Im Ortsteil Utgast der Gemeinde Holtgast/LK Wittmund drehen sich auf 2 qkm Fläche bereits 50 Windkraftanlagen, nur 1,4 km vom Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer entfernt. Nun sollen ausgerechnet am Hartgaster Tief, einem Wasserlauf, auf 40 Hektar Fläche mindestens drei weitere Anlagen das Typs Enercon-101 aufgestellt werden. Gemunkelt wird schon, diese später auf sechs Anlagen aufzustocken. Die Planungen laufen seit mehr als zwei Jahren. Es geht ums Geld, um sehr viel Geld, nicht um die „Energiewende“ oder „Atom“, die Gelddruckmaschine „Erneuerbare Energien Gesetz“ macht´s möglich. 2013 wurden bereits Betreibergesellschaften gegründet:
1. Die Windpark Hartsgaster Tief Verwaltungs GmbH Holtgast, Hartsgaster Str. 9 26427, Holtgast und 2.) Die Grundeigentümer Hartsgaster GmbH Co. KG, Hartsgaster Str. 9, 26427, Holtgast, mit identischer Postanschrift. Dahinter verbergen sich sich mehrere Landwirte und eine Grundeigentümerin aus Holtgast http://peoplecheck.de/handelsregister/NI-HRB_202586-250417
Einwohner werden nicht ausreichend informiert
Die Einwohnerinnen und Einwohner von Holtgast wissen kaum etwas über diese schon sehr weit fortgeschrittenen Planungen, obwohl es mehrere nichtöffentliche Zusammenkünfte von Gemeinderatsmitgliedern mit Betreibern und deren Rechtsanwälten aus Aurich und Oldenburg gegeben hat. Zu den Planungen gibt nur einen dreizeiligen Hinweis im Protokoll des Bau- und Umweltausschusses der Samtgemeinde Esens vom 08. Februar 2012, einen kurzen Zeitungsartikel und ein Hinweis anlässlich der Rede von Enno Ihnen auf einer örtlichen Festveranstaltung im Dezember 2012. Enno Ihnen ist Ratsherr in der Samtgemeinde Esens mit Sitz für die CDU und Vorsitzender des Bau- und Umweltausschusses. In Holtgast ist er Bürgermeister, hier für die „Freie Wählergemeinschaft Holtgast“.
Email Bürgermeister Enno Ihnen am 16. Februar 2013 auf Anfrage (also vor einem Jahr!)
„[….] teile Ihnen mit, dass die Gemeinde Holtgast, die nach der Potentialstudie der SG Esens festgestellte Sonderfläche (ca. 40 ha) am Hartsgaster Tief für Windenergie auch zur Verfügung stellte möchte, weil auf der anderen Seite des Tiefs die Gemeinde Ochtersum / SG Holtriem ebenfalls eine Sonderfläche ausweisen wird. Diese Information habe ich bereits bei der Johannistein-Verleihung im Dezember öffentlich mitgeteilt. Zur Zeit laufen Vorgespräche mit der SG Esens und der SG Holtriem zur Abstimmung einer gemeinsamen Planung. Im weiteren Verlauf wird sich sowohl die SG Esens als auch die Gemeinde Holtgast in öffentlichen Sitzungen der Räte mit der Einleitung eines Bauleitverfahrens auseinandersetzen und zu gegebener Zeit die Öffentlichkeit informieren und mit einbinden. […]“
Die Begründung beruft sich auf die Nachbargemeinde Ochtersum, Samtgemeinde Holtriem (Westerholt), wo der bestehenden Windpark mit über 50 Anlagen um ca. 15 Anlagen nach Osten in Richtung Holtgast erweitert werden soll, nun will Holtgast ebenfalls am Renditekuchen und an der Gewerbesteuer teilhaben. Die Ochtersumer Planungen seitens der Betreiber laufen seit mehr als drei Jahren, mit Land- und Zuwegungsanpachtungen oder -käufen und Verhandlungen über den Kauf von Häusern, die an sog. „Immissionspunkten“ liegen, also zu nah an den Windkraftwerken. Zu jeder Anlage muss eine schwerlastfähige Straße gebaut werden, um die Windkraftwerke bauen und warten zu können. Vor wenigen Tagen wurde aber erst dort eine Bürgerinformation in der Lokalpresse angekündigt. Erst wenn die Planer ihre Arbeit getan, ihre Verträge mit den Landeigentümern fertig in der Tasche haben, geht das Vorhaben zur Abstimmung in die Ratsgremien, wo die Details der Planungen aber lange bekannt sind. Die nun vorgetragenen Bedenken der betroffenenen Anlieger oder Naturschutzbedenken werden dann in der Regel von den Ratsmitgliedern „weggewogen“, nicht nur in Holtgast. Evtl. Rechtsmittel können erst eingelegt werden, wenn die Zuwegungen und Anlagen bereits im Bau sind, viel zu spät. So wird in vielen Kommunen in Deutschland verfahren, wo Windkraftinvestoren vor der Tür stehen.Nach § 85 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes sollen aber Einwohnerinnen und Einwohner bei solchen Projekten „rechtzeitig und umfassend“ informiert werden, und bestimmt nicht erst dann, wenn die Betreiber die Planungen abgeschlossen haben.
