
Mai 2014: Heuwender bei Nüttermoor/LK Leer nach Mahd im EU-Vogelschutzgebiet V10 „Emsmarsch von Leer bis Emden“ (das NSG-Schild wurde inzwischen entfernt)- Foto: Eilert Voß, Wattenrat
Zum NDR-Bericht:
Niedersächsischer Weg: Verbände kritisieren Stillstand
Stand: 25.05.2025
Der Niedersächsische Weg wird fünf Jahre alt – eine bundesweit einmalige Zusammenarbeit von Naturschützern, Landwirten und Politik für Artenvielfalt. Der NABU aber findet, dass es „stottert“. […]
Es ist unsäglich: Erst lobten sich Naturschutz-Verbandsfunktionäre des NABU und BUND, niedersächsische Landespolitiker und Bauernfunktionäre für ihren „Niedersächsischen Weg“, der vorgeblich „einmalig“ sei und dem desolaten Naturschutz im Lande zur Verbesserung helfen sollte. Nun kommt Kritik von den Naturschutzverbänden am eigenen Machwerk auf.

Mai 2025: gemähte emsnahe Vorländer im NSG-Emsauen (außendeichs), EU-Vogelschutzgebiet, bei Nüttermoor/LK Leer – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
Das entsorgte „Volksbegehren Artenvielfalt“
Für den „Niedersächsischen Weg“ hatten die Naturschutzverbände ihre eigene Initiative des vorhergehenden „Volksbegehren Artenvielfalt“ abrupt gestoppt, das weitreichendere verbindliche gesetzliche Verbesserung für den Artenschutz schaffen sollte:
https://www.wattenrat.de/2020/11/14/volksbegehren-artenvielfalt-in-niedersachsen-ist-tot-kungelrunde-beschreitet-niedersaechsischen-weg/
Gegen das Volksbegehren waren Bauernverbände Sturm gelaufen, alles schon vergessen? Zur Belohnung bekamen die Naturschutzverbände von der Politik Zusagen für Naturschutzstationen vom Land. Umweltminister war damals Olaf Lies (SPD), später Wirtschaftsminister, und nun Ministerpräsident in Niedersachsen.
Auf dem Holzweg
Nun, nach fünf Jahren, wird deutlich, dass der Niedersächsische Weg ein Holzweg ist, ein Propagandainstrument, was abzusehen war. Der Wiesenvogelschutz, auch in dafür ausgewiesenen EU-Vogelschutzgebieten, funktioniert überhaupt nicht. Bauern im Nordwesten mähen z.B. nach wie vor, entgegen den Schutzverordnungen, ihr Grünland schon ab April oder Mai, für das Silage-Futter des Milchviehs in den immer größer werdenden Laufställen – und das mehrfach im Jahr , oder brechen weiterhin Grünland in Ackerland um. Da kann kein Gelege oder Küken vom Kiebitz bis zur Uferschnepfe (streng geschützte Arten!) mehr überleben. Das hat der Wattenrat mehrfach am Beispiel der Ems-Schutzgebiete seit Jahren öffentlich gemacht. Die Naturschutzverbände äußerten sich dazu nicht in den landwirtschaftsfreundlichen Regionalmedien, geben sich aber janusköpfig, wie der NABU, der sich besorgt über den mangelnden Wiesenvogelschutz äußert.

Frühe Mahd im Mai 2025: Nendorp/Rheiderland/LK Leer, EU-Vogelschutzgebiet – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
Darin diese markigen NABU-Aussagen vom 09. April 2024: „Mehr als 40 Jahre verfehlte Naturschutzpolitik – Das Verfahren der EU zeigt gerade in Niedersachsen, dass mehr als 40 Jahre eine verfehlte Naturschutzpolitik betrieben wurde“, so Dr. Holger Buschmann. Der NABU kritisiert dabei die nicht immer fachlich begründete Abgrenzung von Schutzgebieten und damit das Fehlen wichtiger Gebiete im Natura 2000-Netzwerk.“
Mit dieser Erkenntnis, die ja so neu nicht ist, hätte der NABU konsequenterweise längst aus dem „Niedersächsischen Weg“ aussteigen müssen!

