Landwirt fordert Zugvogeljagd mit halbautomatischen Waffen in Vogelschutzgebieten, italienische Verhältnisse?

Keine Jagdzeit: flugunfähige flügelverletzte Blässgänse als Schicksalsgemeinschaft während der Jagdperiode, Ems, EU-Vogelschutzgebiet – Foto (C): Eilert Voß

Jäger sollten mit halbautomatischen Waffen Jagd auf Zugvögel machen, italienische Verhältnisse nun auch in Niedersachsen? Hero Schulte, Milchbauer und Jäger aus dem Rheiderland, will Gänse mit Selbstladern jagen, ausdrücklich auch in europäischen Vogelschutzgebieten. Mit einer halbautomatischen Waffe entfällt das Nachladen mit der Hand, nach der Schussabgabe ist die Waffe sofort wieder feuerbereit und erlaubt eine schnelle Schussfolge. In einem Bericht der Ostfriesen Zeitung aus Leer vom 11. August 2020 („Geschützte Nonnen- und Blässgänse sollen auf Abschussliste“) erläutert Schulte seinen Vorschlag: Täglich von 6 Uhr bis 11 Uhr sollten die Gänse mit halbautomatischen Waffen in Vogelschutzgebieten bejagt werden können.

Um sie in einer abschussfähigen Höhe von zehn bis 15 Metern zu treffen, müssten sie mit Gänse-Attrappen angelockt werden. Die Jagd mit halbautomatischen Waffen sei effektiv, so Schulte. Die dabei flüchtenden Tiere würden sich in alle Richtungen und dadurch gleichmäßiger auf den landwirtschaftlichen Flächen verteilen. Fraßschäden würden dann nicht so konzentriert aufteten, meint Hero Schulte. Seine Argumentation ist abwegig, Gänse als Schwarmvögel werden sich immer wieder zum gemeinsamen Äsen zusammenfinden, bei Störungen sogar eher dichter.

Eine ähnliche Art der Bejagung gibt es bereits und wird auch in Jagdkreisen kritisiert. Die sog. „Goose Busters“ benutzten „Gänseliegen“ (schlafsackähnliche Verstecke) auf dem Boden in Tarnfarbe, stellen Gänseatrappen als Lockvögel auf und warten im Liegen auf einfliegende Gänse. Wenn die Gänse auf Schussweite herangekommen sind, kommen die Jäger aus der Horizontalen und feuern mit Halbautomaten auf die überraschten Tiere. Dabei werden die Vögel nicht nur erlegt, sondern auch angebleit und fliegen schwer verletzt mit zerschossen Beinen oder Schnäbeln weiter. Es handelt sich dabei eher um ein Massaker als um eine waidgerechte Jagd. Ein Video der „Goose Busters“ aus Butjadingen, das diese üble Jagdpraxis zeigte, wurde inzwischen aus dem Netz genommen.

Nach dem neuen Jagdrecht dürfen halbautomatische Jagdwaffen nur mit maximal zwei Patronen im Magazin geführt werden, zusätzlich als fertig geladene Waffe mit einer Patrone im Patronenlager. Damit können dann in schneller Schussfolge drei Schüsse erfolgen. Das Bundesjagdgesetz wurde im November 2016 entsprechend angepasst und geändert. So heißt es in § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c BJagdG nun wie folgt: „Verboten ist […] 2. […] c) mit halbautomatischen Langwaffen, die mit insgesamt mehr als drei Patronen geladen sind, sowie mit automatischen Waffen auf Wild zu schießen; […] „

Blässgans, mit Halsmanschette markiert, flügellahm, während der Jagdperiode fotografiert. EU-Vogelschutzgebiet, Petkumer Deichvorland, Ems – Foto (C): Eilert Voß

