Ungeachtet des strengen Frostes und der flächendeckenden geschlossenen Schneedecke geht die Wasservogeljagd an der Ems gnadenlos weiter, ausgeübt von Jägern, die sich auf Grund ihrer Mitgliedschaft in der Landesjägerschaft Niedersachsen „anerkannte“ Naturschützer nennen dürfen. Das Landesjagdgesetz sieht in § 32 vor, dass in Notzeiten des Wildes eine Jagdruhe verordnet werden kann, zusätzlich soll das Wild dann gefüttert werden, was aber bei Gänsen und Enten nicht notwendig ist. An der Ems ist die Notzeit für Wasservogeljäger ein Fremdwort.
In den Naturschutzgebieten an der Ems, die Teil eines europäischen Vogelschutzgebiet sind, sind noch einige Wasserstellen frei, überwiegend an den sog. „Muhden“, dort, wo aus Sielen der Binnenlandentwässerung Wasser in die Ems geleitet wird. Bei jedem Schuss verlassen die Wasservögel, auch die streng geschützten Watvögel, panikartig ihre Wasser- und Tränkeflächen und fliehen auf die offene Ems. Das ist gerade zu dieser kalten Jahreszeit außerordentlich kräftezehrend für die Tiere.
Die lodengrünen Vogelschießer an der Ems ficht das nicht an, sie gehen ihrem blutigen Hobby unbeeindruckt weiter nach. Sie dürfen das sogar, die Jagd in Naturschutzgebieten und EU-Vogelschutzgebieten ist legal, sogar bei Dunkelheit. Jagdrechtlich darf eineinhalb Stunden vor und nach Sonnnenauf- bzw. – untergang auf Wasservögel geschossen werden, obwohl dann eine Unterscheidung in jagdbare und nicht jagdbare Arten gar nicht möglich ist. Das muss zwangsläufig zu Fehlabschüssen führen. Das Bundesrecht schränkt diese Jagdzeiten aber ein, nach §1 Abs. 3 der Bundesjagdzeitenverordnung darf nur dann gejagt werden, wenn die Arten sicher zu unterscheiden sind. In jedem Jahr kann man Notgemeinschaften von flügellahmen Gänsen in den Außendeichsbereichen der Ems beobachten, die entweder angeschossen oder bei schlechten Sichtbedingungen in Stacheldrahtzäune gescheucht wurden.
Auch zu diesen harten winterlichen Zeiten schießen die Jäger an der Ems auf Wasservögel, ganz legal, aber nicht legitim. Will sagen, dass es sich aus dem menschlichen Empfinden für die Not der Tiere eigentlich verbietet, ihnen sowohl in Schutzgebieten als auch zu Notzeiten nachzustellen. Das disqualifiziert diese Schießer und Beutemacher, die sich gerne mit dem Nimbus des „edlen Weidmannes“ umgeben, mit Hege aber hat das nichts zu tun.
Die Jagdbestimmungen gerade in Naturschutz- und EU-Vogelschutzgebieten müssten also eigentlich dringend an die Erfordernisse des europäischen Vogelschutzes angepasst werden. Aber Jagdgesetze werden von Jägern für Jäger gemacht, die jagdlichen Verbindungen reichen weit hinein Politik und Verwaltungen hinein. Vor diesem Hintergrund ist es unendlich mühevoll, Jagdgesetze im Sinne der Tiere und ungestörten Lebensräumen, in diesem Falle Zugvögel aus der Arktis in EU-Vogelschutzgebieten, zu ändern. Einig ist man sich aber immer, wenn es um die Verurteilung der entsetzlichen Jagdverhältnisse in mediterranen Ländern auf Zugvögel geht, obwohl die Verhältnisse bei der Wasservogeljagd in Deutschland nicht viel anders sind.
Ohne Übertreibung kann gesagt werden, dass diese Art der Jagdausübung für die betroffenen Wasservögel, ob jagdbar oder nicht, eigentlich Jagdterror ist. Im Naturschutzgebiet Petkumer Deichvorland beobachtet unser Mitarbeiter Eilert Voß seit Jahrzehnten die Wasservögel und ist als Zähler der internationalen Wat- und Wasservogelzählungen für das Land Niedersachsen bei jedem Wetter unterwegs. Und er beteiligt sich an der Gänsewacht, die den Jäger auf die Abzugsfinger sieht. Er hat im Laufe der Jahre tausende von Dias und Digitalfotos über die maroden Zustände an der Ems fotografiert, mit seinen Objektiven auch auf Jäger „geschossen“ und dabei Jagdverstöße dokumentiert. Neben anderen Jägern frönen hier ein ehemaliger Laienrichter und Bürgermeister, ein Anwalt und ein Restaurantbesitzer (der auch Wild anbietet) ihrer Jagdleidenschaft.
Eilert Voß geht den wenigen Jägern, die dort in jedem Jahr für erhebliche Unruhe im Schutzgebiet sorgen, offenbar gewaltig auf die Nerven. Sie fühlen sich zu recht beobachtet. Jetzt haben die Gänseschießer ihn im Visier und „schießen“ zurück.
Man versuchte ihn schon mit einer „einstweiligen Verfügung“ des Amtsgerichtes Emden unter Androhung eines Ordnungsgeldes in sechsstelliger Höhe ruhigzustellen, ohne ihn vorher überhaupt angehört oder anderweitig aufgefordert zu haben. Das kann Folgen haben, nicht nur für die beteiligten Jäger. Jetzt hält er sich fern von ihnen, auf Distanzentfernung eines leistungsstarken Teleobjektivs.
Als Folge dieser Scharmützel findet man derzeit skurrile Meinungsäußerungen, von wem auch immer, am Naturschutzgebiet: Nicht die Gänsejagd wird als Terror wahrgenommen, sondern der Überbringer der Botschaft, „Wattenrat ist Terror“ stand auf einer Informationstafel des Naturschutzes in den Schnee geritzt, oder ein trotziges „Gänsejagd ist legal“, was ja an sich nicht falsch ist, aber in einem EU-Vogelschutzgebiet schleunigst untersagt werden sollte. Nicht alle Jäger unterstützen diese Art der Jagdausübung in Schutzgebieten, auch von der organisierten Jägerschaft kommt Kritik, der Ökologische Jagdverband (ÖJV) lehnt die Jagd auf Wasservögel in Schutzgebieten eindeutig ab. Der Anfang ist gemacht!
Alle Fotos (C): Eilert Voß, Dez. 2010