Man glaubt es kaum, dreister geht es fast nicht: Die jahrelange Diskussion über den Unsinn von Böllern und Raketen im und am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer („Weltnaturerbe“) ist an den Tourismusmachern und dem Norddeutschen Rundfunk (Radiosender NDR 2) spurlos vorübergegangen! Die Touristiker des Nordseeheilbades Norden- Norddeich planen in Zusammenarbeit mir dem NDR „eine einzigartige Silvesterparty mit Potenzial zum Standardevent“. „Ein Zelt gibt es zwar nicht, dafür aber Außenstände, professionelle musikalische Unterhaltung und ein Feuerwerk. […] Feuerwerkskörper selbst mitzubringen ist vor dem Hintergrund, dass dort viele Familien mit Kindern den Jahrseswechsel verbringen werden, nicht verboten“, so die Ankündigung und der Kurdirektor Armin Korok in der Lokalzeitung. Der Ort des „Events“ vor dem Deich im Strandbereich von Norddeich grenzt unmittelbar an den Nationalpark. Feuerwerke über dem Nationalpark sind nach dem Nationalparkgesetz aus Artenschutzgründen verboten. Dabei ist es völlig unerheblich, ob die die Feuerwerke im oder außerhalb des Nationalparks gezündet werden. Die Vögel des Wattenmeeres reagieren panisch auf die Lichteffekte und Explosionen, die kilometerweit in das Großschutzgebiet hineinwirken. Der Nationalpark ist auch EU-Vogelschutzgebiet; das Bundesnaturschutzgesetz schreibt eine Verträglichkeitsprüfung VOR solchen Aktionen (Projekten) vor, die aber mit Sicherheit nicht vorliegt. Nach diesem Gesetz sind mutwillige Störungen von Tieren verboten und damit eine Ordnungswidrigkeit, gewerbsmäßige Störungen und Vertreibungen können als Straftat geahndet werden.
Nichts zeigt deutlicher die atemberaubende Ignoranz der Tourismusindustrie und der verantwortlichen Redakteure des Lifestylesenders NDR2 für die Spaßgesellschaft gegen den gesetzlich gebotenen Artenschutz, 30 Jahre nach Einrichtung des Nationalparks. Der Wattenrat wird Strafanzeige gegen die Veranstalter erstatten, die unverhohlen zum Mitbringen von Feuerwerkskörpern auffordern.
Gespannt darf man sein auf die Reaktion der Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven – und der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Aurich – und das Eingreifen der hauptamtlichen Ranger. Man wird sich vermutlich auf die konfliktvermeidende und spitzfindige Position zurückziehen, dass Böller und Raketen ja eben außerhalb der Grenzen des Nationalparks abgebrannt werden und man daher nicht zuständig sei, obwohl die Raketen auch über dem Nationalpark, also innerhalb dessen Grenzen, explodieren. Lärm und Lichtblitze machen vor den Nationalparkgrenzen nicht halt! Die Nationalparkverwaltung weist aber in jedem Jahr mit hilflosen Appellen erfolglos auf das Böllerverbot im Nationalpark hin (s.u.). Auf vielen Inseln und am Festland wird aber in jedem Jahr sogar innerhalb der Nationalparkgrenzen heftig geböllert, so, als ob es ein Nationalpark- und Bundesnaturschutzgesetz nicht gäbe. Die lobenswerte Ausnahme: Auf der Insel Spiekeroog ist das Böllern verboten. Aufgabe der Nationalparkverwaltung wäre es nun, auch mit Rechtsmitteln gegen diese weit in das Schutzgebiet hineinwirkenden Störungen streng geschützter Vogelarten vorzugehen. Und was hindert den NDR daran, diese „große Sause“ naturverträglicher im Ortsbereich der Stadt Norden zu veranstalten?
