Bitte den Nachsatz am Ende des Beitrages beachten: „Feuer-Show“ statt Feuerwerk in Bensersiel
Es spricht sich langsam herum: Feuerwerke sind nicht nur ein Stressfaktor für Reitpferde, Haushunde oder Hauskatzen, sondern vor allem für wildlebenden Vögel. Hier an der Küste werden auf den Inseln und in den Küstenbadeorten immer noch enorme Mengen Böller und Raketen gezündet. Sogar im oder am Großschutzgebiet Nationalpark Wattenmeer kracht es vor, an und nach Silvester. Die Leidtragenden sind die Rastvögel des Wattenmeers, die gerade im Winterhalbjahr auf störungsfreie Äsungs- und Rastplätze in ihren Schutzgebieten angewiesen sind.
Hier fressen sich Gänse, Enten oder Watvögel (Limikolen) ihre Fettreserven für die langen Zugwege an. Das Feuerwerksverbot an Schutzgebieten fordert der Wattenrat seit Jahren und hat immer wieder auf die gravierenden Störungen aufmerksam gemacht, die kilometerweit in die Schutzzonen hineinwirken und nicht nur wildlebende Gänse, sondern auch die kaum bekannten kleineren Limikolen im Nationalpark Wattenmeer treffen. Von der Nationalparkverwaltung kamen bisher nur hilflose Appelle. Städte machen es vor und weisen begrenzte Zonen mit Feuerwerksverboten aus, warum geht das nicht auf den Inseln und in Ortschaften, die direkt an den Nationalpark Wattenmeer angrenzen? Forscher des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie in Konstanz und des Niederländischen Instituts für Ökologie haben in achtjähriger Arbeit untersucht, wie sich Silvesterfeuerwerke auf wildlebende Gänse auswirken, die Folgen dauern länger als nur eine Silvesternacht.
Beobachtet wurden vier Gänsearten: Bläss-, Weißwangen-, Kurzschnabel- sowie Saatgänse. Diese arktischen Zugvögel halten sich im Winter in Norddeutschland, Dänemark und in den Niederlanden auf. Ungestört fressen oder ruhen die Tiere den ganzen Tag, damit wenig Körperfett als Energiespender verbraucht wird. Bei Störungen oder in der Silvesternacht fliegen die Gänse kräftezehrend auf und müssen die Fressverluste später wieder durch ein erhöhtes Fressverhalten aufholen. Die Studie zeigt auf, dass einige Tiere hunderte von Kilometern ohne Pause in einer einzigen Winternacht zurücklegten, um den lauten Störungen zu entkommen. Das sind Entfernungen, die unter normalen Umständen nur während des Zuges zurückgelegt werden. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Conservation Letters“ im November 2022 veröffentlicht und ist hier abrufbar. Der Text ist in englischer Sprache verfasst und kann ggf. mit dem Online-Übersetzungsprogramm DeepL ins Deutsche übersetzt werden.
Nachsatz: Die Tourismusmacher im Küstenbadeort Bensersiel/LK Wittmund, teilweise im und direkt am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer gelegen -EU-Vogelschutzgebiet und „Weltnaturerbe“- luden für den gestrigen Abend (30.12.2022) zu einer „Feuershow“ ein, was immer damit gemeint sein mag. Das sah dann so aus:
Auf derselben Facebook-Seite schreiben die Touristiker aus Esens-Bensersiel am 29. Dezember 2022:
„HINWEIS: Aus Natur-, Tier-, Umwelt- und verschiedenen anderen Gründen möchten wir keine „Silvester-Ballerei und keine Raketen“ mehr einsetzen. Gerade direkt am Weltnaturwerbe Wattenmeer und auch aus Respekt den Menschen aus der Urkraine gegenüber finden wir es nicht angebracht, Silvester in alt-traditioneller Form zu feiern, sondern lieber etwas zurückhaltender und zeitgemäßer zusammen zu kommen. Niemand soll sich bitte damit angegriffen fühlen – für uns ist es die richtige Entscheidung.“
Keine „Silvester-Ballerei“ am 31. Dezember, dafür aber vorgezogen auf den 30. Dezember, zwar ohne Böller, aber mit ebenso störenden Raketen? Werden damit keine Tiere des „Weltnaturerbes“ gestört und vertrieben? Wie dreist kann man sein? Frage: Wer genehmigte das als „Feuer-Show“ getarnte und vorgezogene Feuerwerk direkt am Nationalpark Wattenmeer? Das wird zu klären sein.
2019 hatten wir Bensersiel und seine Feuerwerke (sogar im Sommer) schon mal auf dem Schirm. Damals mauerte auch der Naturschutzverband NABU, der in Bensersiel zusammen mit der Stadt Esens das Wattenmeer-Informationshaus „Wattenhuus“ betreibt – hier.