Gestern am 05. August 2011 fand die von Eilert Voß, Mitarbeiter im Wattenrat, angestrengte Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Aurich statt. Der zunächst auf 20 Minuten anberaumte Erörterungstermin dauerte dann 40 Minuten, ein Urteil wurde noch nicht gesprochen. Wegen des großen Besucherandrangs wurde der ursprünglich vorgesehene Verhandlungsraum nicht geöffnet, die Verhandlung fand in einem größeren Saal statt. Der Verkündungstermin wurde auf den 26. August um 12:00 Uhr im Landgericht Aurich terminiert.
Das Emder Amtsgericht hatte Eilert Voß im März 2011 neben einer vorher auf Bestreben von Emder Jägern verhängte „Einstweilige Verfügung“ (bei Zuwiderhandlung bewehrt mit 250.000 Euro!) zu einem Ordnungsgeld in Höhe von 2.000 Euro, ersatzweise 20 Tage Haft, verurteilt. Der Wattenrat hatte darauf in einem Aufruf, der auf verschiedenen Internet-Seiten unterstützt wurde, ca. 5.500 Euro zur Finanzierung der Prozess- und Anwaltskosten gesammelt. Dafür sei an dieser Stelle noch einmal allen Spendern und Spenderinnen gedankt!
Voß hatte im Dezember 2010 mit einem Nebelhorn auf sich aufmerksam gemacht, um nicht von einem am Emsdeich unter einem Solarpaneel verdeckt stehenden Jäger angeschossen zu werden, dies wurde ihm als verbotene „Jagdstörung“ vorgehalten, obwohl sich die eigentliche Jagdgesellschaft mehrere hundert Meter entfernt im angrenzende Natur- und EU-Vogelschutzgebiet „Petkumer Deichvorland“ an der Ems aufgehalten hatte und es durch den hohen Emsdeich keine Sicht- und Kommunikationsmöglichkeit mit dem verdeckt stehenden Jäger und Kläger Take W. Hülsebus aus Petkum gab. Hülsebus führte damals keinen brauchbaren Jagdhund mit sich, sein Dackel saß angeblich „wegen der Kälte“ in einem mehrere hundert Meter entfernt geparkten Auto. Dackel sind ohnehin wegen ihrer geringen Größe zur Wasservogeljagd auf Gänse nicht geeignet.
Als anwesender „Prozessbeobachter“ dazu einige Anmerkungen: Die Berufungsverhandlung im Auricher Schloss (Landgericht) unter den Augen der lebensgroßen Portraits u.a. von Kaiser Wilhelm I., Kaiser Friedrich III. und König Georg V. war gut besucht, mehr als 30 Zuhörer , überwiegend Gegner der Wasservogeljagd und Sympathisanten von Voß, nahmen an der Verhandlung teil. Die Verhandlung wurde vom Gerichtspräsidenten Hans-Otto Bartels geleitet. Dieser betonte, man habe eine Berufung gesetzlich zurückweisen können, aber Naturschutz sei eben keine „Spinnerei“.
Von der Presse waren Redakteure der Ostfriesen Zeitung, der Ostfriesischen Nachrichten, der Emder Zeitung und last but not least der Agentur dpa/lni anwesend.
Zunächst stellte sich Eilert Voß als ehrenamtlicher jahrzehntelanger Vogelzähler für die Staatliche Vogelschutzwarte in Niedersachsen vor, der den Kläger Hülsebus schon vor Jahren bei einer Gesellschaftsjagd auf Wasserwild im Naturschutzgebiet „Petkumer Deichvorland“ beobachtet habe. Damals habe ein Jagdteilnehmer eine streng geschützte Nonnengans abgeschossen und davon getragen. Dazu gäbe es Filmaufnahmen. Die Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Aurich sei ergebnislos verlaufen, weil sich Hülsebus geweigert habe, den Namen des Jagdgastes preiszugeben.