Link Nationalparkverwaltung, 27. Dez. 2015:
Zitat daraus:
„[…] Das Knallen, aber auch die Licht- und Blendwirkung von Feuerwerkskörpern stellen für Tiere eine ernst zu nehmende Gefährdung dar. Dieses Verbot gilt auch zum Jahreswechsel. Gerade im Winter ist es für die im Watt und in den angrenzenden Gebieten rastenden Tiere eine Überlebensfrage, Energie zu sparen und unnötige Anstrengungen zu vermeiden. Die unvermittelten Erscheinungen von Feuerwerken werden von den Tieren als Bedrohung erkannt und lösen anhaltende Fluchtreaktionen und Stress aus. Auch die Licht- und Geräuschquellen aus benachbarten Gebieten wirken in den Nationalpark hinein. „Die Auszeichnung des Wattenmeeres als Weltnaturerbe ist eine Anerkennung für die Einzigartigkeit dieser Landschaft mit ihren dynamischen Entwicklungsprozessen und ihrer Artenvielfalt. Damit verbunden ist aber auch unser aller Verantwortung für deren Schutz“ erläutert Peter Südbeck, Leiter der Nationalparkverwaltung. „Deshalb appellieren wir an Einheimische und Gäste, aus Achtsamkeit für die Tierwelt auch im Umfeld des Nationalparks auf Feuerwerke und Böller zu verzichten. […]“
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Ostfriesischer Kurier, Norden/NDS, S. 3, 23. Dez. 2015
Große Silvesterparty in Norddeich
Veranstaltung der NDR 2 sorgt am Haus des Gastes für Partystimmung
zum JahreswechselFoto: Eine einzigartige Silvesterparty mit Potenzial zum Standardevent: die große Sause am Deich mit Blick über das Meer, die Inseln und das Binnenland. Fotomontage: Kurverwaltung
Ein Zelt gibt es zwar nicht, dafür aber Außenstände, professionelle musikalische Unterhaltung und ein Feuerwerk.Norddeich/GB – Mit der Ausrichtung einer Open-Air- Silvesterparty am Strand mit NDR 2 setzt das Nordseeheilbad Norden- Norddeich neue Akzente in der touristischen Vermarktung. Den Urlaubsgästen wird mit der Party ein besonderes Erlebnis zum Jahreswechsel geboten. Die Veranstaltung findet draußen, direkt beim Haus des Gastes statt. Ein Zelt wird es nicht geben, der Eintritt ist frei. Radiomoderator Christopher Scheffelmeier und DJ Tobias Gellert wollen für Stimmung sorgen. Seit Jahren ist es in Norden- Norddeich für viele Gäste und auch Einheimische Tradition, das alte Jahr auf dem Deich und Strand zu verabschieden und die Feuerwerke des Festlandes und der Inseln zu bestaunen. In diesem Jahr wird daraus erstmals eineNDR-2-Silvesterparty. Ab 21 Uhr verkürzt der bekannte Moderator Christopher Scheffelmeier die Wartezeit bis Mitternacht. „Feuerwerkskörper selbst mitzubringen ist vor dem Hintergrund, dass dort viele Familien mit Kindern den Jahrseswechsel verbringen werden, nicht verboten“, betont Kurdirektor Armin Korok. „Wirklich notwendig allerdings nicht, da man vom Deich aus wunderbar die Feuerwerke der Umgebung genießen kann.“
Auch die „Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen“ (EGE) hat dieses Thema aufgegriffen. Wir bedanken und bei den Eulenfreunden für die Überlassung des Textes:
Auf ein Wort zum Jahreswechsel – Dezember 2015
Australien will am Rande des Great Barrier Reefs einen Kohlehafen bauen. Die Deutschen sind außer sich. Ausgerechnet ein Hafen für die verhasste klimakillende Kohle. Und das nach der Klimakonferenz von Paris. Die Medien überschlagen sich im Alarmismus; sie sehen das Weltnaturerbe auf das Äußerste bedroht. Schlamm und Schiffsverkehr könnten die Korallen beschädigen.
Die Deutschen stellen ihre Wattenmeer-Nationalparke nur zu gerne in eine Reihe mit dem Great Barrier Reef. Unbescheiden, des Prestiges und des Kommerzes wegen. Dass sie ihre eigenen Nationalparke keinesfalls besser schützen als andere Staaten ihr Weltnaturerbe, können sie sich in nationaler Überschätzung nicht vorstellen.
Dabei ist der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer (übrigens nur ein Tausendstel so groß wie das Great Barrier Reef) zu Land und in wenigen Jahren auch zur See mit einigen tausend für Vögel tödlichen Windenergieanlagen geradezu umstellt. Einen Eindruck davon vermittelt das Bild oben. Ein Naturgebiet, das in Flyern der Tourismusbranche und der Nationalparkverwaltung als „Drehscheibe des internationalen Vogelzuges“ beworben wird. An jedem mit einem für Schweinswale lebensgefährlichen Höllenlärm in den Nordseeboden gerammten Mast können Öltanker havarieren. Nur, vor der Gefahr einer Ölpest warnen hier weder Medien noch Umweltverbände. Nein, dank des Stroms aus Wind können die Tanker bald verschrottet werden, so die naiv-fahrlässige Heilserwartung.
Schöne neue Welt. Dazu passt die Silvesterparty an der Grenze des Nationalparks, zu der das Heilbad Norden-Norddeich zusammen mit dem Norddeutschen Rundfunk gerade einlädt. Eine Mordsgaudi mit Feuerwerk, Explosionen und Lichtreflexen in den Nachthimmel. Ein Fall für die Staatsanwaltschaft, die aber an der Sache vermutlich nichts Verbotenes finden wird.
Während dessen richten deutsche Umweltverbände Protestschreiben an die australische Regierung. Oder sie verlangen von China den Erhalt der Pandas, deren Zahl um ein Vielfaches höher ist als die Zahl der hierzulande aus Gier dramatisch dezimierten Feldhamster aller norddeutschen Bundesländer zusammengenommen. So sind die Deutschen. Sie wundern sich, warum man ihre Ignoranz und Arroganz satt hat auf der Welt.
Letztes Update: 28. Dezember 2015