Email Bürgermeister Enno Ihnen in einer Email am 01. März 2013 zu den Planungen in Holtgast:
„[…] eine hiesige Personengruppe setzt sich zur Zeit mit den Planungen auseinander. Nach Rücksprache mit dem Sprecher wird die Öffentlichkeit rechtzeitig informiert. […]“
Die Information der Öffentlichkeit hat vom Bürgermeister zu erfolgen, nicht nach Belieben des „Sprechers“ der Betreiber. Verbindliche Abstandsregelungen der Anlagen zur Wohnbebauung gibt es nicht, nur Empfehlungen. Anlagen dieser Größe wirken durch Rotorenlärm und Schattenwurf (Discoeffekt) weit in die Landschaft und die Lebensqualität der Anwohner hinein. „Dem Vernehmen nach“ will die Gemeinde Holtgast sich evtl. selber am neuen Windkraftprojekt am Hartsgaster Tief beteiligen, um auch an der Rendite teilhaben zu können.
Wertverlust der Immobilien
Grundstücke werden unter anderem durch Rotorenlärm (auch noch in hunderten Metern Entfernung wahrnehmbar!), gesundheitsschädlichen Infraschall, Schattenschlag, Eiswurf, durch die bedrängende Wirkung der riesigen Anlagen und die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen an Wert verlieren. Wertverluste von 30 Prozent oder gar Unverkäuflichkeit der Immobilie ist nach Maklerangaben durchaus nicht unüblich. Das sollten betroffene Anwohner wissen! Mehr hier: Windwahn.de
Naturschutz kommt unter die Windräder
Das Planungsgebiet östlich von Ochtersum und bei Holtgast ist ein sog. „national bedeutsames Rastgebiet“ für verschiedene Gänsearten und Watvögel, für die Rastvögel wird dieses Gebiet durch die Windparkplanungen total entwertet. Auch die festgestellten Brutvögel werden das Gebiet meiden. Das von den Betreibern bezahlte Gutachterbüro bestätigt die Wertigkeit des Gebiets, sieht aber die Eingriffe als „kompensierbar“ an. Es fragt sich nur, wo überhaupt noch ungestörte und weite Ausgleichsflächen im Landkreis Wittmund bereitgestellt werden können.
1994: Klüngel und Korruptionsanzeige
Der bestehende Windpark Utgast in Holtgast wurde nach einer Vereinbarung mit dem damaligen Anlagenhersteller Tacke verwirklicht. Tacke verpflichtete sich damals zu einer Zahlung von „500.000 DM“ an die Gemeinde, wenn dieser Windpark „behördlich genehmigt“ werde. Nach einer Korruptionsanzeige bei der Staatsanwaltschaft Aurich wurde die Vereinbarung von der damaligen Bezirksregierung Weser-Ems in eine „Schenkung“ umgewandelt. Mit dem Geld wurde u.a. ein Vereinsheim in Fulkum finanziert. Drei der Holtgaster Ratsmitglieder, die damals für den Windpark stimmten, sitzen noch heute, 20 Jahre später, im Rat, einer davon ist jetzt Bürgermeister!
Dass der Gemeinderat Holtgast Demokratie bis heute nicht ordentlich kann, zeigt ein Vorfall aus dem Jahr 2009/2010, als die Abstimmungen für weitere Windkraftanlagen im Windpark Utgast in rechtswidriger nichtöffentlicher Sitzung von der Kommunalaufsicht gerügt wurden. Die Sitzung musste auf Anweisung des Landkreises öffentlich wiederholt werden. Auch in diesem Falle köderte eine Betreiber die Gemeinde mit 5000 Euro „für gemeinnützige Zwecke“! Die Anzahl der Windkraftanlagen mit dem angekündigten „Repowering“ hat sich bis heute nicht verändert. Möglich sind diese dreisten Ratsbeschlüsse nur deshalb, weil das Wahlvolk überwiegend und offensichtlich völlig desinteressiert an der Holtgaster Kommunlapolitik ist. Dazu ein Leserbrief und der Bezugsartikel aus 2010, mehr hier: Utgast_Wind_2010
Törichte „Argumente“
Oft hört man in der Diskussion „Willst Du denn lieber ein Atomkraftwerk hinter dem Haus?“ Das Argument ist gar keins und zeigt nur die Unbedarftheit des Einwenders. Atomkraftwerke werden auch in Ostfriesland auf absehbare Zeit nicht gebaut werden, hinter keinem Wohnhaus. Durch die steigende und nur unregelmäßige schwankende Einspeisung von Windstrom ins Netz werden aber mehr Kohle- und Gaskraftwerke gebaut werden müssen, um die verlässliche Stromversorgung im Industrieland Deutschland sicherzustellen.