Voß‘ Anwalt Dominik Storr aus Neustadt am Main zitierte aus einer eidesstattlichen Versicherung eines pensionierten Forstdirektors vom Ökologischen Jagdverband Niedersachsen-Bremen, der den verdeckten Standort des Gänsejägers als gefährlich für Spaziergänger und sogar für die Jagdgesellschaft im Deichvorland vor dem Deich bezeichnete, da der Schütze nicht sehen könne, wohin er schösse und welche Flugbahn die Schrote nähmen. Storr bezeichnete die gegen Voß erwirkte Einstweilige Verfügung als unzulässig, da diese Voß das Betreten der eigentlich frei begehbaren Flächen des Emdsdeiches am Schutzgebiet während der Jagd verbiete, ohne genau festzulegen, wodurch die Flächen begrenzt seien. Zudem monierte er, dass es keine Verurteilung wegen „Jagdstörung“ gegen eine unrechtmäßig ausgeübte Jagd geben könne, da der klagende Jäger Hülsebus sowohl vom verdeckten und damit ungeeigneten Standort als auch ohne brauchbaren Jagdhund die Wasservogeljagd ausgeübt habe.
Für einen „Spaßfaktor“ war auch gesorgt, als der Kläger Take Hülsebus Voß vorwarf, er habe ihm am Deich eine geschossene Graugans wegnehmen wollen. Voß ist zwar kein Hühnerdieb, aber nun gar ein Gänsedieb? Wohl kaum, obwohl damals Weihnachten vor der Tür stand.
Der Anwalt des Klägers ist der Rechtsanwalt Hermann Weerda von der Emder Anwaltskanzlei Rödenbeek, Bessau, Weerda und Hemken. Weerda ist ebenfalls Jäger und Pächter des Reviers im Naturschutzgebiet „Petkumer Deichvorland“. Die Fläche befindet sich im Besitz des Landes Niedersachsen, das die Jagdpacht einnimmt.
Die Jäger haben sich mit ihrer Anzeige gegen Voß einen Bärendienst erwiesen und für eine enorme bundesweite Resonanz vor allem wegen der eigenen Jagdverstöße (Jagd bei Nebel, Schneetreiben und Dunkelheit auf schwer unterscheidbare z.T. geschützte Gänsearten) gesorgt. Ziel der Emder Jäger ist es zweifellos, Voß mit gerichtlichen Mitteln mundtot zu machen und ihn an der weiteren Dokumentation von jagdlichen Missständen zu hindern.
Der vom ZDF dazu zunächst angekündigte Beitrag im Programmplatz „heute in Deutschland“ am 06. August um 14:00 Uhr ist entfallen und vermutlich auf den 26. August verschoben. Als Begründung wurde angegeben, es fehle „die Aktualität“, weil noch kein Urteil ergangen sei; dafür gab es dann in dieser Sendung Kulinarisches: gestopfte Gänse mit Lebervergrößerung…
Manfred Knake
Link: * Nebeljagd auf Gänse an der Ems: “Jagd unterliegt keiner Behördenaufsicht”
dpa/lni 06. August 2011: Gänseschützer und Jäger streiten vor Gericht Landgericht – Schüsse im Schutzgebiet
[…] Vertreter der Jäger warfen dem Mann vor, das Recht in die eigene Hand zu nehmen. Die Anzeige von Jagdverstößen sei Sache des Gerichtes und nicht von Privatpersonen. Er habe sogar versucht, einem Jäger eine geschossene Gans zu stehlen. „Wir beobachten ihn seit vielen Jahren“, sagte ein Jäger vor dem Landgericht. „Er macht enorm gute Bilder, aber diesmal ging er zu weit.“
Der Anwalt des Vogelschützers sah dagegen drei Jagdverstöße als erwiesen an. Ein Jäger habe über eine Deichkuppe geschossen und damit Unbeteiligte gefährdet. Bei der Jagd auf Wasservögel müsse zudem ein ausgebildeter Hund dabei sein. Stattdessen habe nur ein Dackel im weit entfernt geparkten Auto gesessen – wegen der Kälte. Zudem habe sich der Jäger mehrere hundert Meter von der eigentlichen Jagdgesellschaft entfernt. Das tatsächliche Jagdgebiet sei ebenso unklar wie das räumliche Ausmaß des verhängten Betretungsverbotes.
„Eine rechtmäßige Jagd soll laut Gesetz geschützt werden, aber in diesem Fall ging es nicht rechtmäßig zu“, sagte Anwalt Dominik Storr. Der Ökologische Jagdverband und der Wattenrat kritisierten am Rande der Verhandlung fehlende Kontrolle von Behörden. Anzeigen wegen Jagdverstößen seien sowohl bei der Unteren Naturschutzbehörde der Stadt Emden, bei der Polizei und beim Landwirtschaftsministerium in Hannover im Sande verlaufen.