Terborg/LK Leer, Jan. 2025: Neubau eines betonierten Treibsel-Abfuhrweges (Teekweg) durch die Deichacht Moormerland direkt am EU-Vogelschutzgebiet und NSG Unterems. Diese deichparallelen Wege ziehen Spaziergänger, Jogger und Radfahrer an, die dann die Brut- oder Rastvögel im Schutzgebiet verscheuchen. Absperrungen sind erfahrungsgemäß kein Hindernis. – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission 2024
Das Land Niedersachsen schaut der Artenvernichtung zu. Die EU-Kommission als „Hüterin“ der Natura-2000-Richtlinien (Flora-Fauna-Habitat- und Vogelschutzrichtlinie) hat 2024 ein Mahnschreiben an die Bundesrepublik Deutschland wegen unzureichender Gebietsausweisungen für Wiesenvögel verschickt und ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Dass es in den bereits ausgewiesenen Bereichen für die Wiesenvögel desolat aussieht, ist der EU-Kommission möglichweise entgangen. Der „Schutz“ besteht nur auf dem Papier!
Der NABU als „anerkannter“ Naturschutzverband ist durch das Verbandsklagerecht klagebefugt, hätte also längst gegen die „weichen“ nationalen Schutzverordnungen der Landkreise, wo auch der landwirtschaftliche Klüngel interessengeleitet mitregiert, klagen können statt sich zu beklagen. Der NABU macht stets die Lippen spitz, pfeift dann aber oft nicht.

Nüttermoor/LK Leer, EU-Vogelschutzgebiet, Mai 2025 – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
Das „Verschlechterungsverbot“ und zu viele Ausnahmen in den nationalen Schutzverordnungen
Die Flora-Fauna-Habitatrichtlinie (in Kraft seit 1992) der EU verpflichtet die Mitgliedstaaten, die natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten in einem günstigen Erhaltungszustand zu bewahren oder wiederherzustellen. Ebenfalls gilt ein „Verschlechterungsverbot“ , das jeden Mitgliedstaat dazu verpflichtet, geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um eine „Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie erhebliche Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind“, zu vermeiden. Die in nationales Recht umgesetzten Schutzverordnungen der Landkreise (!) enthalten aber Ausnahmen für die Landwirte, die den EU-Natura-2000-Richtlinien zuwiderlaufen. Diese unzureichenden Schutzverordnung gehören auf den Prüfstand der EU-Kommission. Es wäre eine begrüßenswerte Aufgabe der hauptamtlichen Naturschutzverbandsmitarbeiter, diese Schutzverordnungen auf Widersprüche zu untersuchen und dann an die EU-Kommission weiterzuleiten.

Bruthabitat vom Kiebitz (Kreise), Begüllung am 30. März 2020, Bovenhusen/Rheiderland/LK Leer, EU-Vogelschutzgebiet – Foto (C): Eilert Voß
Ein Beispiel für eine wirkungslose Naturschutzverordnung, hier vom Landkreis Leer und Stadt Emden:
Amtliche Verordnung zum Naturschutzgebiet Unterems“
[Teil des EU-Vogelschutzgebietes „Emsmarsch von Leer bis Emden]
[…] Freistellungen
(1) Die in den Absätzen 2 bis 8 aufgeführten Handlungen oder Nutzungen sind von den Verboten des § 3 Abs. 1 und 2 freigestellt.
[…]
(3) Freigestellt ist die ordnungsgemäße landwirtschaftliche Nutzung der Grünländer und Salzwiesen nach guter fachlicher Praxis gemäß § 5 Abs. 2 BNatSchG:
a) ohne Umwandlung von Grünland in Acker,
b) ohne Grünlanderneuerung, Über- und Nachsaaten sind außerhalb der nach § 30 BNatSchG und § 24 NAGBNatSchG geschützten Flächen erlaubt,
f) ohne vor dem 30. Juni eines jeden Jahres zu mähen, sofern die zuständige Naturschutzbehörde nicht ihre Zustimmung erteilt hat, […]

Mahd im Mai 2018: Kleihusen/LK Leer im EU Vogelschutzgebiet an der Ems – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
Interessant zu erfahren wäre, ob und mit welcher Begründung die zuständige Naturschutzbehörde ihre Zustimmung zum frühzeitigen Mähen erteilt hat – und ob das überhaupt zulässig ist. Vermutlich hat sich der kommunale Klüngel mit dieser abwegigen Schutzverordnung die Hintertür zum Ausmähen der streng geschützten Arten offengelassen, oder die Ausnahme zur Regel werden lassen.
Der Straftatbestand
Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine […] vorsätzliche Handlung begeht, die sich auf ein Tier oder eine Pflanze einer streng geschützten Art bezieht, so der § 71 des Bundesnaturschutzgesetzes.