Örtliche Verdrängung
Der Windpark Utgast, an der der Ort Fulkum direkt liegt, wird auf der WebSeite der Gemeinde Fulkum gar nicht erwähnt. Die in Fulkum tätige „Interessengemeinschaft für Dorfverschönerung und Heimatpflege Fulkum e. V.“ definiert sich über Grünstreifenpflege, Osterfeuer oder ein jährliches Dorffest. Nach Fertigstellung der Windparkerweiterung von Westerholt wird Fulkum nicht nur im Norden, sondern auch im Süden von Windparks umstellt sein. Auf der WebSeite der Gemeinde Holtgast fehlen die riesigen Windturbinenfelder im Ort ebenfalls, dafür wird mit Tourismusangeboten geworden. Nur eine Handvoll Ratsmitglieder trägt für diese Landschaftszerstörung die Verantwortung!
Allerdings regt sich in der Gemeinde nun tatsächlich Widerstand: nicht gegen mehr Windkraftanlagen, sondern gegen eine Bahntrasse, die bereits vor drei Jahrzehnten stillgelegt und abgebaut wurde und nun eventuell wieder neu gebaut werden soll, um Esens mit dem Ort Norden zu verbinden. Die Trasse muss irgendwo an Fulkum vorbeilaufen. In Fulkum wurde 2011 eine Bürgerinitiative gegen die Bahntrasse durch Fulkum gegründet: „Die Mitglieder der BI möchten nicht, dass ihr schönes Dorf, durch eine Bahnstrecke verunstaltet wird, und die Anlieger einen Wertverlust ihrer Immobilie erleiden müssen. Außerdem befürchten die Einwohner durch massive Lärmbelästigung das Wegbleiben ihrer Feriengäste sowie die Zerstörung der dörflichen Beschaulichkeit. Nicht zuletzt stellen Züge, die durch ein belebtes Dorf rollen, immer ein sehr hohes Gefahrenpotential dar.“
Ob die Bahntrasse wieder wie früher direkt durch das Dorf führen wird, ist kaum anzunehmen, eher am Ort vorbei. Auf der alten Bahntrasse wird jetzt jährlich zu Pfingsten ein Dorffest gefeiert, der kulturelle Höhepunkt im Ort.
Die Industrialisierung der ehemals weiten Landschaft mit lauten Windkraftanlagen, die bis wenige hundert Meter an den Ort heranreichen und ihn entstellen, wird offensichtlich nicht mehr wahrgenommen und verdrängt. Der Wertverlust der Wohnhäuser am Windpark hat längst stattgefunden.
Kirchturmpolitiker
Die Industrialisierung der ehemals weiten ostfriesischen Landschaft mit lauten Windkraftanlagen, die bis wenige hundert Meter an den Ort heranreichen und ihn entstellen, wird offensichtlich nicht mehr wahrgenommen und verdrängt. Der Wertverlust der Wohnhäuser am Windpark hat längst stattgefunden. Wer sich also von außerhalb in die vermeintlich ländliche Idylle wohnlich verändern und zurückziehen möchte, wird irgendwann von der Windindustrie eingeholt werden. Ortsräte, die nur bis zur Gemeindegrenze denken, machen es möglich. Eine übergeordnete Raumplanung, die auch auf die Raumnutzungsmuster von Rastvögeln, deren Flächen immer kleiner werden, gibt es nicht mehr. Dieser naturschutzfachliche Sachverhalt ist dem „Normalratsmitglied“ auch kaum zu vermitteln. Es regiert das nackte Profitdenken für eine kleine Klientel, in fast jeder Gemeinde.
Zum Schluss: der niedersächsische Landtag
Der [niedersächsische] Landtag hat in seiner 22. Sitzung am 12. 12, 2003 folgende Entschließung angenommen:
Zukunft der Windenergie in Niedersachsen sichern – Konflikte der Windenergienutzung entschärfen
Der Landtag stellt fest, dass die Windenergie einen wichtigen wirtschaftlichen Faktor in Niedersachsen darstellt und tausende Arbeitspläne sichert, das Landschaftsbild in einigen Teilräumen stark durch Windenergieanlagen dominiert wird und auf dem Festland ein weitgehender Sättigungsgrad erreicht ist, das Repowering dazu dient, die Energieausbeute zu erhöhen und gegebenenfalls die Zahl der Windenergieanlagen zu reduzieren.
Genützt hat „dem Landschaftsbild“ der Entschließungsantrag der niedersächsischen Politiker gar nichts, er ist in der Gier des Windwahnes verhallt. Das Bemerkenswerte: 2003 war Hermann Dinkla aus Westerholt (!) stellv.Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, 2008 wurde er gar Landtagspräsident. Ob er sich an den Entschließungsantrag in seiner politischen Amtszeit erinnert, wenn er nun als Rentner über Land fährt und die wachsende und nicht abnehmende Anzahl der Windenergieanlagen sieht?
Link: Windenergiestandorte: von Kirchturmpolitikern und Profit