Das Bundesverwaltungsgericht hatte am 17. März 2016, also acht Monate vor der Gesetzesnovellierung u.a. geurteilt (BVerwG 6 C 60.14): „Verboten ist die Ausübung der Jagd mit halbautomatischen Waffen, die nach ihrer baulichen Beschaffenheit geeignet sind, ein Magazin mit einer Kapazität von mehr als zwei Patronen aufzunehmen.“ Gegen dieses Urteil liefen Jagdfunktionäre zunächst Sturm, auch das Präsidiumsmitglied des Deutschen Jagdverbandes (DJV), Helmut Dammann-Tamke (Landwirt und CDU-Landtagsmitglied in Niedersachsen), der auch Vorsitzender der Niedersächsischen Landesjägerschaft ist und im Landtag die jagdlichen Fäden zieht. Die Landesjägerschaft Niedersachsen (LJN) ist „anerkannter“ Naturschutzverband, genau wie z.B. der NABU oder der BUND. Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes folgte der Gesetzgeber nicht. Er ließ im geänderten Bundesjagdgesetz die Größe der Magazine außen vor, schrieb aber vor, dass eine halbautomatische Waffe nur mit insgesamt drei Patronen geladen sein darf, ein Erfolg der bis in hohe politische Ämter vernetzten Jagdlobby.

Bundesjagdgesetz
§ 19 Sachliche Verbote
(1) Verboten ist […] c) mit halbautomatischen Langwaffen, die mit insgesamt mehr als drei Patronen geladen sind, sowie mit automatischen Waffen auf Wild zu schießen […]

Die Frage ist, ob sich Jäger immer an die vorgeschrieben zwei Patronen im Magazin halten. Wer kontrolliert das? Es wird auch immer noch mit eigentlich verbotenem Bleischrot an Gewässern auf Wasservögel gejagt.

Exkurs: Halbautomatische Langwaffen werden als Schrotflinten oder Kugelbüchsen produziert. Das Laden erfolgt entweder durch den Gasdruck aus der Patrone oder durch den Rüchstoß. Es gibt halbautomatische Waffen, die mit einem speziellen Schaft (Bump Stock) in eine vollautomatische Waffe umgerüstet werden können. Das wäre dann ein Schnellfeuergewehr (ähnlich einem Maschinengewehr), das aber in Deutschland als Kriegswaffe verboten ist. In den USA gab es bis vor ein paar Jahren kostengünstige Umbausätze zu kaufen, die aus einem Halbautomaten quasi ein Maschinengewehr machten. Die US-Regierung unter Präsident Trump initiierte nach einem Amoklauf in Las Vegas, bei dem 58 Menschen aus einem Hotelzimmer mit einer umgebauten Waffe erschossen wurden, ein Verbot dieser Umbausätze, das 2018 in Kraft trat. Verstöße dagegen können in den USA mit bis zu 10 Jahren Haft geahndet werden. In Deutschland kann der Besitz von Kriegswaffen mit fünf bis zu zehn Jahren Haft geahndet werden.

Blässgans, keine Jagdzeit, illegal geschossen bei Nebel, Straftat. Vogelschutzgebiet Ems, Petkumer Deichvorland bei Emden – Foto (C): Eilert Voß

Der Gänse- und Entenschießer und Milchbauer Hero Schulte erhielt 2019 als Direktzahlungsempfänger der EU 32.725,06 € Subventionen, vom Steuerzahler finanziert. Davon entfielen 11.405,73 € aus dem ELER-Topf „Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen“ […] „zum Erhalt und zur Förderung der Biodiversität und Artenvielfalt (insbesondere Umsetzung von FFH- und Vogelschutzrichtlinie), sowie zur Erhaltung, Pflege und Gestaltung einer regionaltypischen Kulturlandschaft und eines traditionellen Landschaftsbildes.“ Ob Hero Schulte am freiwilligen Vertragsnaturschutz teilnimmt und dann zusätzlich pro Jahr und Hektar Kompensationszahlungen erhält, egal ob Fraßschäden entstanden sind oder nicht, ist hier nicht bekannt. Mit welcher Berechtigung aber erhält ein Bauer öffentliche Mittel für den „Erhalt der Biodiversität und Artenvielfalt“ und „Umsetzung von FFH- und Vogelschutzrichtlinie“, wenn er öffentlich den Abschuss von besonders geschützten Vögeln in ihren Vogelschutzgebieten, die auch lebensnotwendige Überwinterungsgebiete sind, fordert? Warum entzieht man diesem Mann und seinen ähnlich argumentierenden Berufskollegen nicht einfach die Fördermittel – oder den Jagdschein?

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