Rheiderland: viel Wasser, wenig Hilfe

Wynhamster Kolk, Gem. Bunde, Rheiderland/LK Leer, 24. Dez. 2020 – Foto (C): Reinert

Immer wieder kommt es vor, dass Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern bei Behörden entweder gar nicht, mit zeitlicher Verzögerung verschleppt oder nur unzureichend beantwortet und offensichtliche Missstände nicht abgestellt werden. Das hat man auch schon beim Wattenrat erlebt. Im nachfolgenden Beispiel greifen wir die Nöte des besorgten Anliegers Wolfgang Reinert auf, der in der Gemeinde Bunde im Rheiderland im Landkreis Leer lebt. Sein Anwesen liegt sehr tief, unter dem Meeresspiegel. Hohe Wasserstände gefährden sein Haus und sein Grundstück und können so gravierende Schäden verursachen.

Für die Entwässerung ihrer Grundstücke müssen alle Einwohner im regenreichen Ostfriesland, die im Einzugsbereich von Sielachten wohnen, Sielachtbeiträge zahlen. Das Oberflächenwasser wird in Vorflutern (Gräben, wenn diese größer dimensioniert sind in „Sieltiefs“) gesammelt und über die Siele, Tore im Deich, in das Wattenmeer und die Nordsee entwässert. Die Sielachten sind für die Entwässerung der Ländereien zuständig. Sielrichter verwalten die Sielachten als Körperschaften des öffentlichen Rechts; es sind in der Regel Landwirte, die nach archaischen Strukturen gewählt werden. „Otto Normalbürger“ und Beitragszahler hat kaum Chancen, in dieses Gremium gewählt zu werden. Die Bezeichnung „Sielrichter“ ist historisch und hat nichts mit juristisch ausgebildeten Richtern zu tun. Bereits 2019 berichtete der Wattenrat über die Merkwürdigkeiten bei der Wahl: „Sielachten in Ostfriesland: keine Transparenz bei der Wahl – ein Leserbrief“. Der Leserbrief wurde damals von Wolfgang Reinert verfasst – und nicht in der Zeitung veröffentlicht.

24. Dez. 2020: Wynhamster Kolk, Gem. Bunde/LK Leer: Viel mehr darf der Wasserstand nicht ansteigen, dann säuft das Grundstück samt Haus ab. – Foto (C): Reinert

Wolfgang Reinert hat sich mit seinen Sorgen schon mehrfach an die Rheider Sielacht und den zuständigen Landkreis Leer als Untere Wasserbehörde gewandt. Der Landrat ist Matthias Groote (SPD), früher Vertriebsingenieur des Windkraftherstellers Enercon , später Mitglied des Europäischen Parlaments und dort Vorsitzender des Umweltausschusses.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Selbstverständlich ist feuchtes naturnahes Grünland ein Gewinn für den Artenerhalt von Pflanzen und Wiesenvögeln, nur müssen eben auch Anliegersorgen ernst genommen werden. Es geht nicht darum, der Trockenlegung ganzer Landstriche das Wort zu reden.

Im Dezember 2020 wurde von Wolfang Reinert ein Leserbrief  verfasst, der wiederum nicht gedruckt wurde. Geholfen wurde ihm bisher nicht. Deshalb veröffentlichen wir sein Anliegen hier:

Wolfgang Reinert, 26831 Bunde 25.12.2020

ZUSTANDSBERICHT

Alle Jahre wieder müssen wir uns mit der Rheider Sielacht und dem Landkreis Leer herum schlagen. Unser Hausgrundstück grenzt an die Wynhamster Mühle, und durch unser Grundstück fließt das Gewässer Wynhamster Tief. Dieses in unserem Eigentum befindliche Teilstück nimmt das durch die Schöpfwerkmühle gepumpte Wasser aus dem Wynhamster Tief auf und führt es in den Bunder-Ditzumer Sieltief ab. Die Unterhaltung dieses Teilstücks obliegt (Gewässer II.Ordnung) der Sielacht. Laut vorliegender Dokumentation sind im Winter festgelegte Pegelstände von der Sielacht einzuhalten (3,0 bis 3,2 Normalpegelstand). Erwähnenswert ist, dass die einzuhaltenden Winter- und Sommer-Pegelstände VOR 1978! festgelegt wurden.

