Usutu-Virus auch auf Menschen übertragbar

Das Usutu-Virus ist kein reines Vogelvirus, sondern kann über einen Mückenstich auch auf den Menschen übertragen werden. Es gibt zurzeit keine Hinweise darauf, dass das Usutu-Virus in Deutschland auf Menschen übertragen wird oder gar eine Epidemie auslöst“, beruhigt Schmidt-Chanasit. Es sei jetzt wichtig, die medizinische Bedeutung der Ergebnisse für die Bevölkerung in Deutschland näher zu untersuchen.

Im Herbst 2009 wurde erstmals Usutu-Fieber bei Patienten in Italien diagnostiziert.(3,4) Schwere Verläufe wurden bei immungeschwächten und älteren Menschen beobachtet. Die Infektion geht mit Fieber, Kopfschmerzen und Hautausschlägen einher und kann im schlimmsten Fall eine Gehirnentzündung (Enzephalitis) auslösen. Nach dem gestrigen Befund informierte die KABS umgehend das Gesundheitsministerium in Baden-Württemberg.

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