Der Kornweihe, einer Greifvogelart, geht es schlecht. Die Zahl der Brutvögel geht dramatisch zurück, auch im Großschutzgebiet „Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer“, das auch als „Weltnaturerbe“ etikettiert ist. Während die Übernachtungszahlen der Tourismusindustrie örtlich rasant gestiegen sind, haben sich viele Vogelarten parallel dazu still und unbemerkt aus dem Schutzgebiet verabschiedet: die Zwergseeschwalbe, der See- und Sandregenpfeifer als Strandbrüter haben den dem touristischen Druck nicht standgehalten, die Bestände sind dramatisch eingebrochen. Korn- und Wiesenweihen, die auf den Inseln brüten, fliegen zur Nahrungssuche auch auf das benachbarte Festland und kommen hier leicht an den vielen Windkraftanlagen, die in den letzten Jahren dank Erneuerbare Energien Gesetz aus reiner Profitgier wie Pilze aus dem Boden schossen, ums Leben. Die immer noch zu vielen Stachdrahtzäune im Nationalpark sind nicht nur für Weihen, sondern auch für die auf den Inseln brütenden Sumpohreulen eine große Gefahr. Geocacher haben auch die Inseln als ihren Spielplatz entdeckt und dringen bis in die entlegensten Winkel des Nationalparks vor, umworben von der Tourismusindustrie und sogar der Nationalparkverwaltung.
Nun legte die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven ein auf vier Jahre befristetetes Schutzkonzept für die Kornweihen auf den Ostfriesischen Insel vor, es möge nützen.
Die Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung vom 07. Juni 2013 lesen Sie hier:
Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer, 07. Juni 2013
Schutzkonzept für Kornweihen im Nationalpark
Kornweihen sind Greifvögel und die Charakterart der Dünenlandschaften auf den Ostfriesischen Inseln im UNESCO Weltnaturerbe und Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Für die Insel Norderney ist die Kornweihe sogar die Symbolart. Früher waren Kornweihen weit verbreitet, doch mittlerweile gehören sie in Deutschland zu den seltensten und am stärksten bedrohten Brutvogelarten.
Deutschlandweit gibt es aktuell weniger als 50 Brutpaare, ein großer Teil davon brütet auf den niedersächsischen Wattenmeerinseln. Damit besitzt der Nationalpark eine herausragende Bedeutung als Lebensraum für brütende Kornweihen. „Gleichzeitig bedeutet dies aber auch eine besondere nationale Verantwortung für den Schutz und Erhalt dieser Brutpopulation, denn der Brutbestand der Kornweihen geht dramatisch zurück“, stellt Nationalpark-Leiter Peter Südbeck fest. Gemeinsam mit Bürgermeister Frank Ulrichs, Nadine Oberdiek (Uni Oldenburg) und Jürgen Rahmel (Nationalpark-Haus) stellte er jetzt auf Norderney ein Projekt für Erforschung und Schutz der Kornweihen im Nationalpark vor.
Nach einem lang anhaltenden Bestandsanstieg im Wattenmeer bis Ende der 1990er Jahre ist der Populationstrend der Kornweihen seither dramatisch rückläufig. Binnen zehn Jahren ging der Bestand um 60 Prozent zurück. Die Gründe für diese Besorgnis erregende Bestandsentwicklung sind bisher nicht hinreichend geklärt. Es muss befürchtet werden, dass für die Kornweihenpopulation überlebenswichtige Gebiete nicht mehr den Ansprüchen für ein erfolgreiches Brüten genügen können. Darüber hinaus sind die Rast- und Überwinterungsgebiete niedersächsischer Kornweihen sowie die dortigen Habitat- und Überlebensbedingungen ebenfalls unbekannt. Fest steht, dass nur ein kleiner Anteil der hier geborenen Vögel selbst zum Brüten in den Nationalpark zurückkehrt.
Vor diesem Hintergrund ergibt sich ein dringender Handlungsbedarf für den langfristigen Erhalt der Kornweihen vor allem im Wattenmeer, aber auch deutschlandweit. Ein nun ins Leben gerufenes Kooperationsprojekt zwischen der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer und der Arbeitsgruppe Landschaftsökologie der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg soll die Gründe für den alarmierenden Abwärtstrend aufklären, um ein ökologisches Verständnis der kritischen Entwicklung des Kornweihenbrutbestandes zu erlangen.
Aufbauend auf einem bereits bestehendem Farbberingungsprogramm für Kornweihen im niedersächsischen Wattenmeer und einem 2008 begonnenen Bruterfolgsmonitoring sollen in den kommenden Jahren weitere Untersuchungen zu Nahrung sowie zur Qualität von Brut- und Überwinterungsgebieten durchgeführt werden. Schwerpunkt der Untersuchungen wird der Einsatz einer innovativen Sendertechnik sein, die es erlaubt, die Bewegungsmuster der Kornweihen im Brutgebiet detailliert aufzuzeichnen. Gleichzeitig findet eine qualitative wie quantitative Erfassung der Beutetierpopulationen (Wühlmäuse) im Brutgebiet statt. Mit Hilfe von Satellitensendern können die Flugrouten sowie Rast- und Überwinterungsgebiete unserer Wattenmeer-Kornweihen verfolgt werden.„Ziel ist es, Wissenslücken zur Brut-, Nahrungs- und Winterökologie von Kornweihen zu schließen und potenzielle Rückgangsursachen aufzuzeigen, um die Populationsdynamik der Kornweihen besser zu verstehen“, erklärt Nadine Oberdiek, die an der Uni Oldenburg für das Projekt verantwortlich ist. „Mit diesen Erkenntnissen können geeignete Schutzmaßnahmen entwickelt und sofort umgesetzt werden, die – als maßgebendes Ergebnis des Projektes – in die Erstellung eines effektiven Schutzkonzeptes für Kornweihen in den Kernhabitaten an unserer Küste einfließen“. Die enge Verbindung von Naturschutz-Forschung und der direkten Umsetzung von Naturschutz-Maßnahmen verspricht dabei eine besondere Wirkung.
Gefördert wird dieses 4-jährige angewandte Kooperationsvorhaben von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).