
Seehund im Watt – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
Seehunde im Großschutzgebiet Nationalpark Wattenmeer haben es nicht leicht. Nicht selten werden sie durch neugierige Touristen, die gar nicht nahe genug an diese wildlebenden Meeressäuger herankommen können, von ihren Ruheplätzen vertrieben. Aktuell wurden zwei Fälle von den Inseln Borkum und Langeoog bekannt.
Die Insel Borkum wirbt u.a. nicht ganz fehlerfrei damit: Borkum: „Insel im Kurzportrait – Spüren Sie die grenzenlose Freiheit […] Die Seehundsbank mit seinen viele tierischen Bewohnern, das Ostland oder die weitläufige Dünenlandschaft in Richtung Hooge Hörn bieten ein Schauspiel an traumhaften natürlichen Gegebenheiten. […]“ [so im Originaltext]
Soweit die Werbung, bekannt auch als die „Schwester der Lüge“. Eine „grenzenlose Freiheit“ gibt es auch auf Borkum nicht. Auch hier gelten Gesetze, auch hier gilt z.B. das niedersächsische Nationalparkgesetz, das dem Betreten einiger Inselflächen Grenzen setzt, Flächen, die aus Artenschutzgründen nicht betreten werden dürfen. Aber die eigentlich geschützten Flächen werden dennoch betreten, entgegen aller Vorschriften. Bei mehr als 300.000 Gästen pro Jahr, sprich Touristen, und einer Einwohnerzahl von ca. 4300 darf man ohne Übertreibungen von Massentourismus reden, der auch zu Beeinträchtigungen der Tierlebensräume auf der Insel führt.
Beispiel Seehund

18. Juli 2025, Borkum, Weststrand (vor der Promenade): Schild warnt: „Betreten verboten – Lebensgefahr aufgrund von Strömung“, aber warum kein Verbotsschild „Betreten verboten, Seehundliegeplatz“? – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
Beispiel Seehund, der auf Borkum große Liegeplätze hat, die eigentlich ungestört sein sollten. Nur sind sie es nicht. Bisher ruhte sich die Mehrzahl der Seehunde auf Borkum in Sichtweite der Promenade der Insel zur Freude der Touristen auf, wurden dort aber regelmäßig gestört – die Tiere zogen fast alle um. Das Insel Magazin „Borkum Aktuell“ griff das Thema im Heft 07/2025 auf und berichtet über die Verlagerung des Seehundliegeplatzes: „Ein weiterer trauriger Grund […] sind die vielfältigen Störungen der letzten Saison […] viele Gäste ließen sich nicht durch die Beschilderungen […] von einer Sandbankwanderung abhalten. Diese Störungen waren häufig und sehr unregelmäßig in Zeit und Intensität, sodass die Tiere jedesmal ins Wasser flüchteten und sich mittlerweile wohl auf ungestörte Sandbänke verlegt haben […].“
Dazu gibt es auch einen aktuellen Zeitungsbericht aus der Nordwest Zeitung aus Oldenburg vom 30. Juli 2025, in dem die Polizei Besucher von der Seehundbank vor der Promendae holte: “Sandbänke vor Borkum – Verbotene Strandspaziergänge rufen Polizei auf den Plan […] Der Einsatz ist kein Einzelfall. Bereits acht Anzeigen hat die Polizeistation auf Borkum in diesem Jahr registriert. Im vergangenen Jahr wurden die Beamten insgesamt 24 Mal alarmiert […].“
Seehunde zogen um, und werden weiter gestört

Ungestörte Seehunde am Hooge Hörn, 24. juli 2025 – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
Die Seehunde vor der Promenade sind größtenteils in den Osten der Insel umgezogen, auf die weitläufigen Flächen das „Hooge Hörn“, eigentlich abseits des Tourismustrubels. Aber auch dort werden ruhende Seehunde gestört. Hier ein Beispiel, das unser Mitarbeiter Eilert Voß aus seinem Segelboot von See aus am 19. Juli 2025 mit einem Teleobjektiv fotografierte: Eine Radfahrerin befuhr die sandigen Flächen des Hooge Hörns und verscheuchte bei Annäherung alle Seehunde, Möwen und Seeschwalben von ihren Ruhe- und Liegeplätzen.

Borkum, Hooge Hörn am 19. Juli 205: Annäherung…

…Flucht…

…und abgeräumte Seehundbank -alle Fotos: Eilert Voß/Wattenrat
Und dies war nur eine Momentaufnahme. Wie oft werden die Seehunde dort durch Wanderer, Radfahrer, durch Lenkdrachen oder freilaufende Hunde, unbemerkt von der Polizei oder Rangern, gestört und vertrieben?
Seehundvetreibung auf Langeoog
Ein weiteres Beispiel, in diesem Falle die gezielte Seehundvertreibung, wurde dem Wattenrat am 23. Juli 2025 von Langeoog (Gästezahl 2024: 233.659, Einwohner 1358) berichtet: Ein Tourist überstieg den Absperrzaun zum Seehundliegeplatz im Osten der Insel, um dort die ruhenden Seehunde zu fotografieren – und trieb sie damit alle ins Wasser.

Langeoog, Ostende, 23. Juli 2025 – Foto: Voß

Foto: Voß

Alle Seehunde abgeräumt, wegen eines Fotos- Foto: Voß
Das widerrechtliche Betreten mit der Vertreibung wurde fotografiert und angezeigt, immerhin berichteten sogar die Lokalpresse und der NDR über diese Störung. Den Verursacher erwartet nun eine Ordnungswidrigkeitsanzeige.
Nicht nur die Seehunde
Aber nicht nur Seehunde werden von ihren Rastplätzen vertrieben. Strand- oder Dünenbrüter wie verschiedene Seeschwalbenarten oder die unscheinbaren Sand- und Seeregenpfeifer, in der Regel unter dem Aufmerksamkeitsradar der Öffentlichkeit, werden häufig durch Spaziergänger mit oder ohne Hund von ihren Brutplätzen vertrieben.

Borkum, Südstrand, strengste Schutzzone im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer (Ruhezone, Zone I): Ignoranz trifft Strandbrüterschutz, zwei Brutpaare Zwergseeschwalben“erfolgreich“ vertrieben. Foto: Eilert Voß/Wattenrat
Die Rückgänge dieser Arten sind dramatisch, ungestörte Bruträume gibt es kaum noch in diesem Nationalpark. Da fragt man sich doch, wo und wann denn eigentlich die hauptamtlichen Ranger tätig werden. Nur dürfen diese in Niedersachsen bei Verstößen keine Personalien feststellen und auch keine Platzverweise erteilen. Fragen darf man auch, wie kompatibel dieser Nationalpark mit dem Massentourismus ist, oder ob der Nationalpark tatsächlich nur ein werbewirksames Tourismus-Etikett ist.
In den Niederlanden kann man es besser

Dollart,Punt van Reide/NL, Überwachungskameras am Seehundliegplatz – Foto: Eilert Voß/Wattenrat
In den Niederlanden nimmt man offensichtlich den Schutz der Seehunde ernster und setzt professionelle Mittel zur Überwachung ein. Am Punt van Reide im dortigen Dollartbereich des Wattenmeeres wurden sog. Bauwatch-Überwachungskameras installiert, mit denen man in Echtzeit die Schutzzonen überwachen kann. Dort ist nun Ruhe auf den Seehundsbänken. Das müsste doch auch in den deutschen Wattenmeer-Nationalparken möglich sein.