Am 23. Dezember 2020 teilten wir der Sielacht und dem Landkreis die Entwicklung eines zu hohen Pegelstands mit. Um 21:30 Uhr bei zunehmendem Niederschlag war ein Pegelstand von über 3,5 erreicht, eine erforderliche Entwässerung über das Schöpfwerk Ditzum fand tideabhängig nicht statt!

Am nächsten Tag (24.12.) morgens gegen 8:30 Uhr mussten wir einen Pegelstand von 3,7! feststellen (erlaubtes Maximum ist 3,76), die Entwässerung durch das Schöpfwerk Ditzum war nicht in Betrieb, dagegen wurde zusätzliches Wasser aus dem Wynhamster Tief (seit Tagen durchlaufender Pumpbetrieb) zugeführt, welches zu einer weiteren Erhöhung des Pegelstandes führt. Erst im Laufe des Vormittags wurde das Schöpfwerk Ditzum mit der Entwässerung aktiv. Bei der Vorort Besichtigung in Ditzum stellte ich einen Pegelstand gegen 12:00 Uhr von ca. 3,3! fest, gegen 12:15 Uhr hatten wir aber immer noch einen Pegelstand (Wynhamster Kolk) von knapp unter 3,7!

Für den fast zeitgleich festgestellten gravierenden Pegelunterschied habe ich bislang keine Erklärung. Das unzureichende Wassermanagement der Rheider Sielacht wird durch eine nachfolgend „grob einfache Berechnung“ veranschaulicht:
Unterstellen wir, dass bei dem vorhandenen Pegelstand (3,7) zusätzlich für nur eine Stunde Niederschlag in Höhe von 10 Liter auf den Quadratmeter dazugekommen wäre, müssten beide Pumpen im Schöpfwerk Ditzum unter Volllast bei optimalen Bedingungen durchgehend zwischen 5 bis ca. 10 Stunden bei unterschiedlichen Berechnungsprämissen im Betrieb sein, um wieder den Pegelstand von 3,7 zu erreichen (Berechnungsgrundlage sind vorliegende Sielacht-Daten wie Einzugsgebiet, Förderleistungen der Pumpen)! Wiesen und Weiden im Einzugsgebiet Wynhamster Kolk wären stärker überschwemmt. Sollte der Niederschlag in gleicher Intensität über mehrere Stunden anhalten entwickelt sich der Wynhamster Kolk wieder zum Binnensee!

Eine detailliertere Analyse über die Körperschaft des öffentlichen Rechts (Rheider Sielacht) können sie unter meinen Facebook-Beiträgen nachlesen.
Fazit: Die Struktur/Besetzung der Rheider Sielacht ist nicht mehr zeitgemäß. Auf Anfrage 2019 beim Landkreis Leer, welche Aktivitäten aufgrund des Klimawandels geplant sind, kam als Antwort vom Landrat/ SPD: Fehlanzeige!

Anmerkung: Mittlerweile ist unsere Uferböschung stark ausgehöhlt, durch die nicht abgesicherte Uferböschung hat sich durch den fortwährenden Pumpbetrieb die Sielbreite durch Uferbruch mehr als verdoppelt, durch den eingesetzten Frost ( 10. Bis 14. Februar 2021) z.B. brechen die Erdklumpen im Uferbereich durch die kältebedingte Ausdehnung des Wassers im Boden auf ( Frostgare), trotzdem übernimmt die Sielacht, obwohl Gewässer II. Ordnung, keine Schutzmaßnahmen.
Der Landkreis Leer fühlt sich NICHT zuständig, da der LK nur für die Rechtsaufsicht verantwortlich ist, und somit keine Dienst- oder Fachaufsichtspflicht über die Sielacht ausüben kann?!
Eine Dienst- und Fachaufsicht gegenüber der Rheider Sielacht durch Drittkontrolle findet dadurch nicht statt, und das wiegt umso schwerer , weil kein fachlich ausgebildetes Personal in der Rheider Sielacht vorhanden ist (in unserem Gebiet alles Landwirte)!

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