Bauern schaffen Fakten: Gandersum/LK Leer, drainierte Potenzialfläche für ein Landschaftsschutzgebiet binnendeichs, April 2025. Gegen die geplante Ausweisung sperren sich Landwirte und die ev.-ref. Kirche, die sich sonst für die „Bewahrung der Schöpfung“ einsetzt. – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
Der Augen- und Fotozeuge
Das schrieb der langjährige ehrenamtliche Wat- und Schwimmvogelzähler und Mitarbeiter des Wattenrates, Eilert Voß, am 15. Mai 2025 (Auszug): „Dass Bauern allerdings trotz der Trockenheit weite Teile des NSG-Unterems 1 ½ Monate VOR dem offiz. Termin ausmähten, ist ein Skandal. Erlaubt ist die Mahd in den Restnatur-Landschaften der Unterems „nicht vor dem 30. Juni.“ (Außer die zuständige Leeraner-Naturschutz-Behörde genehmigt den Kahlschlag in landwirtschaftl. genutzten Vorländern des rechten Emsufers inmitten der aktuellen Brutzeit). Zusätzlich verursacht das Abfahren der Silo-Rollen zwischen Oldersum und dem Emstunnel derzeit erheblich Störungen. Außer Graugänsen sind mir im 15 Km-EMS-Abschnitt nur ein einziger Rotschenkel und Kiebitz aufgefallen. Diese niederschmetternden Vogeldaten wohlgemerkt in einem Brutgebiet, in dem es vor Jahren von Limikolen nur so wimmelte. (Ich frage mich des öfteren, ob die Mitarbeiter der Naturschutzstation-Ems,im Schöpfwerk Sautelersiel, niemals aus dem Fenster schauen?) Im V10-Emsmarschen (rechtsemsisches Binnenland,bemerkte ich folgendes: Im Winterhalbjahr werden weite Teile regelmäßig von Gänsen zur Äsung angeflogen und dementsprechend kahl waren die Silagewiesen bis Ende März. Regenfälle am 22.April und zeitgleiche Gülledüngung bewirkten, dass das Gras geradezu in die Höhe schoss. Etwa um den 1. Mai waren Unterschiede zwischen beästen und nicht beästen Flächen kaum noch erkennbar.“

Einst der Charaktervogel Nordwestdeutschlands, der Kiebitz, heute als Brutvogel fast verschwunden – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
Christian Meyer (Grüne), Umweltminister in Niedersachsen, will EU-Recht aufweichen
Dem anpassungsfähigen niedersächsischen Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) fällt zu den fünf Jahren „Niedersächsischer Weg“ das ein: “Umweltminister Christian Meyer (Grüne) sieht das Problem vor allem in zu strengen Vorgaben von Bund und EU:´Dort muss es rechtliche Änderungen geben.´“ (Zitat laut obigen NDR-Bericht)

Uferschnepfe, als Brutvogel selten geworden – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
Soll heißen, dass die EU-Schutzvorgaben aufgrund der rechtsverbindlichen FFH- und EU-Vogelschutzrichtlinien für die Bauern aufgeweicht werden sollen. Der grüne Mann ist eine krasse Fehlbesetzung! Anders die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne), die die schleppende Umsetzung des Niedersächsischen Wegs bereits 2022 bemängelte: Gruenen-Fraktion_Hintergrund_2_Jahre_Nds_Weg (pdf)

Ökolandwirt aus Emden mäht Uferschnepfenküken aus (Altvogel im roten Kreis) – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
Mit den „zahmen“ und viel zu kompromissbereiten Naturschutzverbänden (oder finanziell von Fördergeldern abhängigen) wie BUND oder NABU ist kein echter „nachhaltiger“ Naturschutz mehr zu machen, nicht nur beim Wiesenvogelschutz. Es muss sich etwas ändern, dringend.